Raabe „Zum Wilden Mann“

Nach zahllosen Heyses in kaiserzeitlichem Chic von Hertz und Cotta kostet es schon Überwindung, so ein schlichtes Reclam-Bändchen aus DDR-Zeiten aufzuschlagen. Haben die Sieger 1945 eigentlich jeglichen Buchschmuck verboten? In Ost und West?

Wilhelm Raabe „Zum Wilden Mann“(1874) in Reclamauflage von 1965.

Ich wollte das nun mal lesen. Es tauchte bei Lena Riess im Blog bisher nicht auf und da mich in Literatur-Blogs 98% der Bücher kalt lassen, ist es schon was Besonderes, einen solchen zu finden, indem auch jemand dann und wann „die alten Herren“ liest und -schwups- befindet man sich in so einer Art Entdeckerwettbewerb. Ob man will oder nicht.

Nun, die Vorfreude, einen weiteren Raabe zu entdecken, verflüchtigte sich rasch. Die hundert Seiten dieses Novellchens lesen sich wie ein Nachtrag zu den „Leuten aus dem Wald“ 10 Jahre zuvor.

Gute Ideen – mies gestaltet.

Es blieb jetzt nur noch eine Frage der Tapferkeit: Ich schaffe dieses Bändchen!

Es ist eine Novelle mit Rahmung.

Vorn wird ein biedermeierlich/nachmärzliches Idyll erzeugt. Hinten wird die Idylle demontiert.

PunschrundeDieser Rahmen ist das beste an diesem Werk. Man bekommt einen Einblick in das Leben eines Apothekers in vorindustrieller Zeit, der sich seine Heilkräuter noch selber im Wald sucht, bzw. den Lehrburschen schickt, um die Zutaten für seine Tränklein anrühren zu können. Der bescheidene Wohlstand ermöglicht den Ankauf von Ölgemälden, die nach und nach die Wände des Offiziums, des Büros, befüllen. Am Ende muss die Wohlfühleinrichtung des Apotheken-Offiziums versteigert werden und wird nun von den Freunden von einst gekauft. Zerstreut in alle Winde gewissermaßen. Die betuliche Nachmärzwelt kommt unter die Räder der Zeit.

Jedoch dazwischen haperts.

Philipp Kristeller ist zu Beginn des Büchleins 30 Jahre lang erfolgreicher „Giftmischer“ und verdankt seine wirtschaftliche Existenz einer Geldschenkung in jungen Jahren. Er half einem mysteriösen Freund einst aus einer Lebenskrise, weil er zufällig dazukam, als dieser sich das Leben nehmen wollte, und wurde deshalb überraschenderweise von diesem später mit 9000 Thalern in Wertpapieren beschenkt.apotheke

Dumm nur, dass dieser Freund nach 30 Jahren in Gewitternacht wieder auftaucht und das beschauliche Kleinstadtleben gehörig durcheinander bringt. Nun ist er kein träumerischer Hobby-Botaniker aus dem Wald mehr, sondern ein altgedienter Oberst der brasilianischen Armee. Er heißt auch nicht mehr August, sondern Dom Agosto Agostino.

„Mit Pass und Papieren ist alles in Ordnung.“ gibt er zum Besten.

Kristeller befindet sich nun in der Zwickmühle, dem Wohltäter von einst finanziell helfen zu wollen, dies aber nicht zu können, da die Apotheke zu wenig abwarf, um 9000 Thaler wenigstens anteilig zurückzuerstatten. Deshalb nimmt er eine Hypothek auf. Und Agosto verschwindet dann mit dem Geld.

Dieser Agosto ist einerseits, wie der konzentrierte Leser bald merkt – nicht aber all die Nebenfiguren, ein Hochstapler, bzw. eine gescheiterte Existenz, die viel Seemannsgarn spinnt. Andererseits ist dieses Alltagsproblem >Hochstapler verwirrt braven Bürgern die Köpfe<, wahnsinnig mies von Raabe gestaltet. Wieder einmal.

