Jui! Das nenn‘ ich mal Fernseh-Event!
Anspruchsvolle Thematik – aber Einschaltquote um die 3,5 Mio. Besser als befürchtet.
Welch ein Timing! Diese Serie – in diesen Zeiten! Courage-Overkill des ÖRR, sozusagen Flucht nach vorn? Oder Kontroll-Gau, weil die Intendanz abgelenkt war durch den Existenzkampf der Medien-Oligarchie der Senderäte?
Man weiß es nicht.
Jedenfalls ist das das beste gewesen, was uns die ARD seit langem zugemutet hat.
Erinnert sei an dieser Stelle an „Die wunderbaren Jahre“, jene vergurkte Wirtschaftswunder-Klischee-Parade um die Steigerung zu ermessen, die die eben abgelaufenen 6 Folgen „BONN – alte freunde, neue feinde“ boten.
Worum ging es?
Um Otto John(Klick) und sein politisches Scheitern 1954.
Spannend?
Wer kennt den? Was soll das bringen?
Nun: Auch ich musste erstmal gugeln, als der Name im ersten Teil der „Mini-Serie“ fiel.
Ein interessanter und ganz realer Fall.
Ansonsten kam mir zugute, dass ich mein Leben mit Geschichte und Politik verbracht habe. Über die Hintergründe des Films hatte ich also ein bissel mehr Hintergrund, aus zweierlei System, als es Otto Normalverbraucher (ebenfalls aus zweierlei System) gegeben ist.
Reinhard Gehlen? „Fremde Heere/Ost“? Oder „Amt Blank“? Das Scheitern der EVG 1952?
Der Film beleuchtet in dramaturgisch gut zugespitzter Form die „braunen“ Grundlagen der BRD. Gehlens Umtriebe mögen überspitzt worden sein, die dargestellten Umstände jedoch erscheinen mir sehr nahe an der damaligen Realität.
(Bestätigt durch eine informative Doku im Anschluss an die Ausstrahlung der ersten beiden Teile letzten Dienstag.)
Es geht um den Nazijäger Otto John, den ersten Chef des Verfassungsschutzes, der durch Quertreiberei Gehlens und durch passiven Widerstand seiner eigenen Untergebenen nichts erreicht.
Es geht aber auch um „die schwarze Bundeswehr“ von 1954; die heimlich auf Hochtouren laufende Wiederbewaffnung der BRD, bevor dann 1955 „der Bürger in Uniform“ aus der Taufe gehoben wurde; befehligt von Veteranen der Offiziersschulen der Wehrmacht. Umgeben von „Traditionszimmern“, und Politschulungen, die lehren sollten, dass Hitler den zweiten Weltkrieg quasi mit lauter Widerständlern geführt habe: Manstein, Mölders, Rommel – wie ja überhaupt die Wehrmacht „sauber geblieben“ sei im Gegensatz zur bösen Waffen-SS: Hust! Würg! Hust!
Hintergrund: Sehr sehr vielen Menschen von heute wird der Rapallovertrag nichts mehr sagen. Er ermöglichte ab 1922 das Unterlaufen des Versailler Vertrags und das heimliche Aufrüsten einer offiziell lächerlichen Truppe – der Reichswehr. (Auch wenn das plötzlich bei Wikipedia nicht mehr zu finden ist.) Nach 1945 war also eigentlich erwartbar, das ähnliches „nur andersrum“ wiederholt werden würde. Offiziell „soll die Hand verdorren, die je wieder zur Waffe greift“(Adenauer‘49), aber flugs holt man den Popanz einer russischen Bedrohung in Europa aus der Trickkiste, um nur wenig später „die Rückkehr zur Souveränität Deutschlands mit eigenen Streitkräften“(Adenauer‘55) feiern zu können. Rheinmetall, Krauss-Maffay, Heckler &Koch – die Jobmaschine – freut’s.
Der Film macht vieles richtig: Er überwältigt dich nicht. Er lässt vielerlei Auslegung zu.
- Alt-68er mögen am Handlungsstrang Altnazijagd 1954 genug haben. Ihnen bestätigt er, wie nötig die „zweite Gründung“ der BRD 67/68 letztlich war.
- Anderen bietet er die Chance, die Wiederbewaffnung als Reaktion auf Moskauer Maßnahmen zur Vorbereitung des Warschauer Paktes zu sehen (oder auch nicht).
- Wieder anderen erlaubt er die Deutung Westdeutschlands als strategisches Spielfeld „der Herren Besatzer“.
