Old Men’s Music (6)

Kleiner Versuch über eine Freundschaft, die SO mit Sicherheit NICHT stattgefunden hat – aber die es trotzdem gab.

Hawaii; Frühjahr 1961

Ein Drehteam abgeschirmt von der Öffentlichkeit an einem Strandstück der Ostseite der Insel.

Der arbeitende Teil der Crew ist heute zu Indoor-Aufnahmen für das Lokalkolorit unterwegs; Elvis hat Pause; lungert im Liegestuhl vor seinem Wohnwagen, liest ein paar Briefe von Priscilla, die er aus Deutschland nachkommen ließ; die aber nun über ihren Schulalltag in Memphis schimpft und ihn herbeisehnt.

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Da fällt ein zusätzlicher Schatten über den Brief. Er schaut auf:

„Oh!“ Er erkennt, springt auf und reicht dem Besucher die Hand:

„Mister Robbins. Welche Ehre.“

„Hui. Vom King so empfangen zu werden, das hat was!“, schmunzelt der geschmeichelt.

„Nicht doch, Sir. Nicht diese alberne King-Nummer.“

„Dann lass den Sir weg. Nun haben wir ja beide gedient.“

Elvis guckt verdutzt; grient dann aber sein schiefes Wiplash-Grinsen und schaltet um:

„Hi, Marty!“ Er zeigt auf den leeren Liegestuhl neben seinem.

„Hi Elvis! Na siehste; geht doch!“ Man setzt sich.

„Was verschafft mir die Ehre?“

„Heimweh nach den alten Zeiten des Rock&Roll.“ Es kommt zynisch raus.

Genauso die Erwiderung des King:

„Das glaub ich dir auf’s Wort.“

Beide lachen.

Marty: „Wohne hier seit einem knappen Jahr.“

Elvis: „Wow!“

„Nix wow. Fehlinvestition – für‘n Wüsten-Kid like mine.“

„Wieso?“

„Es gibt hier nix, was Spaß macht. Klar kannst du hier schönen Frauen auf die Beine gucken, aber das war’s dann auch. Nix Rodeo, nix NASCAR-Rennen-“

elMa2„Surfen.“

„Hör auf. Ich geh nicht ins Wasser, wenn ich nicht muss. Surfen is‘ was für diese Spießer-Schnösel.“

„Thanx a lot. Mache grade‘nen Kurs. Für die Rolle. Aber is‘ echt nicht leicht.“

„Sorry. Hast mein Mitleid.“

„Ich hab drauf bestanden, das selber zu machen. Aber dafür musste echt geboren sein. Ich ahne, dass ich doch auf ner Wippe im Studio ende und die Welle hinter mir wird gefaked.“

„Immerhin versucht. Jerry Lee hätte gekniffen.“

„Ha. Deinen ,Freund‘ haste nich’ vergessen.“

„Na und noch allerhand andre. Ab und an besuch ich den Cash. Die andern von damals können mir gestohlen bleiben. Der hat übrigens inzwischen auch so einen Indianer-Hack: Glaubt, er sei Comanche. Macht in Ahnenforschung**. Da wird über kurz oder lang auch so’ne Bruchlandung draus, wie dein „Flaming Star“ – Erfolg ist ein flüchtiger Freund.“.

Er macht ne kleine Pause. Dann fährt er fort:

„Ich hab‘ deine letzten Sachen gehört.“

Elvis: „Und? Was sagst du?“

„Du bist erwachsen geworden. Die Gospel-Idee war mutig.“5130648

Elvis grient wieder: „Yep. My first love! Es zahlt sich auch aus.“

„Sei dir gegönnt. Neidlos. Bei mir läufts auch.“

elMa1Elvis singt den „Hanging Tree“ an. „Ich weiß. Tolles Zeug. Ich wollte auch in die Richtung mit „Flaming Star“ und bin aufs Maul gefallen.“

„Ich weiß. Zu revolutionär. Du hättest dich unsern Leuten als Sklavenbefreier anbieten können; das hätten sie hingenommen. Aber die Halbblut-Nummer? Das war ein Schritt drüber. Indsmen – bleiben no-go.“

„In Deutschland wär‘ das gegangen. Die fahren da voll ab auf Indianer.“

„Mag sein. Aber die ham auch den Krieg verlor’n – wie die.“

„Yes Sir! – Äh. Pardon; war’n Rückfall.“

„Schwamm drüber. Jetzt drehst du was hier genau? Drama? Komödie?“

„Soll, wenn’s fertig is‘, „Blue Hawaii“ heißen; so ein bissel was von allem: Herz-Schmerz-Holiday- Spring Break. B-Movie. Spärlicher Etat, aber große Gewinnerwartung. James Dean II. werd‘ ich damit nicht.“

„Singst du in dem Film?“

Elvis stöhnt: „Ja, leider. Die Songs sind weitgehend Mist. Aber nach den beiden Flops mit guten Songs, meint der Colonel, dass nun mal wieder Geld reinkommen muss. Er hat das bessere Händchen.“

elma4„Ich hätte da was für dich.“

Elvis guckt leicht irritiert, blinzelt in die Sonne. Marty lässt die Katze aus dem Sack.

