YES Expertise

Yes – haben ein neues Album. „Mirror to the sky“. Es macht reichlich Wind. Hab‘s nun einmal durch. Auf Youtube. Noch brauch ich‘s nicht im Regal. Besser als „the quest“ ist es aber auf jeden Fall. Aber „der berühmte Funke“ fehlt mir eben doch. Steve Howe hatte da wohl noch’ne Rechnung offen. Ein Urmitglied „aus großer Zeit“. 76jährig. Umgeben von lauter Nachfolgern der weggestorbenen- oder ausgestiegenen Gralsritter von einst. Sind das noch Yes?

Bei Renft hab ich sowas ähnliches auch akzeptiert, solange „Monster“ noch bei Stimme war und keinen Ex-Puhdy am Bass präsentierte. Bei Queen als Altherren-Duo mit einem „Boy George für Arme“ mätscht es nicht. Stell dir vor, Olle Keith überlebt bei den Stones und macht mit ein paar Ex-Red Hot Chili Peppers-Leuten weiter. Wären das noch Stones?

So hat es mir seltsamerweise die „Röck Flöte“ von Jethro Tull eher angetan. Noch schleiche ich da herum. Soll ich? Soll ich nicht? Ausgang offen. Man soll eben nie „Nie!“ sagen.

yes 0Yes’ns Neue hat 3 Pluspunkte:  Der lange Title-Track in der Mitte „hat was“ – tatsächlich. Der klassische Knack-Bass fehlt allerdings doch. In Sachen „späte Supernummern“ bleibt „Mind Drive“, (auf der „Keys to Ascension 2“) das Krönchen sicher. Dann haben wir noch einen schönen Rahmen aus gelungenem Opener und noch besserem Schlusstrack. Aber zwischen den 3 Stücken – da klingts irgendwie zu seicht; Tortenboden ohne Früchte drauf: Der große Verblüffungsbumm fehlt.

Es gab beim Hören also viel zu grübeln, abzudriften, an all die Großtaten der Band zu denken, und so kam ich auf den seltsam überflüssigen Einfall, mal den Rankingversuch zu wagen: Welches Album von ihnen steht wie hoch auf der Leiter meiner Wertschätzung?

Ich möchte es auf 8 Platzierungen beschränken, die 10 Werke berücksichtigen. Die übrigen sind mir entweder bisher unbekannt oder suspekt, so dass eine Anschaffung unterblieb.

Zu vermissen unter den 8 Platzierungen werden außerdem sein:yes 0b

  • „Keys to Ascension I + II“; sehr hörenswert, jedoch handelt es sich hier um je ein Live-Album mit schön gespielten alten Sachen und eine Studio-CD mit damals neuem Material. Dabei sticht „Mind Drive“ heraus. Noch einmal 10 Minuten Yes in altem Glanz! Die übrigen Stücke sind schon eher so „Talk“mäßig. Ich höre die „Ascension II“ sehr gern, aber ein richtiges zählbares Album ist eben in meinen Augen nicht.

  • Die „90125“: …hatte ich früher mal auf Band. „Owner of the lonely heart“ darf auf keinem Konzert fehlen. „Changes“ war auch okay, aber beides zu wenig Gründe, um die CD zu kaufen.

  • Das Dreifach-Live-Album „Yessongs“ hatte ein beeindruckendes Cover, gefiel mir aber schon in den 70ern nicht.

  • Die hoch geschätzte „Relayer“ blieb mir allzeit ein ungenießbarer Brocken. Kakophones Gewürge.