Laut umfangreichem und erhellendem Nachwort von Peter Goldammer soll die Novelle hier die Abrechnung Raabes mit dem Gründerrausch 1871-72 sein. Dazu gibt Goldammer dieses Raabezitat aus einem Brief preis:Börse

„Die Wunden der Helden waren noch nicht verharscht, die Tränen der Mütter, der Kinder, der Bräute und gattinnen noch nicht getrocknet, die Gräber der gefallenen noch nicht übergrünt; aber in Deutschland gings schon – so früh nach dem furchtbaren kriege und schweren Siege – recht wunderlich her.Wie während oder nach einer Feuersbrunst in der gasse ein Sirup-Fass platztz und der Pöbel und die Buben anfangen zu lecken so war im deutschen Volke der Geldsack aufgegangen und die Taler rollten auch in den Gossen und nur zu viele Hände griffen danach Es hatte fast den Anschein, als sollte dieses der größte Gewinn sein, den das geeinte Vaterland aus seinem großen Erfolge in der Weltgeschichte hervorholen könnte!“

Nun ist die Darstellung von Rausch und Wahn meiner Meinung nach nicht gelungen, da die Figur des Agosto mit ihren vielen Unwahrscheinlichkeiten zu sehr von dem Bisschen Verwirrung ablenkt, welches da kurz und wie nebenher erwähnt, in Nebensätzen konstatiert wird.

Es geht mehr um einen Hochstapler und seinen biederen Freund und so gar nicht um Luftinvestitionen oder Schwindelaktien. Niemand macht bankrott oder gar Selbstmord.

Aber auch die Hochstapel-Story ist keine gelungene.

Besonders unglaubwürdig ist, dass der junge Waldläufer August ein sehr verschlossener Typ ist, der in über einem Jahr Freundschaft mit Philipp Kristeller weder seinen Familiennamen noch seine Wohnanschrift preisgibt, geschweige denn irgendwohin einlädt.

30 Jahre später ist er ein rückhaltloser Prahlhans und scheinbarer Alleskönner. Ohne dass Raabe irgend eine Andeutung für nötig hält, welche Art Schlüsselerlebnis diesen Wandel hervorgerufen haben könnte.

Die Lebenskrise von einst, als ihn Philipp so verzweifelt im Wald fand, erklärt er nun damit, dass er Sohn eines Henkers sei. Sein Vater habe jedoch nie jemanden hinrichten müssen. Er jedoch wurde nun unvorbereitet dazu aufgefordert, den ererbten Beruf auszuführen – und gleich seine erste Hinrichtung habe sein Gemüt derart erschüttert, dass er in eben jenen Ausnahmezustand verfiel. Nachdem ihm Philipp Trost spendete, habe er beschlossen „einen Neustart woanders“ zu versuchen. Wenig später erhielt Philipp per Post all diese Wertpapiere, die ihn eine Apotheke kaufen ließen.

Ein Henkersohn hat soviel Erbmasse zu vergeben? Das war doch der verachtetste Beruf?!

Sein Vater soll gar eine große Bibliothek angeschafft haben, „Schiller gemocht und Goethe verstanden“. Und dann noch 9000 Thaler angelegt? Als Henker, der nichts zu tun bekam?

Da geht einer „in die Neue Welt“ und verschenkt zuvor sein Startkapital?

Wie hat er die Überfahrt finanziert?

Alle Nebenfiguren sind von ihm „geflasht“. Keiner zweifelt irgendwas von diesen Geschichten an. Lediglich der Pastor wagt einen einzigen skeptischen Satz gegenüber dem Förster. Das wars.

Agosto wird ohne jede Wertung in den Raum gestellt. Leserlein, merkst du was? Oder glaubst du ihm alles?

Du bist also eher kriminologisch mit diesem Agosto beschäftigt als mit den Träumereien der Bürger, die Agosto auslöst, weil er Brasilien als das Land, wo Milch und Honig fließen, darstellt, wo jeder reich werden könne. (Durchaus eine Chiffre für das junge Deutsche Reich 1871-72, in dem es jetzt so richtig losgehen sollte mit dem schönen schnellen Reichtum für jedermann.) Aber letztlich reist niemand dahin ab!

Niemand in dieser Geschichte gründet wirklich etwas, oder kauft Aktien, oder wandert aus, als Agosto wieder verschwindet. Also Raabes Gründerrausch-Abrechnung hängt irgendwie nur als Ansatz in der Luft, während wir andererseits eine vollendete Hochstapler-Saga haben, die sich immer wieder (unabhängig von Staatsgründungen) wiederholen kann.

ladenWirecard, Cum-Ex, Bit-Coin, oder gar Jürgen Harksen mit seinen Mond-Aktien, der einst Udo Lindenberg und Dieter Bohlen prellte.