- Aber allen zeigt er überdeutlich: Die Doppelbödigkeit der Realpolitik -„Das eine sagen, aber das andere tun!“
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„Niemand will Frieden. Damit lässt sich kein Geld machen.“
…hörte ich gestern im letzten Teil der Serie einen resignierten Geheimdienstler von 1954 sagen, gesendet am 24.01.2023, dem Tag, als die Medien das Einknicken der Regierung in der „Panzerfrage“ priesen.
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„Vielleicht sind ja 78 Jahre Frieden auch zuviel.“ ( Zynismus aus)
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„Bonn – alte Freunde, neue Feinde“ – ARD Mediathek. Schau es dir an, wenn du „wissen willst…“
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Gesamtnote: 1- (Tonis Vater Gerd, der Hauptschuft neben Gehlen, spielte brillant, war jedoch etwas zu sehr überfrachtet; was der alles gleichzeitig sein sollte, das hätte real 3 Figuren gebraucht; deshalb das Minus.)
Bisher waren deine Empfehlungen Garant für guten Filmgenuss, genaugenommen haben wir die letzen Jahre praktisch nichts anderes gesehen. Ich gehe davon aus, dass ich auch das wieder in der Mediathek finden werde. Was das einknicken der Regierung zur Panzerfrage betrifft, bin ich der Meinung, dass das mehr als überfällig war. Die Frage Krieg und Frieden kann man meiner Meinung nach nicht abstrakt betrachten. Dass es dabei immer auch um Geld geht, liegt in der Natur der Sache. Es gibt ja wohl auch genügend Ukrainer, die eher das Geld sehen, als die Befreiung der Ukraine …
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Danke für die Blumen.
Also du Team Röttgen/Strack-Zimmermann und ich Team Mützenich/Scholz.
Tja. So isset halt.
Seit gestern weiß ich aus den Medien, dass ich somit mit 48% der Bevölkerung übereinstimme und nicht nur mit ein paar Nachbarn und Verwandten. Das tröstet ein bisschen. Kurios, dass die Meinung von 48% sich im Medienecho der letzten Wochen praktisch nicht wiederfand. Es wurde der Eindruck lanciert, Scholz stünde allein. – Aber mich wunderts nicht mehr.
Ändern werden wir beide nichts.
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Du stehst nicht alleine, das wurde schon auch in den Massenmedien berichtet. Es weiß ja niemand wirklich, as das beste ist. ich war halt von anfang an dfür die Waffen zu erheben, und hatte deshalb harte Diskussionen mit Freunden. Gleichzeitig habe ich aber den Kriegsdienst verweigert, weil ich gegen Krieg bin. Passt nicht? Nein nicht wirklich. Aber wir leben in einer Welt, in der ein eiserner Atem weht. Mir war schon vor em Einmarsch Putins klar, dass er zu Äußersten gehen wird. Dazu ist er natürlich immer noch entschlossen, wie man sieht, aber es wird schwerer für ihn und der Überfalle anderer Länder wird jetzt immer unwahrscheinlicher. Mir tun die Ukrainer und auch die geschlachteten Russen leid, die das alles ausbaden müssen. Das schlimmste, was meiner Meinung nach passieren kann ist, dass die Ukraine jetzt doch noch zusammenbricht und und ein armes Weißrussland daraus wird.
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Ach Team Hofereiter bist du?!
Lies mal Dohnanyi „Nationale Interessen“(2022); darin sind alle die Warnungen enthalten, die es von Seiten amerikanischer Korrespondenten und US-Botschaftspersonal aus Moskau gab an Bush, Obama, Biden seit 2005 – „Nicht so forsch in Sachen Ukraine vorgehen in Sachen Westifizierung! Keine Eingliederung in westliche Bündnisse! Das wäre für Putin die rote Linie.“…
Die Ukraine hätte nur als „Große Schweiz“ eine Chance gehabt, in Ruhe gelassen zu werden.
Und dann kam Selenskji und brüllte „NATO-NATO-NATO!“
Ein Wunder war der 24. Februar somit nicht.
Nun ist sein Land Zankapfel in einem wirren Gewaltstanz, indem beide Seiten keine verhandelbaren Angebote machen. Weil beide Seiten nicht weiter wissen. Sich nassforsch unterschätzten. – Das osteuropäische Afghanistan ist da! (Und das ist noch die -für uns – glimpflichste Variante. Zynismus aus.)
Aber was hilfts uns.
An den Rand setzen. Zugucken. Schnauze halten.
