Now God has his DJ!

Maxi Jazz is gone.

Zu Weihnachten!

Heiligabend kam die Nachricht.

Nun: Unter uns Boomern ist das keine, ich weiß.

Ich bin nun aber ein eher untypischer Vertreter meiner Generation, vor allem, wenn ich mich mit Wessis meines Alters vergleiche.

Für mich war das eine Hiobsbotschaft, wie der Tod vom Ralf Bursy oder Lou Reed. Ein dichter Einschlag!

Maxi Jazz wurde 65. Ich bin 62. Er schrieb Hymnen für eine andere Generation. Aber „kriegte“ auch mich!

In den -immerhin reichlichen- Nachrufen wird er auf „Insomnia“ reduziert.

Ach diese Schreibernasen! Wo ist der gute Ruf der Journaille bloß hin?

Maxi Jazz ist Gründer, Texter und Frontmann von Faithless. (Schon dieser Bandname passte Anfang der 90er total in die Zeit! Bekenntnislos. Am Ende aller Visionen. Es blieb nur noch nackter Kapitalismus. Konsumrausch. Betäubung. Feiern und verdrängen bis der Arzt kommt, der deine ecstasy-Flashbacks aber auch nicht mehr in den Griff kriegt.)

Faithless waren die anfangs gerade noch zumutbaren Retter der Melodie im Techno-Wumms.

Faithless wussten von Album zu Album mit neuen Zutaten zu überraschen.

Faithless woben Rap und Supertramp ähnliche Melodiebögen in ihren Trance-Sound ein, verblüfften mit tollen Texten – behielten Geist!

Aus Faithless ging die Dido-Karriere hervor, deren Schwester als „Sister Bliss“ bei Faithless verblieb.

Also ohne Faithless kein „white flag“, kein „Life’s for rent“.

Aber über allem steht das epochale zweite Faithless-Album „Sunday 8 p.m.“ (1999)!faithless 2

Es hat „bring my family back“; es hat „Take the long way home“ und es hat „GOD is a DJ“.

This is my church
This is where I heal my hurts
It’s in the world I’ve become
Contained in the hum
Between voice and drum
It’s in the change
The poetic justice of cause and effect
Respect, love, compassion

Sich klammern! An irgendwas! Auch wenn man bereits Nihilist war. Das tat not! Selbst diese Ungläubigen glaubten also – wenigstens phasenweise!

Ich war fast 40 und ich hasste diese Technowelle. Sie machte mich meinem Vater ähnlicher.

Gern wäre ich in jener Zeit mit Knarre raus vors Haus gesprungen zur Bushaltestelle, weil dort der tiefergelegte Polo gerade wieder meine Arbeitszimmerfenster erzittern ließ, mit „Sound der Zeit“: undzz-undzz-undzz. Die Puber-Tiere arround – sitzen, hocken, schweigen. Einer is‘ Bier holen (und wer weiß, was noch.)

Peng! Ein Signalschuss in die Luft – „Empfangsbereitschaft herstellen, ihr Slacker!“

„Bei 3 läuft hier was Zumutbares oder die Karre brennt!“

Aggressivitätsstau. Berufskrankheit.

Aber dann war da diese Heimfahrt von der Schwägerin, im kalendarischen Winter ohne Schnee. Zunächst. Nachtfahrt. 100 Km.

Doch plötzlich schien ich die Klimazone zu wechseln. Blitzeis, der Wagen rutscht. Nicht schlimm. Ich muss es geschehen lassen. Die Straße gottlob leer. Nicht bremsen! Ich stehe quer. Korrigiere die Fahrtrichtung; fahre weiter. Kassette aus. Radio übernimmt. Ich achte auf den Weg. Keine Chance auf Kassette drehen. Inzwischen weiße Wälle rechts und links, soweit die Scheinwerfer Licht gewähren. Es schneit. Heftig! Hier war bereits der Schneepflug gewesen. Glatt bleibt es trotzdem.

Im Radio ein Faithless Special, das mich kriegt. Sound und Situation ergänzen sich aufs Feinste: „Stücke wie -take the long way home- dürften Verächter dieser neuen Musik verblüffen“ Dann folgt das Stück. Dann wird gleich hinten dran „Purple Haze“ gespielt. „Das schien mir zu passen. Faithless sind ähnlich revolutionär wie Jimi seinerzeit.“ So-so. Das hatte was!

Ich fahre Landstraße durch „weißen Winterwald“ – und die spielen irgendwas Unbekannteres von Dido, dann „Bring my Family back“ und „Postcards“.

Ich achte auf den Weg, die weißen Wälle und eventuelles Getier. Und im Kopf hämmerts: Faithless kaufen! Faithless kaufen!

1999 gab es noch sehr gut bestückte Sound-Dealer in meiner Region. Ich wurde blind fündig: Ein Griff in F-Fach und ich hatte sie.

Und es folgte später die ebenso gute „New Arrivals“ und die enttäuschende „No Roots“, aber selbst die hatte noch den sehr guten Track „Mass Destruction“ zu bieten.

Maxi, alter Prediger! Besonders gesund hast du ja nie ausgesehen. Bis 65 immerhin biste jekomm‘!

Schlaf gut!

7 Gedanken zu “Now God has his DJ!

  1. Manchmal ist es leider so, daß man jemand erst kennenlernt, wenn man von seinem Tod erfährt. Ich höre seit Tagen immer wieder Maxi Jazz , vor allem: Maxi Jazz And The E Type Boys – „Mass Destruction“ und das gefällt mir sehrsehr gut!!
    Ruhe in Frieden, Maxi.

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