Hinzu kommen einige andere Handlungsklitterungen, die Storm oder Spielhagen besser gehandhabt hätten, wie z.B. die doch sehr plötzliche Einladung von Pastor und Förster zum Jubiläums-Punsch in die Apotheke trotz Sturm und Wolkenbruch – und die kommen auch prompt. Zu später Stunde trifft noch der Landarzt ein, der von der Patientenrunde kommt und in einer Kaschemme jenen Agosto aufgegabelt hat, um diesen nun gleich beim Apotheker abzuladen. Jener Landarzt wird später als liebender Vater beschrieben, der Frau und Kinder nicht allein lassen will, wenn er nach Brasilien ginge. – Und der hatte zuvor in der Gewitternacht kein Zuhause und geht lieber völlig durchnässt Punsch saufen bei Apothekers?

Der junge Philipp Kristeller liebte eine gewisse Johanne, die pünktlich am Hochzeitstermin starb, ohne dass man was über die Umstände erführe.

Da ist so einiges -schnelle-mache-fix- von Raabe übers Knie gebrochen worden.

Mir wird mehr und mehr zum Rätsel, warum Raabes Werke in jedem System wieder aufgelegt wurden, während man all die besseren Erzähler von einst vergas.

11 Gedanken zu “Raabe „Zum Wilden Mann“

  1. Ach, der wilde Mann.
    Aber der Reihe nach. Dass die alten Reclam Bändchen so schmucklos waren, liegt wohl am ökonomischen Aspekt. Billig sollten diese Bändchen sein.

    Der wilde Mann taugt wohl weniger zur erbaulichen Lektüre als zu literaturwissenschaftlichen Untersuchungen und Dekonstruktionen. Du hast genug Beispiele genannt, an denen Prüfungskandidaten ihr Wissen zeigen könn(t)en.
    In dieser Erzählung gibt Raabe den Metalepsenzauberer. Die Fokalisierungen wechseln ebenso häufig wie Distanz und Frequenz. usw.usf.

    Warum der Autor immer wieder und vielleicht immer noch(?) in den Oberstufen dran kommt, erschliesst sich mir nicht. Ich selbst weiss inzwischen nicht mehr sicher, für wen oder was Raabe eigentlich gestanden hat in seiner Zeit. Vielleicht hat das angeschnittene (wirre?), vieler Details ledige Erzählen damals den zunehmenden Speed der allgemeinen Entwicklung zum Ausdruck gebracht. Immerhin ist der junge Hermann Hesse ja einstmals aus Verehrung zu ihm hingepilgert.
    Mag sein, dass sein Schreiben mit der damals so eingeschätzten „Kühnheit der Form“ zu tun hatte.

    Gefällt 1 Person

    • Ja, wo fang ich hier mit dem Antworten an? Am besten rückwärts:
      Man weiß ja nun nicht, was von ihm Hesse gelesen hat. Ihm ging es vllt wie mir: Ich mag nicht alles von Arno Schmidt, aber ich bin nach Bargfeld gefahren und begeistert wiedergekommen.
      Raabe hat geschrieben wie Lennon oder Bowie: Tolles Zeug und eben Mist. Oder noch treffender Gerulf Pannach von Pannach und Kunert: Eines schönen Tages gelingt dir „Sonne wie ein Clown“ und anderntags reimste dann irgendwas über „Rum mit Tee“ oder die Knackies von Fuhlsbüttel…
      Also „verschnittenes Werk“.

      Wir haben im Osten nicht Literatur dekonstruiert, sondern immer interpretiert und zwar vor 89 und auch danach, wenn gleich ab 1990 weniger unter Klassenkampfgesichtspunkt. Im Westen mussten wir dann all die Benennungen für Stilmittel lernen, die hatten wir zu Ostzeiten nichtmal im Studium. Usw. Usf.
      Ich gestehe also hiermit, dass ich die von dir genannten Fachbegriffe Frequenz usw. im Zusammenhang mit Lesetexten noch nichteinmal gehört habe, geschweige denn weiß, wozu die gut sein sollen.