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Kannst mich auch deinem Team zurechnen. Ich selbst war, während die alte Garde in Bonn übernahm und wieder aufgerüstet wurde, „Chefredakteurin“ unserer Schülerzeitung und legte mich wegen meines vehementen Einsatzes gegen die Wiederbewaffnung mit Mitschülern und Schulleitung an. Mir reichen zwei Weltkriege. Andere möchten anscheinend die Erfahrung eines dritten gerne machen. Kann ich sie verhindern?
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„Ich konnt‘ es nicht verhindern. Gar nichts kann ich verhindern‘.“ spricht der desillusionierte gute Sheriff in „Weiße Wölfe“(DEFA) und legt seinen Sheriffstern ab.
Pazifismus zieht gerade wiedermal den Kürzeren.
„Wann wird man jej versteh’n. Wann wird man jehhhhh versteh’n.“
Hilflose Songzeilen.
Dosierter Nationalstolz und eine richtige Armee zum Schutz unserer Grenzen – Beibehaltung des Verdikts: Deutsche Truppen nur auf deutschem Boden und deutsche Waffen NIE in Krisengebiete! – Das wär’s gewesen; aber is’nich’zu haben.
Tja.
Siehe oben.
An den Rand setzen…usw.
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Danke für den Hinweis. Die ersten beiden Folgen gesehen und für „gut gemacht“ befunden.
Jetzt werde ich die andere Folgen ansehen bevor ich was dazu sagen kann.
Otto John war mir unbekannt. Da hat garnichts geläutet. Da war ich 1954 erstens zu jung und zweitens wurden die Aktionen in den 1980er Jahren in den Medien nicht so heiss gekocht, dass man zwangsläufig was davon mitbekommen hätte.
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Otto John, 80er Jahre Medien? Error Error. Kapier ich nicht.
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Da war Otto John nach meinen Recherchen nochmals verstärkt in de Medien präsent.
a) er selbst in Sachen eigener Rechtfertigung und b) weil er eine Rente zugesprochen bekam. Beides löste offensichtlch neue Diskussionen um seine Person aus.
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Guck an. Quasi halbe Rehabilitierung, sozusagen. Die Rente. Der Film nun is’ne ganze – posthum. Jedenfalls kann man die Tendenz des Filmes schon glauben. 2-3 dramaturgisch überspitzte Ausnahme-Szenen abgezogen, bleibt doch alles so sehr wahrscheinlich.
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Wobei mir eben beim Schreiben einfiel, dass der Gehlen immer irgendwie auf dem Schirm war. Da war die dunkle Brille, da Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, der Geschichtsunterricht progressiver Lehrer.
Otto John hingegen… ein grosses Fragezeichen
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Das Fragezeichen macht Sinn im Hinblick auf die heuchlerische Tendenz „bei euch drühm“ im Umgang mit dem 20. Juli.
Heldenverehrung durch Leute wie Gehlen, die eigentlich weiter Verräter in Stauffenberg&Co sehen.
Treffende Schlüsselszene am Schluss im 6. Teil, als Gehlen für ne Festrede nach ner doppelbödigen Formulierung sucht, um „die Schweine nicht allzusehr zu preisen“.
John war das Feigenblatt. Der nützliche Idiot, der mit seinem Idealismus „ins Messer lief“. Hüben wie drüben. Im Westen mit seinen Vorstellungen von Entnazifizierung und im Osten mit seinen Vorstellungen von Wiedervereinigung.
Adenauer UND Ulbricht schwätzten von Wiedervereinigung (am St.Nimmerleinstag unter IHREN jeweiligen systemischen Vorzeichen), wollten sie aber eigentlich beide nicht.
Adenauer wollte ja schon als Kölner Bürgermeister in den 20ern am liebsten Ostelbien loswerden, weil es zu notorisch rückständig und nur Kosten verursachend dem Westen auf der Tasche lag: Ostlandhilfefond für pommersche Gutsherren? – DAS Grauen für ihn.
Gab mal ne schöne Doku über die Stalin-Note 1952: War das ein Schreck für Walter U. – Alle Macht wieder aufgeben? Um Stalins Willen?! Und im neuen Deutschland aller 4 Zonen von neuem um die Macht kämpfen?! – Och nööööö! Aber auf „Conny den alten Skunk“(Magazin Karikatur-Comic über Adenauer 1953) war Verlass. Der schlug diplomatische Haken – und rettete dem Westen das WW und Walter die Macht im Osten.
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