4 Oscars

Remarques Bestseller von 1929: Zum 3.Mal verfilmt und nun auch noch „geadelt“!

Riesenrummel!

1 Oscar – bester internationaler Film

1 Oscar – beste Kameraführung

1 Oscar – beste Film-Musik

1 Oscar – bestes Szenenbild

Gott sei Dank NICHT bestes Drehbuch!

Meine Meinung zum Film steht bereits hier.

Ich outete mich als Hin-und Her-gerissen, zwischen den beeindruckenden Effekten und der sehr mangelhaften Werk-Treue.

Die Oscars für Kamera und Szenenbild sind durchaus berechtigt.

Der für den besten internationalen Film jedoch ganz sicher NICHT.

Ich stimme nicht in den Jubel ein. Meiner Meinung nach wird dem Roman kein Gefallen getan.

Die Verfilmung von 2022 lebt im Wesentlichen von 3 ausgewaltzten Schlüsselszenen:

  1. Der lange Einstieg, in dem den Gefallenen die Uniformen ausgezogen werden, bevor sie in die Särge kommen; dann der Weg der verdreckten Uniformen in die Reinigung; in die Näherei, wo Einschusslöcher beseitigt werden und in die Wiederausgabe an sehr jung aussehende Kriegsfreiwillige;

  2. Die sehr lange Kampfszene im letzten Drittel; die eine Tankschlacht zeigt und den Einsatz von Flammenwerfern;

  3. Die sehr lange Kampfszene am Schluss des Filmes, da ein durchgeknallter Offizier mit Ludendorff-Optik einen letzten Sturmangriff eine Stunde vor Inkrafttreten des Waffenstillstandes befielt. Bäumer fällt hier im Kampf.

Alle 3 Szenen haben gemeinsam, dass es sie im Buch GAR NICHT gibt!

Romanverfilmung?

Andererseits werden wichtige Szenen des Buches in kruder Reihenfolge und nur Sekundenweise „verheizt“.

  1. Essenausgabestreit: Die eigentlich sehr wichtige Anfangs-Szene der Essenausgabe, bei der der Küchenbulle für 150 gekocht hat, nun aber nur noch 80 Mann zum Essenempfang antreten; taucht in dieser Verfilmung als kurzes Rudiment, kurz vor Schluss -gerade noch so- auf;
  2. Unterstandpanik: Das tagelange Ausharren im Unterstand während des Trommelfeuers; das Durchdrehen und „Schütteln“ – passiert im Oscarfilm in Sekunden; die quälende Länge der Angst fehlt.
  3. Die Badeszene mit den Französinnen: fehlt; in Buch und erster Verfilmung sehr nachvollziehbar beschrieben; Lebenslust in Anstand; im Oscarfilm (latschen plötzlich zwei Französinnen „auf der Flucht“ durchs Bild) wirkt der einzige Soldat, der mit einer Französin anbändelt kurios debil. Was soll das?!
  4. Die Trichter-Szene: Bäumer und der sterbende Franzose im Granattrichter, bei weitem keine 2 Tage Dauer; schnelle Kinohysterie statt langsamem Durchdrehens;
  5. Die Essensorganisierung durch Katt: ein tragendes Element des Buches; Katt klaut vorallem Furage in der Etappe bei der Frontversorgung; im Oscarfilm brechen Katt und Bäumer im immergleichen Bauernhof ein und werden vom Besitzer beschossen;
  6. Katt stirbt: im Buch einen genau festgelegten Tod in dramaturgisch wichtiger Art und Weise; im Oscar-Film schießt nun der französische kleine Bauernjunge, wie ein Zauberzwerg im Wald auftauchend, Katt an, sodass er noch von Bäumer ins Lazarett getragen werden kann.
  7. Überhaupt: Katt und Tjaden; in Buch und Erstverfilmung Originale, die in Erinnerung bleiben. Im Oscarfilm? Seltsame, blasse Durchschnittstypen.