„Na, ich bin doch nicht hergekommen, um hier die Brandung zu bewundern. Hier is ne Mappe mit ein paar Songs. Ist nicht alles von mir. Ich dachte mir; jetzt, wo wir beide Veteranen sind und du erwachsenes Zeug recordet hast, bist du auch reif für ein paar Sachen von Freunden von mir. Da findet sich bestimmt auch was Geeignetes für deinen Film. Die wollten, dass ich das aufnehme; wo ich doch nu Hawaiianer geworden bin. Hab aber keinen Bock auf „Rock a Hula Baby“ und solche Sachen. Kannste dir ja denken. Da dachte ich an dich. Das soll der ,King‘ singen, so als Denkmalpflege gewissermaßen. – Die Schreiberlinge wären einverstanden.“

„Hm. Das musst du mit dem Colonel- “

„- Neee! Niemals mit Old Gatemouth! Das weißt du von damals noch! Ich rede mit dir von Mann zu Mann. Von Künstler zu Künstler. Deinen Laufburschen musst DU instruieren!“

Elvis guckt bedröppelt. Marty lenkt ein:

„Du bist die Goldgrube, die ER absahnt; nicht umgekehrt.“

„Ja, aber Flaming Star-“

„Quatsch nich‘-! Jeder erlebt mal Reinfälle. Der Fehler waren nicht die Songs! Der Fehler war der Plot*!“

Marty schlägt die Mappe auf, so dass Elvis die ersten Zeilen des ersten Songs lesen kann. Marty wartet und registriert die Wirkung.

Elvis hat sich wieder zurückgelehnt und liest. Er blättert nicht. Scheinbar liest er das erste Blatt immer wieder. Es dauert. Marty übt sich in Geduld.

„Das ..ist großartig. Wunderbar.“, vernimmt er schließlich.

Marty unterdrückt ein Grinsen.

„Dacht‘ ich mir.“

Elvis liest nun laut:

„Born in the heat of the desert
My mother died giving me life
Despised and disliked by my father
Blamed for the loss of his wife…“

Marty stiert versonnen in den Horizont und singt den Refrain leise an: „God gave me a mountain-“

Elvis, das Blatt vor sich, setzt ein:

„A mountain that I couldn’t clime!“

Der Refrain wird zum Duett. Als sie fertig sind, wischt sich Elvis über die Augen; er registriert den interessierten verständnisvollen Blick seines Gegenübers. Und somit verliert sich die Scheu für das Folgende:elvis22 4

„Genau so isses! Du sitzt in deiner Villa. Die Cadillacs im Garten vor der Tür; Big Ma werkelt in der Küche; du hörts es scheppern. Aber das sind eben Geräusche einer Hausangestellten, nicht Mutterns.  Weißt du? Mutter hatte so eine Eigenart. Besteckweitwurf. Sie schmiss das Besteck immer so donnernd ins Fach nach dem Abtrocknen. Aber Mom is gone; da is‘ niemand mehr, mit dem du herumflaxen kannst, deren Gesundheitsratschläge du veräppeln könntest. – Du stehst einfach an dem einen Fenster und guckst auf die Autos. Aber du hast kein Ziel; irgendwohin zu fahren. Dann stellst du dich ans andere Fenster und guckst dem Hausmeister beim Rasen mähen zu. Gott sei Dank hast du 6 Fenster – das dauert ne Weile. Aber der Mountain of time wird nicht kleiner.“

„Armer Hund.“, grinst Marty – voller Selbstironie.

Elvis legt prompt den Schalter um:

„Old Shep he is gone, where the good dogs all gone…“

Marty steigt ein…

Sie brechen lachend ab.

Elvis greift in die Kühltasche neben sich: „Was trinken?“

Beide nehmen Coke. Kein Alkohol. Der Väter wegen. Auch das ein Punkt, der verbindet.