Wie zu merken ist, himmle ich nicht automatisch alles an, was aus dem Hause Yes so kommt. Und trotzdem stehen sie bei mir ungefährdet zu oberst unter den „Großen“ des Artrock/mittlerweile „Prog“-Zeitalters:

  1. Westrechnung: 1. Yes; 2. Genesis; 3. Pink Floyd; 4. Camel; 5. Eloy 6. Gentle Giant… nach rein westlicher „Denke“. Fehlen die Ost-Bands:

  2. Ostrechnung: SBB; 2. Omega; 3.Lift; 4. Stern Combo Meissen, 5. Collegium Musikum …sollte ich beide mischen müssen, würde es in etwa so aussehen:

  3. Gesamtrechnung: 1. Yes; 2. SBB; 3. Genesis; 4. Pink Floyd; 5. Omega; 6. Lift; 7. Camel… usw. usf.

Genug der Vorrede. Weiter mit Yes. Welche gehören auf’s Treppchen – und welche nach weiter hinten? Mein Platz 8 ist kein schlechter, denn ich sortiere hier nur 10 Alben – und die die fehlen, gehören alle nach noch weiter hinten…

Platz 1

yes 1aDa stehen zwei LPs nebeneinander; die kann ich nicht unterschiedlich gewichten. Es sind „Tormato“(78) und „Going for the one“(77). Die wirken für mich wie ein Doppelalbum, das in Einzelscheiben veröffentlicht wurde. Die „Tormato“ habe ich zuerst genannt, da sie die erste West-LP war, die ich direkt von meinem Plattenspieler aufnehmen konnte; damals 1979! Das kann sich heute niemand mehr vorstellen, welche Relevanz Westrockplatten damals im Osten hatten! Mancher konnte prahlen, er habe mal ne „Beatles“ oder „Deep Purple“ in der Hand gehabt, um sie aufzunehmen. Auch „echte“ Pink Floyd Alben wurden bestaunt, wenn sie jemand hatte, aber das lief auch alles im Radio und die beiden Großwerke „Dark side…/Wish you…“  von denen kamen recht früh als Lizenzplatte heraus. Nicht so Yes. Lizenzplatte erst 87 herum. Ergo: 1979 sagen zu können: „Ich hab die „Tormato“ direkt von Platte auf Band !“– Das hieß: Ich hatte die Hand am Gral!

yes 1 bBeide Platten enthalten den phantasieanregenden Mix der Tempi-Wechsel und Melodien für den Yes nun mal stehen. Bei ihnen klang es nie nach seelenloser Finger-Akrobatik. Die „Tormato“ hat zusätzlich die zugänglichsten Texte, ohne plump zu sein. Die „going for the one“ macht das wett mit dem Bombast von „Awaken“ und der Zerbrechlichkeit der „Wonderous Stories“ – zudem das toll interpretierbare Cover: Außen der Mensch in nackter Ärmlichkeit vor Wolkenkratzern – und innen der „abgesoffene“ Baum im Hochwasser. Und dann guckste nach oben auf das Erkennungsbild dieses Blogs – und dann weißte Bescheid, Schätzelein! So geht Prägung.

yes 1c

Platz 2

yes 2aWieder zwei LPs, die wie ein getrenntes Doppelalbum wirken: „Yes Album“ und „Fragile“yes 2b; MEIN Yes-Einstieg anno’75. Dumpfe Mono-Kassettenaufnahme. Besser als nichts. Das Yes-Album wirkt im Ganzen runder; mehr Flow, wie man heute sagt. „Fragile“ hat dafür zwei Monolithen zu bieten: „Heart of the sunrise“ (Meine ewige Yes-Nr.1!) und „Roundabout“, ein kürzeres, prägnanteres „close to the edge“ sozusagen. Viele Wechsel, trotzdem eine gut genießbare Einheit. Der Rest der Platte ist auch okay, wenn man von „Cans and Brahms“ absieht. Die Nummer, an und für sich eine originelle Idee, ist irgendwie am Mischpult verdorben worden, oder beim Zusammentackern von Tonbandsequenzen. Holprig, schludrig … wollte-und konnte-nicht. Gottlob recht kurz.

Platz 3

yes 3„Yesterdays“; eigentlich eine Verlegenheitsveröffentlichung in einer Schaffenskrise Mitte der 70er; aber eine geniale Grundidee: Die brauchbarsten Songs der ersten beiden Alben, ergänzt um eine groß aufgerockte Version des Simon&Garfunkel-Hits „America“. Alles in „Beatles-Stereo“, also krasser Kanaltrennung, die dem Ganzen vermehrte Lebendigkeit und (lackierte) Patina beschert. Klingt so historisch wertvoll irgendwie. I love it, seit ich es kenne! Die fehlenden Stücke der ersten beiden Alben hab ich nie vermisst.

