Unverwüstlich (Filme)

10 Filme, die Bludgeon empfiehlt:

Da ich mich neulich im Blog von FilmkritikenOD herumgetrieben habe, dachte ich mir: Bist zwar kein Film- oder Serienjunkie – aber ne Liste der besten und vielleicht auch eine der schlechtesten Filme „aller Zeiten“, die du gesehen hast, könnteste ja mal zusammenstellen.

Als Kind der 60er und 70er Jahre war ich natürlich massenhaft im Kino, auch der Fernseher lief mitunter heiß; egal, ob man in vorpubertärem Zustand den Gegenwartsfilm da nun verstand oder nicht … da sammelt sich in der Erinnerung so einiges an, verschiebt sich und verklärt sich. Kulte brechen weg, ehemalige Graupen entpuppen sich in reiferem Alter bei Zweit- oder Drittbetrachtung nun als Perlen und wieder anderes bleibt in der Wirkung gleich oder wächst mit.

Starten will ich mit 2 Filmen der letztgenannten Kategorie:

Zum Besten, was ich gefühlt nun hundertmal gesehen habe, zählen 2 Filme des Gojko-Universums nach wie vor:

– Die Söhne der großen Bärin;

– Die Spur des Falken;

In den 60ern für die Zielgruppe Kind gedreht, in Sachen Filmmusik und Kostüme bei Lex Barker und Pierre Brice abgekupfert, erlebten diese Filme in der Familie mehrere Revivals, begeisterten diese beiden DEFA-Streifen mich mit 8 im Kino, mit 14 im Fernsehen, mit 33 auf VHS und mit 43 auf DVD – immer aus ein bissl anderen Gründen. (Und immer mit einem Rucksack an Erinnerungen hintendran. Kindheit. Faschingskostüme. Wäscheleinenlassos. Little Bighorn im Saaletal. Schulhoffachsimpeleien. Film- und Buchvergleiche). Dann waren die Familien-DVDs eine Weile verschollen, bis ich mitbekam, dass sie im Kinderzimmer in der töchterlichen DVD-Sammlung „still enteignet“ worden waren.

Die Filme sind deutlich besser gealtert als das Barker/Brice-Schaffen. Letztere wirken heute auf mich wie Heimatfilme mit „Federn offm Kopp“. Schmalzige Dialoge, schlecht ge-faked-e Action – ich zappte neulich gelangweilt weg.

Die beiden Gojko-Streifen erzählen a) die Indianergeschichte richtig herum und b) haben manche Dialoge und Kostüme DDRtypisch doppelten Boden und laden zum Interpretieren ein. Immernoch sehenswert und Soundtracks im Böttcher-Style von Karl-Ernst Sasse.

Die nächsten beiden sind wieder zwei aus demselben Hause:

2x James Dean!

Warum nicht alle 3?

Nun: Wenn du im Teenie-Alter auf den Rock&Roll-Trichter der 50er kommst, obwohl die Zeichen DEINER Jugend eher auf Prog und/oder Punk stehen, dann hörst du in jeder zweiten Oldies-Sendung Hinweise auf die Wirkung jenes frühen Toten, der da Elvis beeinflusst haben soll; der da überhaupt das Thema „Coming of age Film“ und „gebrochener Held“ aufs Tablett gebracht hat – und du gierst nach diesen Filmen! Dann kommen sie endlich ins Westfernsehen (so 77 oder 78 herum) und werden in Reihenfolge ihres Entstehens gesendet. „Jenseits von Eden“ ließ uns ratlos zurück. Auf dem Schulhof am nächsten Tag zwar Autosuggestion bei allen „Das war James Dean!“ (Das muss man mögen! Alle sagen das sei Kult!) Aber eigentlich: Zuviel Geflenne für 17jährige Kerle. Ein Vater-Sohn-Konflikt, der nicht der unsere war. Ich hatte einfach seitdem keine Lust, mir den ein zweites Mal anzutun.

Die anderen beiden: „…denn sie wissen nicht, was sie tun“ und „Giganten“ schienen auf Anhieb verständlich und ihre Wirkung wuchs bei Erlangung des nächsten Reifegrades des Betrachters automatisch mit. Die psychologische Akribie, wie hier die Charaktere vorgestellt und entwickelt werden! Und zwar im nahezu kompletten Ensemble! Nicht nur 2 Superhelden und platte Statisten! Die zur Schau gestellten Probleme so „heutig“! 1953 wie 1977 wie 2020! Filme sind ein schnell veraltendes Kulturgut. DIESE beiden NICHT!