      Zu NS-Zeiten galt Raabe als Volksschriftsteller, vermutlich hauptsächlich wegen der handvoll antisemitischer Sätze im „Hungerpastor“; andererseits kann er auch recht warmherzig über tapfere Landsknechte schreiben, siehe „Herrgotts Kanzlei“. (Oops, nee. Berichtigung! War anders: Er kritisiert sie schon recht heftig. Trotzdem bleibt aber der Rottmeister sein positiver Held. Also so ne Art früher Frei-Corps-Kämpfer. Deshalb blieb das Buch in Ansehen in neumilitaristischer Zeit. Da konnten sich alle ehemaligen „Baltikumer“ wiederfinden.) Für DIE Zeit ist es also einfach, seine Bedeutung zu erfassen.
      Für Westdeutschland nach 1945 steckte mir Lena Riess ein Licht auf, als sie schrieb, dass früher „Im Siegerkranz“ an BRD Schulen Thema gewesen sein soll. Da hat jemand beim Lehrplanbau sicher ganz hinterlistig gedacht: Besetztes Deutschland nach 45 und besetztes Deutschland unter Napoleon – und sowohl 1806 als auch 1949 waren neue Grenzen entstanden ohne Zutun der Deutschen, die da lebten … Und wie man da nun handeln sollte, beschreibt ja nu der Raabe. Ts-ts-ts. Alles andere als Entspannungspolitik also.
      Zu DDR-Zeiten war er vermutlich der verhinderte Klassenkämpfer „der leider nicht die Bedeutung der Arbeiterklasse erkannte“, wie das immer hieß. Aber er ohrfeigt ja so herrlich Adel und Bankiers. Schulisch behandelt wurde er hier nicht. Aber in der Stadtbibliothek im Treppenhaus hing sein Portrait ganz groß zwischen Dostojewski, Storm, Fontane Mann…
      Gelesen wurde er aber da auch schon nicht (mehr). Aber seine Werke standen rum, kann ich mich erinnern.

      Gefällt 1 Person

      • Was Hesse von Raabe gelesen haben könnte, weiss ich nicht. Ich erinnere mich, dass es nach 1900 gewsen war, als Hesses Stern gerade aufging. Raabe hatte seinerzeit bereits schon nicht mehr geschrieben.

        Ich stimme gerne zu, dass einem kaum das „Gesamtwerk“ eines Künstlers in gleichem Masse zusagt. Das kenne ich von mir selbst ja auch. Arno Schmidt ist da nur ein Beispiel.

        Wir haben als Mittelstufler Werke noch versucht zu interpretieren nach dem Motto: „Was will uns der Dichter damit sagen?“
        Das hatten die älteren Lehrer nocht gut drauf. Manche der Jüngeren, so erkläre ich mir das heute, hatten zumindest von Leuten wie Roland Barthes gehört. Dessen Arbeiten machten den Poststrukturalismus hoffähig und somit die Beschäftigung mit Begriffen wie Dekonstruktion.
        Die dir unbekannten Begriffe gehen auf Gerard Genette zurück. Mit dem aktuellen Stand der Forschung bin ich nicht vetraut. Ich gehe jedoch davon aus, dass mittlerweile Begriffe Verwendung finden, die auch mir unbekannt sind.
        Mit den jüngeren Lehrern war es dann so, dass man in ihrem Unterricht die „alten Knacker“ (so von mir) auf ihre gesellschaftskritische Funktion überprüfen sollten. Wer sie kritischer beurteilte (runterputze), der war sich einer guten Note sicher.
        Im Fall von Raabe war das „die schwarze Galeere“. Das war ein Frühwerk, wenn ich mich recht entsinne.

        Einen solchen Umgang mit den Werken von Autoren hätte man auch an Kleist, Goethe oder Fontane ausüben können. Jahre später habe ich verstanden, warum so grosse Autoren wie Jean Paul nicht drankamen im Unterricht.