Platz 4

yes 4„Tales from Topographic Ocean“. Dahinschmelz. Da hängen eben so ganz spezielle Erinnerungen des Kennenlernens 1986 dran: Es war einmal… Ein ziemlich ruiniertes, aber noch abspielbares Exemplar mit mal mehr, mal weniger Knistern – aufgenommen auf Band in einer Zeit, in der ich musikalisch auf dem Trockenen saß: Das verbindet lebenslang. Höre ich heute meine CDs, dann vermisse ich hier das Plopp-plopp-plopp, da das Auslassen von einer Zeile Text, insgesamt das Grundknistern … aber die Absolventenbude von damals und der Jupiter (Tonbandgerät) sind jedesmal auch wieder zurück aus dem Jenseits; und ich seh‘ Spulen kreisen, wo gar keine sind. Und hinterher muss ich zwanghaft Albert Hammond hören; die „Free Electric Band“ nahm ich in derselben Session auf. Und sollte bei mir mal die Demenz zuschlagen, werde ich steif und fest behaupten, dass er auf der „Topographic Ocean“ mitgesungen hat! Oder der Anderson zitiert „Rebecca“ in den „Tales“! Ganz sicha,do!

Platz 5

yes 5Die oft gescholtene, verfemte, niedergemachte „Heaven and Earth“ von 2014! Muss sein. Ja, sie wirkt simpel gestrickt; klingt phasenweise eher nach Supertramp als nach Yes, aber genau das lässt dich FAHREN!-GLEITEN!-SCHWEBEN! Es ist DAS Yes-Album für die Autobahn! Ich hab‘s auch bisher nur im Auto gehört, aber oft und vor allem auf meinen Prora-Fahrten. Da hat das sowas wie therapeutische Wirkung – und ich liebe „to ascend“! Basta!

Platz 6

yes 6In letzter Zeit wieder etwas häufiger gehört, weil ich da noch etwas gut zu machen habe: „Drama“. Feines Album! Auf bewährte YES-Art wie aus einem Guss, auch wenn Anderson und Wakeman fehlen; was damals eine Art Todesurteil war: Was lange währt, wird endlich gut! Das Album hat 43 Jahre auf dem Buckel. Auch ich hab nun (d.h. „schon“ vor gut 20 Jahren) begriffen, dass es ein gutes Album ist. Besser spät, als niemals. Und auch den Tipp noch: einer der wenigen Fälle, wo die „Aufpeppung“ durch Bonüsse dem Album guttut! Also mit Bonus-Tracks kaufen!

Platz 7

yes 7Ähnliches lässt sich über „The ladder“ erzählen. Yes nach „Union“ und „Open your eyes“ – da schien der Ofen aus! Zumal auch noch Jon Anderson in den 90ern so einen sehr wirren Solo-Output hatte – mit ganz viel Schrutz. Schaffenskraft adieu! Also kein Interesse, als „the ladder“ neu war. Vor 3 Jahren bekam ich die CD geschenkt: Wow! Die „Krokus“-Produzenten waren hier am Werk – und haben vermutlich vom Mischpult aus, die Altherren-Band angetrieben. Wer weiß, wie oft die Band zu hören bekam: „Nun nochmal und Feuer rein! Das war eben für eingeschlaf’ne Füße! Das lösch’mer!“ Jedenfalls wirkt die Band hier seltsam lebendig!