1977 hab ich – und nicht nur ich allein – den Jim Stark als „frei“ deutlich missverstanden. Was die alles dürfen da drühm! Jeder Schüler hat da’n Auto! Und was für eins! – Mauerjahre eben.

1999 herum, beim Kauf der DVD hatte uns das dargestellte Elend eingeholt. „Der Wohnblock liegt im Park, wie ein böses Tier….“ Silly hatten 1989 noch vor dem Mauerfall davon gesungen, weil es in Ostberlin längst soweit war. Ab 1990 kam das auch in die Provinz… James Dean hatte das 1953 gespielt!

„Giganten“ ist eine Familiensaga der Extraklasse. Jedes Detail sitzt. Die reiche Familie mit der bösen alten Großmutter, die dem Knecht ein Stück Land vererbt, um die Sippe zu ärgern. Der findet dann dort Erdöl, wird reich, bleibt aber ein armseliges, neureiches Würstchen. Immerhin ging der Plan der nun toten Oma auf: Ihrer Sippe ist er schwer im Weg. Aber die hat noch andere Probleme: Der Vater, der sich über den Stammhalter freut und dann enttäuscht ist, als er merkt – der kommt nicht nach ihm; ist kein Cowboy, will nicht in den Sattel, will „studieren“! Iiiiih! Der Sohn liebt eine Mexicanerin! Rassenschande! Texas 1956. Er kann sie in der Kneipe vor den Anpöblungen des Wirtes und der Barflies nicht schützen, Intelligenz vs. Idiotenmehrheit; also drischt der Schwiegervater mit. Er gewinnt nicht. Aber sein Rassismus bröckelt. Für die Ehre der Family! Zeitlos. Da kurz vor Fertigstellung des Films jener heute sagenumwobene Unfall stattfand, der James Dean das Leben kostete, wird tragischerweise der Film seither in der medialen Wahrnehmung auf ihn und seine (Neben-)Rolle reduziert. Da fällt soooo viel unbeachtet unter den Tisch! Deshalb bleibt andererseits viel Nichtzerredetes zum Entdecken übrig.

Das nächste Film-Doppel stammt von Leander Haussmann. Das sind so zwei Filme, die ich hätte drehen wollen, wenn ich Regisseur wäre:

– Sonnenallee;

– NVA.

GENAUSO WAR’S! Damals in der Dederätä!

Sonnenallee ist erfolgreich genug. Muss man nicht allzuviel dazu sagen. Außer: Wenn du Wessi bist und Ossi-Bekannte hast, frag sie doch mal, warum „Moscow“ von Wonderland so ein langlebiger Kultsong im Osten war. Mal sehen, was dir dann so erzählt wird. Wegen „Moscow“ konnten DJs auch anfang der 80er noch richtig Ärger kriegen. Siehe Detlev Buck im Film.

„NVA“ ging unverdientermaßen relativ unbeachtet unter. Ich weiß nicht, wo Haussmann hat dienen müssen. Als Schauspielersohn und Regie-Student ist aber Prora oder Eggesin sehr wahrscheinlich. Ich saß im Kino mit meinem Sohn, habe Tränen gelacht, alte Beklemmungen wollten sich nähern, aber die nächste Pointe war schon auf dem Weg, die nächste Lachsalve zertrümmerte den heraufziehenden Alp. Groooooßartige Darstellung der führungsunfähigen Führer! Idioten-Crew! Die perfekte Schwejkiade für die Neuzeit! Der Film war aus, das Licht ging an. Ich hatte noch zu tun mir atemlos die Lachtränen aus den Augen zu wischen, da hörte ich meinen Sohn grinsend den Satz der Sätze sprechen: „Jo! Alles so, wie du’s immer erzählt hast.“

Auf einer Bludgeon-Bestenliste dürfen die nächsten beiden auf keinen Fall fehlen:

– Alois Nebel

– Nebraska

Beide zu gleicher Zeit kennengelernt und bisher viel zu wenig Leute getroffen, die diese Filme auch mögen, oder wenigstens kennen würden.

