Der Peter (2)

Den anderen war er viel zu anders
Ein lebender Putschversuch
Er blieb mittendrin immer draußen
Ein wandelndes rotes Tuch
So lebte er in seiner Spannung
Dem inneren Frieden fern
Er fühlte sich wie in Verbannung
Auf einem frierenden Stern

Sie nannten ihn den Steppenwolf
Er wirkte wüst und wild
Dabei war nur sein Lebensdrang
Nach Freiheit noch nicht gestillt

Yeahr! Solche Texte hat der mal gesungen?! Zwar hätt‘ ich mir ne bissigere Gitarre in dem Song gewünscht, nicht diesen Clapton-Schnarch-Sound, aber: Man kann nicht alles haben! Das war anno’79 schon das mutigste im westdeutschen Deutschrock, wenn man von den medial totgeschwiegenen Scherben absieht.

Und wer kennt dieses Gefühl nicht aus seiner Sturm- und Drangphase?

Auf der Folge-LP setzte er noch einen drauf. Versteckt auf Seite zwei:

„Mich hetzt kein Boss und mich langweilt kein Job
Mach Schluss mit diesem Alltagstrott!

Ich geh fort ich geh fort
Und fang nochmal von vorne an, uh Lord!“

Simpel zu singen – aber sooo schwer durchzuziehen!

„Ich will hier raus, ich hab genug.“ Part 2! Reinhard Meys „Tagebuch“ nachempfunden. Hier nun in rockigerer Manier; zeitlos selbstermutigend!

  1.Fahne-Folgen

Die LP „Steppenwolf“ war vor meiner Aschezeit (Herbst‘79 bis Mai‘81) mehrfach lobend erwähnt worden. Jedoch nur unter „ferner liefen…“. Ohne Airplay irgendeines Titels. Das verwunderte in jener Zeit nicht. Deutsche Rockmusik hatte es schwer im Rundfunk. Die Moderatoren erwähnten laufend den ein oder anderen Bandnamen, spielten hinterher aber wieder ihre geliebten Little Feat oder Abba. Wenn‘s hoch kam, wurde dann und wann mal was kurzes von Can ausgewählt: „Spoon“ oder „Mushroom there“. Na gut, die Kurzversion von „Autobahn“ eventuell auch, aber das war’s dann schon. Nix Eloy, nix Scherben, kaum mal Lindi, und nix „neuer“ Maffay.

Nach der Haftentlassung Heimkehr vom „Ehrendienst“ im Frühjahr’81 hatte sich das Blatt gedreht: N.-D.-W. -! Plötzlich waren die „Brüder und Schwestern“ drühm aufgewacht in Sachen provokanter deutscher Texte!

Berliner Szene! Wall-City-Rock! Spliff! Ideal! Witt aus dem hohen Norden! Extrabreit aus Hagen! – Oder doch eher die Neue deutsche Fröhlichkeit aus Großenkneten (Trio)?

Die Sender spielten nicht bloß die berüchtigten, albernen Spaßdinger, die heute noch die diversen Billigsampler befüllen, sondern herrlich bitterböse Sachen! Witts „Goldener Reiter“ war DER Übersong! Zumal „Der Witt“ im Interview erzählte, das habe er gleich nach seiner Zeit beim Bund getextet. Die „Nervenklinik, die dich NOCH verrückter macht“ ist seiner Kaserne gewidmet! Yeahr! – – – Auf! Die! Zwölf!

Dazu Ideals „Komm wir lassen uns erschießen“, Interzones „Blues“, „Hintermänner“ und „Wbln“; DAFs „Kebab-Träume“ plus „Berlin, du kotzt mich an!“ von Firma 33 und schließlich die Einstürzenden Neubauten mit „Aufrechtgehen“.

Eine Playlist als Psychogramm.

Zum Ausgleich Trios erste Songs „Kummer“ und „Nur ein Traum“ usw.

2.Studien-Zeiten

Diese Konterbande schleppte ich ins Studentenwohnheim an und missionierte erfolgreich meine Raumteiler.maffay1

Einer von ihnen brachte daraufhin eine handvoll  Maffay-Songs der LPs „Steppenwolf“ – „Revanche“ – „Ich will leben“ an. Die passten im Verein mit Waggershausen- und Cornelius-Songs als melancholischer Fugenkitt perfekt zwischen die Extreme.

Dann gabs die Ankündigung einer Maffay-Lizenz-LP für den Osten! Die erschien auch, war aber nur zum Frisbee spielen gut, denn sie enthielt all die Vorzeit-Gülle, vor der „Steppenwolf“.

Also hielten wir uns weiter an die Radiobeute.

Sein „wenn die Hand ins Leere greift, wird ein Flüstern zum Schrei“ wirkte zunächst gekonnt dramatisch, wurde dann aber flux zum running gag immer dann, wenn einem von uns was schief ging.

maffay2Studienzeiten- herrliche Zeiten!