Platz 8

yes 8„Close to the edge“. Platz 8? Sakrileg! Wie kann er nur! Das gehört doch ganz nach oben! – Schon. Eigentlich. Irgendwie. Es ist ein sehr gutes Album. Perfekt. – Aber ich muss gestehen: In den 80ern bekam ich es geborgt, nahm es auf, hörte es aber so gut wie nie an. Es war -back to back- mit „90125“ auf einem Band. Und bei der „90125“ wirkte der Moderatorenspruch –„Yes spielen Frankie goes to Hollywoodstücke mit bissel Yes-Gebimmel!“ – nach. Und bei der „Ctte“ verstörte mich lange Zeit der „schwierige Einstieg“ in das lange Ding der A-Seite. Auch klang dieses überlange Früh70er Gefrickel in den 80ern – in Zeiten der Trevor-Horn-Klangschule bzw. der Phil-Collins-Rums-Epoche – relativ angestaubt. Es dauerte also, bis man die Electronic-Drums satt hatte und der Groschen der Erkenntnis fallen konnte, dass das was SEHR GUTES ist! Aber die CD kommt nach wie vor selten zum Einsatz. Die anderen YES-LPs sind eben die zugänglicheren Werke. Große Erinnerungserlebnisse hängen auch nicht dran. So ergeht es der „Close to the edge“ bei mir ein bissel so, wie dem „Faust“ im Bildungsbürgertum: Hat man, verehrt man, aber liest man nicht – oder eben nur selten mal zu „weihevoller Stunde“.

So. Thats all’bout YES.

Wäre heute schon 2025, könnte ich abschließen: Sie haben mir die letzten 50 Jahre versüßt.

Fehlen noch zwei. Macht nichts.

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4 Gedanken zu “YES Expertise

  1. Eine interessante Auflistung.

    Mirror to the Sky gefällt mir ebenso wenig wie The Quest.

    Beim Lesen Deines Beitrags kam mir der Gedanke, dass mein Yes-Stern langsam verblasst. Als Yes auf ihrem ersten Album die Byrds und die Beatles coverten waren das für mich (1970) Wegweiser in einen neuen musikalischen Kosmos.
    Entsprechend hoch waren die Erwartungen an Time and a Word. Naja, ein bisschen zu hoch waren sie schon. Aber dann kamen das Yesalbum und Close to the Edge. Damals um 1971 waren das Oberkracher. Genesis schüttelten mit Trespass gerade die Eierschalen ab.
    Aber dann kam das 1972er Jahr. Fragile von Yes und Foxtrot von Genesis. Yes hatten da bei mir einen Sympathievorsprung gegenüber Genesis. Aber Genesis holten mit der Selling by the Pound auf und zogen zwischen Tales of topografic Oceans und The Lamb lies down on Broadway gleichauf.

    Relayer war nochmal ein richtiger Fetzer im alten Stil. Genesis verabschiedeten sich mit A Trick of the Tail. Yes entschieden sich für kürzere Stücke mit leichterer Kost und mir kamen sie erst wieder mit The Ladder auf den Schirm. Die ewigen Querelen der einzelnen Bandmitglieder wirkten sich unüberhörbar auf die Musik aus.

    Like

    • Fast vergessen. Von den erwähnten Omega habe ich die 74er Omega 3. Die läuft noch immer wieder mal. Omega hatte wohl jemand aus Ungarn mitgebracht. Kannte keiner hier. Und ich bekam diese feine Scheibe für ein bisschen Kleingeld…

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      • Mir spielten sie sich in die Großhirnrinde mit der 7,8,9 und “Kisstadion1980“.
        Letztes Jahr alles wieder auf CD erschienen, aber mit Plattenknistern im Hintergrund und die Kisstadion blödsinnigerweise mit englischem Gesang und 08/15 Live-Geräuschen. Wer die kauft, schmiert sich an.
        Das Vinyl 1980 war ungarisch gesungen und Massenchor durchweg. Noch besser als Rod Stewarts “absolutely live“.

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    • In weiten Strecken ähnlich.
      Yesns erster Beatclubauftritt mit diesem frühen Stück “keine Erfahrung necessary“ (oder so ähnlich) war schauderhaft.
      Genesis verabschiedest du zu früh. Die “ then there were three “ ist noch schön. Die “Duke“ ihr ein wenig zu ähnlich. Danach war bei mir Schluss.
      Die Tendenz zur Sellbstzerstörung bei Yes ist ein Trauerspiel gewesen. (Aber das haben alle guten Bands durch. Die brennen halt aus nach Höchstleistungen.)
      Und es kam bei ihnen ja nach Pleiten immerwieder auch was Anhörbares heraus.

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