Zu Alois Nebel hab ich hier schon genug geschwärmt.

Nebraska ist ein meisterhafter Road-Movie, der zum einen ein ganz tolles Vater-Sohn-Verhältnis schildert und zum anderen ein realistisch armseliges Amerikabild transportiert: Vater in zunehmendem Altersstarrsinn glaubt einem Reklameversprechen, er habe in Nebraska eine Million gewonnen. Dumm nur, dass er am Fuße der Rocky’s lebt. Frau und Söhne sind genervt von dem alten Idioten. Ein Sohn fährt ihn schließlich durch viele Fly-Over-States Richtung Ostküste, um ihm zu beweisen, dass da in Nebraska keine Million auf ihn wartet. Dabei treffen sie auf jahrzehntelang nicht besuchte Verwandte, elende Hirnis, die ihnen bewusstwerden lassen, dass sie es weitergebracht haben als diese; auf ehemalige Berufsstationen und immer andere Sichtweisen auf zurückliegende Lebensabschnitte des Vaters. Der Sohn lernt ihn Stück für Stück besser kennen – und achten. Zeitgleich kaufte ich „ST Arkansas“ von Pere Ubu – und als ich mich mit den Texten dort befasste, erschien mir die Platte wie ein ergänzender Filmsoundtrack.

Bleiben noch zwei Nennungen um auf 10 Klassiker zu kommen übrig.

Da wäre zum einen zu erwähnen, dass zum Soundtrack meines Lebens an exponierter Stelle die NDW gehört und dass ich 1983 ein Radiokonzert von Thommy Beyer aufnahm. Einer meiner Heroes jener Tage! Da machte er die Ansage, dass „die Spitzenklöpplerin“ sein Lieblingsfilm sei und deshalb nun ein Song im Sinne des dort beschriebenen Liebesverhältnisses käme. Den Song hab ich vergessen. Die Ansage nicht, weil just ein paar Monate später „Die Spitzenklöpplerin“ als DDR-Taschenbuch erschien und der Film im Film-Casino „für Kenner“ -ich glaube auch nur einmalig – gezeigt wurde. Ohne Thommy Beyer hätte ich mich weder um das Buch noch um den Film geschert. Das Buch ist gut – aber der Film ist toll! Eine ganz feinfühlig erzählte, traurige Liebesgeschichte. Student liebt Friseuse. 70er Jahre. 20. Jahrhundert. Aber etwas kommt dazwischen…  (In meiner Heyse-Lesephase der letzten Zeit kam mir die Schluss-Sequenz immer wieder in den Sinn.) Ich war frisch verlobt. Die Zukünftige neben mir. Die erzählten da auf der Leinwand unser Leben – aber wir beschlossen, den grässlichen Schluss wegzulassen! Beyer hatte Recht: Den sollte man gesehen haben!

Last not least – die 10. Nennung:

-Zwei Cheyenne auf dem Highway;

Nochmal ein Road-Movie und nochmal Indianerthematik. USA 1987: „Was meinen Sie, wo Sie hier sind! Hier beginnt die 3. Welt!“ schreit der AIM-Bürgerrechtler den Bodenspekulanten an. Realistische Gegenwart im Mittleren Westen dort. Armselig, aber nicht deprimierend abgefilmt. Komödie, Bürgerrechtsdrama, Traditionspflege-Lehrstück, Anti-Western, Road-Movie von „Handmade Films“ hergestellt, sponsered by George Harrison. Die Filmmusik ist die erste LP von Robbie Robertson. Sehens- und hörenswert immer- und immerwieder.

13 Gedanken zu “Unverwüstlich (Filme)

  1. Bei Gojko vervollständigt „Chingachgook, die große Schlange“ für mich die Großen Drei des DEFA-Indianerfilms. Hier griffen die Schöpfer auf James F. Coopers „Lederstrumpf“ zurück, im Gedächtnis geblieben sind mir besonders die großartigen Naturaufnahmen, allen voran das Haus mitten auf dem See, und Indianer, die statt auf Pferden vor allem in Kanus unterwegs waren. Später habe ich die Cooper-Bücher regelrecht verschlungen, immer die faszinierenden Szenenbilder vor Augen.
    Danke mal wieder für einen schönen Erinnerungs-Anstoß.