Die Sache gelingt. Der Deal kommt zustande. Den Colonel zu überzeugen, war nicht so schwer. Der wusste schließlich, wer der Robbins ist und was der an Platten so umsetzt. Aber ausgerechnet der „Mountain of time“ fehlt auf dem „Hawaii-Soundtrack“ und muss lange warten, bis Elvis ihn aufnimmt. Er liest das Textblatt oft, summt die Melodie durch die Jahre; aber der Text geht ihm zu nahe. Er bringt ihn deshalb erst in der „Vegas-Phase“ der 70er auf die Bühne und für „Aloha from Hawaii“ 1973 endlich auch auf Platte; ausgerechnet hier kippelt die Stimme. Der Song ist Voodoo. Er sieht dann stets Mom vor sich, wie sie strahlte, wenn sie wiedermal einen Zeitungsartikel über ihren „Götter-Sohn“ gefunden hatte. Und das war es schließlich wert: Die Familie aus dem Elend geholt zu haben. Wenngleich auch jetzt die Erkenntnis längst gegriffen hat: It’s lonely at the Top.

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* Wir, hier in Europa, sehen das wirklich diametral andersrum. Der Film „Flaming Star“ von 1960 wäre ein guter, wenn man sich die Schnulzen wegdenkt. Der Titeltrack könnte sogar bleiben. Elvis als Halbblut zwischen weiß und rot in einem Indianerkrieg; thematisiert das Identitätsproblem und zeigt -noch kein vollständiges, aber doch immerhin sehr viel mehr- Verständnis für die Indianersicht als bisherige Western; kann als Vorstufe zu den Spätwestern gesehen werden, denen Marlon Brando wenige Jahre später Bahn bricht.

** Cash’s Album „Bitter Tears“ erscheint 1964; es enthält eine Songzyklus über Indianerbiografien und eine bittere Abrechnung mit der amerikanischen Vergangenheit; besonders deftig in „Custer“; einem Schmähsong gegen den Heldenkult, der um dessen Person -in völliger Verdrehung der Faktenlage- betrieben wird. Noch in den 80ern widmet Hollywood ihm ein verlogenes Filmepos.

Das Album enthält „Ira Hayes“; einen mittleren Radio-Hit; immerhin; in den etwas aufgeklärteren Zeiten nach Kennedy; aber tatsächlich wird es kein Hit-Album. Seine Comanchen-Abstammung-Idee scheint sich zeitgleich erledigt zu haben. Erst die Knast-Alben „Folsom Prison Blues“ und „St.Quentin“ bescheren ihm den Superstar-Ruhm, den er längst verdient gehabt hätte.

4 Gedanken zu “Old Men’s Music (6)

  1. Elvis ist für mich “ the Pelvis“. Immer geblieben. Seine Ära vor Friedberg, Germany. Rock´n´Roll. Als Jugendlicher habe ich im dörflichen Kino irgendeinen Film mit Elvis gesehen. Höchstens bis zur Hälfte, dann habe ich das Kino verlassen. Das haben sie also ihm gemacht. Eine Witzfigur! Allein schon der Name Colonel Parker. Militär & Diktator. (Aus welcher Quelle mochte ich das gehabt haben? Bravo? Radio?) Von Parkers Arbeit als Presleys Manager wusste ich damals noch nichts genaueres.
    Von dem musikalischen Weg nach seinem Militärdienst habe ich dann nicht weiter Kenntnis genommen. Ausnahme war das Schmalz „In the Ghetto“, dem man zeitweise nicht entgehen konnte.

    Die Texte der Balladen in Cashs Album „Bitter Tears“ treffen den üblichen vernagelten us-amerikanischen Geschichtsblick. Und das 1964. Das konnte nichts werden. Da passten „Folsom“ und „San Quentin“ um vieles besser ins latent kriminelle Us-Bewusstsein.

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  2. Ja. Die Elvisablehnung in unsern beiden Generationen ist bekannt und stört nicht weiter.
    Von dem, was ich über ihn weiß, ist mir halt vieles sehr sympathisch. Der Nixonbesuch allerdings nicht.

    In meiner alten Völkerkunde von 1890 ist zu lesen, dass “der Nordamerikaner eine eigenarige Sehnsucht nach militärischen Titeln entwickelt habe und so sich jeder zweite als Major, Colonel oder General Miller vorstelle, was man tunlichst toleriere, auch wenn nichts am Erscheinungsbild den (ehemaligen) Offizier verriete.“
    Colonel Parker (garantiert ungedient) ist ein letzter Vertreter dieser Marotte.

    Zum Thema Schmalz in “In the Ghetto“ – tja. Ein jeder holt sich den seinen aus der Bonboniere, die zu ihm passt. Bei dir wirds eher Bryan Ferry sein.

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    • Stimmt B.F. (solo!) ist ebenfalls in meiner „Bonbonniere“ 😉

      Col. Parker, obwohl Holländer soweit ich weiss, hat in der US-Armee gedient. Schwamm drüber, der iss auch tot.

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      • Col. Parker. Ohne Papiere? Im Zuge des neuen Elvisfilms wurde so erklärt, dass er nie Auslandstourneen für den King buchte.
        Aber wirklich egal. Colonel war er so oder so nich.

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