Fazit: Die Remarque-Bestandteile werden zu Füllseln zwischen den hinzugedichteten ausgewalzten Szenen, mit denen sich hier irgendein Drehbuchautor ein Denkmal setzen wollte. Der Sinnlos-Angriff am Schluss des Films raubt ihm seinen Titel; denn da war ja augenscheinlich jede Menge los, als Bäumer fiel.

Nee. Das is‘ nüschd!

Allerdings erlangt der Filmtitel in anderer Art seinen Sinn zurück.

Wenn heutzutage Schüler oder Studenten eine Powerpoint-Präsentäjschn mit Gimmicks aufpeppen, dass zum Beispiel die Schrift beim Erzählen Buchstabe für Buchstabe erscheint; dass Bilder auf ungewohnte Art hereinschweben usw., dann vernebelt diese „Leistung“ oft erfolgreich den Tatbestand, dass der Vortrag an sich Gülle war, das Thema nicht verstanden wurde.

Allzuviele Lehrer und Professoren knicken vor derlei Blenderei ein. Die wenigen, die es wagen, die nichterbrachte Leistung zu rügen und gerecht mit einer der letzten beiden Noten der Noten-Skale zu bewerten, erleben Whatsapp-Gruppen-Mobbing „Herr XY muss weg!“; Elternaufruhr; Krisensitzungen; Aussprachenwirrwarr ohne Ende. Einmal durchgestanden vergeben sie beim nächsten Mal dann automatisch eben auch mindestens eine „Gnaden-Drei“ weil „du dir ja soviel Arbeit gemacht hast“, um Ruhe zu haben.

Dieser Film ist eine solche PPP und hat nun mehr als eine „Gnaden-Drei“ bekommen.

Insofern also auch im Kino: Im Westen nichts Neues!

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6 Gedanken zu “4 Oscars

  1. Ich werde mir den Film bei Gelegenheit trotzdem ansehen, egal was im Buch oder Drehbuch steht. Mir kommt es ja nicht auf eine möglichst getreue Wiedergabe eines Buchs an, dass ich eh nicht gelesen habe, sondern auf einen Film, der mich beim Ansehen fesselt. Ich will ja keinen Dokumentarfilm sehen. Und auch keinen Roman lesen.

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    • Nun: Das mit dem „fesseln“ mag gelingen. Wie gesagt: Die Effekte und Kameraeinstellungen fetzen. Aber weshalb dafür Weltliteratur verhunzen? Stell dir vor, die bringen Dark Side of the moon mit ein paar „zeitgemäßen“ Rap-Einlagen heraus! Und den „Great Gig in the Sky“ unterlegen sie mit ein paar Techno-Beats. Würdest du das auch „genießen“ können?

      Ehrlicher wäre gewesen, wenn die das Ganze unter anderm Namen abgedreht hätten. (Untertitel: nach Motiven von Remarques Roman)
      So aber wird sich jeder abwenden, der das Buch oder die 1.Verfilmung kennt.
      Und wer durch den Film einsteigt, bekommt einen völlig verqueren Eindruck vom Buch.

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  2. Nun gut. Oscars. Man hätte es ja wissen können. Ich habe den Film gesehen, eine Dreiviertelstund ausgehalten, dann empört weggeklickt. Entsetzlich! Alles ist da falsch. Ach ja: Da ist natürlich eigene Schuld, da ich lese und mich auch, wenigstens am Rande, für Geschichte interessiere.

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  3. Danke für die Kritik. Spart mir Zeit. Ich sehe mir ohnehin keine Bilder mehr an, die „meine Gefühle ausbeuten“ (zit. Wenders).

    Was Du über angebrachte (realistische!) Notengebung schreibst – ich dachte sowas hätte ich nur in Südamerika erleben müssen. Der untaugliche Sohn kriegt endlich die verdiente rote Note, nachdem er bereits drei Schuljahre durchgewunken worden ist. Mir wird dafür Telefon und Intrnet abgestellt. Schliesslich ist der Vater des Knaben der zweite Vorsitzende der staatlichen Telefongesellschaft.
    Globalisiserung bedeutet, dass auch die weltweit verschiedenen kulturellen Mentalitäten zu uns kommen.

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