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    • Mit den Kanus und der Landschaft ging es mir auch so. Jahrelang fielen nun ab’67 Plasteindianer vom Wannenrand oder meinen Knien ins Badewasser….
      Chingachgook war zwar mein erster Indianerfilm überhaupt, aber die Lage war dort für mich mit 7 Jahren recht unübersichtlich. Franzosen und Engländer statt Cowboys usw.
      Deshalb zündeten die Dakota-Streifen ein Jahr später mehr.
      Mein Platz 3 ist „Weiße Wölfe“. „Chingachgook“ Platz 4 vor „Tödlicher Irrtum“. So wäre meine Bestenliste. Kennst du „Blauvogel “ den Film? Indianerfilm ohne Gojko. War mal Sensation. Allerdings hat die Wirkung über die Jahre etwas nachgelassen.

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  2. „La Dentellière“ von Goretta ist eine berührende Geschichte um die Liebe einer achtzehnjährigen Friseuse zu einem Studenten aus wohlhabender Familie. Isabelle Huppert spielt hier subtil und überzeugend. Ich habe den Film bestimmt schon zweimal gesehen.

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    • Der Film thematisiert das Problem des Niveauunterschiedes beim Kennenlernen. Youngsters merken naturgegeben in der Anfangsphase nicht, dass da später ein Problem droht, wenn der Hormonrausch abebbt. Das passte damals voll in die Zeit. Die DDR propagierte „den neuen Menschen“ oder die „Proletarische Intelligenz“, also tauchten in Filmen eigener Produktion Paarungen auf wie Ärztin und Maurer; Professor und Verkäuferin und sowas. Kann funktionieren, wenn beide beschließen „unten zu bleiben“. Oder im Falle von Ärzten, die die Sprechstundenhilfe heiraten, wenn sie freiwillig seine Putze bleibt. Funktioniert nicht (wie in der Spitzenklöpplerin) wenn der gebildetere Teil dem Erlöserwahn verfällt und den andern Part „umerziehen“ oder „anheben“ will.

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      • Claude Goretta gehörte zusammen mit Alain Tanner zu den Schweizer Filmmacher, die versuchten in ihren Filmen eine Art ungeschminkter sozialer Alltag des Lebens darzustellen. Es ist zwar schon eine Weile her, dass ich „La Dentellière“ gesehen haben, aber ich würde sagen, dass die beiden jungen Leute trotz aller Gegensächlichkeit auch eine Naivität und Unerfahrenheit gemeinsam hatten.

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      • Yepp. Sie wirkten gleichalt mit uns vor der Leinwand im Kinogestühl. Deshalb merkten wir beide ja auch nicht, was ich im Kommentar oben schon schrieb. Das lehrte dann erst das Leben.

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  3. Den einen oder anderen DEFA-Film habe ich gesehen, aber ich konnte mich nie für Cowboys & Indianer begeistern.

    Dagegen kann ich mir alle drei James-Dean-Filme immer wieder ansehen, ohne dass es mir langweilig wird. Und in „Giganten“ wurde mir auch klar, dass Rock Hudson und Elizabeth Taylor Großartiges geleistet haben. (Zu meiner Zeit war er ja schon tot und die „Liz“ war nur mehr die alternde Diva, die Ehemann Nr. 7 geheiratet hat.)

    Danke für den lesenswerten Beitrag!

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    • Kein Problem. Das Cowboy/Indianerthema ist auch eher so ein Jungs-Ding gewesen. Beweis Fasching: Während im Kindergarten und der Unterstufe fast alle Jungs 1965-72 als das eine oder das andere gingen, wählte praktisch kein Mädchen das Squaw-Outfit oder das der Tiger-Lilly aus dem Mosaik (Bardame).

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      • Ja, aber die Planwirtschaft produzierte ab mitte der 70er die Figuren kaum noch. Musste meinem kleinen Bruder gebrauchte auf dem Flohmarkt oder sonstwoher „organisieren“. Denn MEINE waren heilig und sollten für meine Kinder später bleiben. Auch waren die 80er Figuren viel schlechter bemalt: Die hatten oft so Matschaugen, die Cowboys meist nur Jeans und graue Hemden… Mangel, Mangel, Mangel…

        Hier wirds mal wieder Zeit für dieses betörend schöne Video:

        http://www.youtube.com/watch?v=5lrAcW9Trkc
        Der Bilder wegen 🙂

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