        Inwieweit Raabe nach 45 in der BRD instrumentalisiert worden ist, wie du vermutest, kann ich nicht beurteilen. Ich kann mir jedoch vorstellen, dass sich irgendwelche Lehrplanmacher in ihren konservativen Köpfen sagten, was früher gut war, ist es auch heute noch; überdies brauchen wir uns nicht mit neueren Autoren zu beschäftigen und ersparen den Schüler den schrecklichen Expressionismus…

        Gefällt 1 Person

      • Es ist recht unterhaltsam zu lesen, was du über die jüngeren Lehrer schreibst. Ich unterstelle mal so erste 68er? Richtig? Das klingt nämlich sehr ähnlich dem DDR Lehrplan: Wie kritisch schrieb er? Erkannte er die führende Rolle der Arbeiterklasse? (Musterknabe diesbezüglich der späte Heinrich Heine. Sein Vorwort zur Lucretia rauf und runter. eine Art Apostelbrief des Sozialismus. Und: Der verkehrte bei Marx!)
        In jedem Klappentext von Westautoren, die in der Ehemaligen verlegt wurden, fand sich die Floskel: „Vehement kritisiert er den Kapitalismus vom kleinbürgerlich-intelektuellen Standpunkt aus. Leider blieb es ihm versagt, die Rolle der Arbeiterklasse im Untergangsprozess des Kapitalismus zu begreifen, weshalb der Konflikt hier wiederum nur pessimistisch enden kann.“
        Das war natürlich indoktrinärer Mumpitz.
        Denn nicht ein „Arbeiterführer“ vor 1945 war wirklich Arbeiter. Im Sinne von Industrie-Proletarier. Die sollten ja in der Theorie die Revolutionärsten sein. Statt dessen: Kleinbürgerliche Handwerksmeister all over. bzw. Ulbricht: Tischlergeselle.

        Gefällt 1 Person

  2. Vielen lieben Dank für die Erwähnung, Bludgeon! Doch ich habe ihn gemacht in meinem Blog, wenn auch nicht so ausführlich wie Du. Und zwar als Teilstück der ›Krähenfelder Geschichten‹. Und bei mir kommt Raabes ›Zum Wilden Mann‹ sehr gut weg. Ich schätze die Erzählung sehr. Ich weiß aber auch, dass man ›Zum Wilden Mann‹ nicht mögen muß.
    Ich aber lese so ab Krähenfelder Geschichten eh fast alles von ihm mit Genuß.
    Tja. 😉
    Eine gute Zeit!
    Lena

    Gefällt 1 Person

  3. Ich kann auf deinen letzten Kommentar leider nicht mehr direkt antworten. Ich habe ihn auch nicht gemeldet bekommen. Sonderbare WP Welt.

    Mit der Zuschreibung „68er“ bin ich vorsichtig geworden. Für mich waren die massgeblichen 68er zwischen 22 und 25 Jahre alt. Mithin im WK II oder kurz danach geboren.
    Unser jung=progressiven Lehrer sind durchgängig vor dem WK II geboren. Studierten bis Mitte der 60er Jahre und begaben sich danach erneut in die Schulen und ins Beamtenleben. Die waren bestenfalls sozialdemokratisch orientiert. Keinesfalls weiter links. Die frühen Ikea Bastler halt und in späteren Jahren umweltbewegte Käufer bei Manufactum.

    Das waren Pädagogen, die an die Bildungsemanzipation glaubten und tatsächlich etwas dafür taten. Kritisches Bewusstsein schüren. Bedauerlicherweise sehen wir jetzt, was bis jetzt dabei herausgekommen ist. Aber es geht noch tiefer.
    Ich will diese Leute allerdings nicht in Bausch und Bogen verdammen. Ich hatte einige sehr gute junge Lehrer. Die haben zumindest mir geholfen, Horizonte zu weiten geholfen; Kontexte aufgezeigt und weit gefächtere Interessen geweckt. Und sie haben mich misstrauisch gemacht gegenüber Autoritäten, besonders solchen gegenüber, die sich gerne selbst als Autorität aufführen und auf diese Weise Anerkennung gewinnen wollen.

    Gefällt 1 Person

    • Westsozialisierung, Ostsozialisierung. Bei euch wurde die Skepsis gegen Autoritäten Mode und bei uns hieß das: “Hat der was drauf oder papageit der die Parteiphrasen?“ Aber das ist gar nicht so weit von einander weg.

      Gefällt 1 Person

      • Nach jahrelanger Beschäftigung, auch wissenschaftlicher Natur, mit dem Alltagsleben in der BRD und der DDR, erschrecke ich manchmal über viele Ähnlichkeiten der Verhaltensweisen der Menschen in den beiden deutschen Republiken. Wenn man die Äusserlichkeiten abschält und zum Kern eines Themas vordringt, wird oft interessant. Oft, aber nicht immer und bei jedem Thema.

        Gefällt 1 Person

Hinterlasse einen Kommentar