Schlechte Note im Testat? – Bier verschüttet? – Freundin weg? Da ist immer einer, der dir die nächste Buddel reicht, auf die Schulter klopft und tröstend spricht: Wenn die Hand ins Leere greift…

Wir waren 1982 knapp davor, Fan zu werden. Aber da waren zum einen seine Altlasten. Diese Rummelmugge, die auch immernoch gespielt wurde, wenn „Der Peter“ mal irgendwo Sendeschwerpunkt war… („Samstagabend in uns’rer Straße“, „Freunde, Lieder und Wein“, die berühmte und nun extrem flügellahm wirkende „Josie“ – und natürlich das Kuriosum schlecht hin „Und es war Sommer“) … um dann den „neuen“ Maffay entgegenzusetzen. Dann kam gewöhnlich zwar „Eiszeit“ und „Lieber Gott“; im Übrigen aber nur die gemäßigten Songs a la „du hattest keine Tränen mehr“ oder „So bist du“. Wann jemals hätte man „Steppenwolf“ oder „Ihr nicht“ im Radio gehört? Somit verhunzten ihm die Radioredakteure den Ruf, weil gar nicht publik wurde, wieviel er sich wirklich traute. Den „Schlagerfuzzi-Ruf“ wurde er so nicht los.

Zumal er sich selber noch manche Gurke ins Repertoire setzte:

„Liebe wird verboten! Denn Liebe ist gefährlich für den neuen Staat!“ Hä? Graupen-Alarm!

Und DER Mist wurde gesendet!

Solcher Art gewarnt, nutzten sich auch die anderen Umwelt- und Weltfriedenssongs von der „Ich will leben“ Platte extrem schnell ab; im Umkreis von „Kristallnaach“, „Sodom und Gomorrha“, und Kunzes „Lamm Gottes“ wirkten sie rasch hölzern, phrasenhaft, zu brav.

„Keine Atempause! Geschichte wird gemacht!“ war Zeitgeist; dafür war „Der Peter“ letzten Endes doch nicht „Räbll“ genug. 1984 bereits hatte er in unseren Ohren „verspielt“.

Umsatzmäßig behielt er Recht. So gesehen hat er gar nichts falsch gemacht.

Die „Carambolage“ hing im Shop. Neben Dylans „Infidels“. Und unter Waggerhausens „Tabu“. Maffay war messagemäßig eine unberechenbare Wundertüte: Konnte was sein, musste aber nicht! Bei Dylan wusste man nicht, ob er bei dieser Produktion Lust hatte. Die „Live at Budokan“ hatte ich gerade verschmäht, aufzunehmen. Und Hardcore-Dylanianer war ich eh nicht. Also gewann der Waggershausen.

„Der sanfte Rebell“ wäre die bessere Platte gewesen. Aber die stand ja nicht zur Auswahl. Die „Tabu“ war irgendwie genau die richtige Platte für den Abschied vom Studium und von Leipzig: „Zu nah am Feuer! Zu lang tabu! Wir küssen die Nacht! Nur ich und du!“ Noch fix heiraten und ab dann in den Sorben-Wald. Erfahrungen sammeln. Stagnäjschn, Babe!

„Lass das Hirn dir amputieren! Leg es ein in Wodka pur! Tag für Tag – wir balancieren auf straff gespannter dünner Schnur!“

Tja, sowas fiel dem Meinunger für den Maffay nu auch nicht ein. Das kam aus dem Untergrund der „anderen“ Bands der zum Untergang verdammten DäDeRätä.

3.Alles, was bleibt

maffay3Als „Der Peter“ 1987 seine kurze DDR-Tournee bewilligt bekam und die zweite AMIGA-Lizenz-LP erschien, diesmal bestehend aus Titeln der Alben „Ich will leben“ , „Carambolage“ und „Sonne in der Nacht“ da war es nochmal akut, dieses Nostalgiegefühl an die Sturm-und-Drangphase von einst; anhand der lange nicht gehörten Klänge. Das DDR-Fernsehen hatte das Konzert in der Werner-Seelenbinder-Halle/Ostberlin aufgenommen und gefühlte 43mal gesendet. Da ging durchaus die Post ab! Das war KEIN gesiebtes Publikum! Und die beste Viertelstunde war die, in der „Der Peter“ dem Tony die Bühne überließ. Special Guest: Tony Carey. Keiner in meinem Umfeld kannte den. (Rainbow-LPs hatte ja niemand.)

Wenig später landete er ein One Hit Wonder mit „Room with a view“; weil der Song in einem erfolgreichen ARD-Vierteiler verwendet wurde: Wilder Westen Inclusive.

Konzerteindruck und Song im Kopf – kaufte ich gleich nach dem Mauerfall seine frisch erschienene LP „Storyville“. Die verdiente sich dann 1991/92/93 „Heavy Rotation“, weil sie textlich top in die Zeit passte. Da singt einer so selbstermutigend von Volksbeschiss in „The deal“:carey

„We got everybody lookin′
For the get-rich-quick
Everybody lickin‘ on the ice-cream-stick
Here′s ten for me – five for you
Seven-oh thirty that’s the best you’re gonna do
Rich man poor man nothin′ in between
Bet your last dollar you′ll be sleepin‘ in the streets
Fast-track last-laugh
Beggarman, Thief
Nothin′ worth nothin‘ ever comes that cheap…“

Aber auch reichlich von den Erfahrungen eines heimatlos in die Welt geworfenen, der an seinem neuen Koordinatensystem basteln muss: „Trampoline“, „Just about a mile away“, „Storyville“ undundund … nahezu gänzlich graupenfrei!

Offiziell floppte die Platte total. Ich kaufte sie ‘98 auf CD nach, ruinierte diese alsbald leider in einem defekten Küchenblaster – und kaufte sie deshalb zum dritten Mal 2012, nun allerdings schön billig/gebraucht.

So überlebte doch etwas aus dem Maffay-Kosmos in meiner Sammlung. Und NICHT das Schlechteste, denk‘ ich.

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