Der Peter (1)

„Wo ist denn bei dir der Maffay?“ fragte Autopict in seinem Kommentar neulich.

Hier kommt die Antwort:

Die Beziehung zwischen „Dem Peter“ und Bludgy, dem kleinen Dakota, ist eine komplizierte, von „Ups“ and „Downs“ gekennzeichnete. Es sei gestanden: Ich war einige Male kurz davor, ihn zu mögen. Das begann schon 1973:

Es war das Jahr der pubertären Wirbelstürme.

Endlich zum Schuljahresende den Akkordeonunterricht abwerfen können! Endlich die Haare über die Ohren wachsen lassen dürfen! Zum ersten Mal die Klaus Renft Combo im Fernsehen mit „Cäsars Blues“! Das beeindruckende Black Sabbath Poster beim älteren Cousin an der Wand! Die Bettelei für einen Kassettenrekorder beginnt – sollte aber bis 1975 dauern. Bis dahin pfeift und summt man alles nach, was man als Ohrwurm in „Funk-und Fernsehen“ halt so aufschnappt. Die Kamm-Blase-Phase hat man mit der 6. Klasse hinter sich gelassen. Zu kindisch. Aber aus der Arschtasche in der Hose ragt der Stil des unverzichtbaren Männer-Kammes. Wer Mähne hat, braucht Kamm, you know? Jeder! Ohne Kamm bist du NACKT! – Das Outing würde sofort erfolgen: „Nichema ä Gamm hadde mit, Muddies Liebling!“ Darauf war zu achten! Schultasche, Turnschuhe, Hausaufgaben – egal! Aber ohne Kamm auf dem Schulweg? Erschieß dich!

Fetzige Zeiten. Aber eigentlich noch sehr „unrockig“. Für „Musikladen“ durfte man noch nicht aufbleiben. Der kam ja immer erst um 9 Uhr. Für Kojak immerhin schon. Manchmal. Die Verbote lockerten sich spürbar.

Ab und an erwischte man eine Wiederholung von „Disco“, „Hitparade“ oder „Drehscheibe“ im gemeinsamen Vormittagsprogramm auf ARD. Immer sah man „Die aktuelle Schaubude“, manchmal Rudi Carrell…

Da irgendwo war es, dass Peter Maffay auftauchte und „Angela“ sang. Also „An-dsche-la!“, so eigenartig halb verenglischt. Die Angela unserer Klasse hatte darauf hin viel zu leiden, denn nun wurde sie pausenlos von uns Spackos -zum Gaudium aller- schief „angesungen“: „Ändschela! Du bist das Mättschän für das’ch läbäää!“ Und weg, bevor sie zuschlägt!

maffayImmer, wenn 13jährige etwas so penetrant durch den Kakao ziehen, dann finden sie es eigentlich ja gut. Sowohl das Erscheinungsbild von „Dem Peter“ als auch die tatsächliche Angela, die damals gerade dabei war, sich von der Pummelfee zum schönen Schwan zu mausern.

Maffay bot aber nicht nur das Lied, sondern auch diesen Gürtel – mit DIESEM Wagenrad von Koppelschloß! Fetzt! Pickert! Peitscht! – Und zwar „urst“!

Nun sah die Planwirtschaft solche Modemätzchen nicht vor. Da war es immerhin hilfreich, dass mein Vater zwar nichts von „der Vernegerung der deutschen Jugend“ hielt, aber Taschenmesserbesitz und Vorliebe für breite Gürtel als Männlichkeitsbeweis grinsend unterstützte. Das kam ihm aus seiner Zeit der Fahrtenmesser und Seitenriemen bekannter vor als diese „Hottentottenmusike“. Prompt bekam ich zunächst einen alten, dicken schwarzen Ledergürtel mit relativ breiter Silberschnalle in die Dederonhose gezogen. Natürlich fachmännisch verkürzt und mit Extralöchern, denn „Horst Janson Junior“ war nun mal ein „därrwänst‘ches Gewächs“. Und bald darauf sogar einen braunen breiteren mit — Doppeldorn! Mehr ging nicht! Bemühte ich mich, scheinschwanger zu laufen, damit DIE Sensation auch keinem entging? So wie der Maffay in „Disco“? An Kommentare erinnere ich mich nicht mehr. Aber als King of Schulhof hab ich mich gefühlt. Na; mindestens zwei Tage!

Und weil „DER Peter“ seine Andschela ja mehrfach und somit in wechselnden Outfits besang, wurde noch ein weiteres Accessoire relevant: Uhrenarmband! Eine entscheidende Frage der Mannwerdung! Wir reden hier von 1973! Also gilt: So breit wie möglich!

Ab der zweiten Klasse, anno 1968, willst du wissen, „wann es klingelt“! Hangelst dich bereits von Pause zu Pause. Also bekommst du eine „Kinderuhr“ ans Handgelenk und die gesamte Verwandtschaft schnappt ein, weil du dafür keinen Dank weißt: Dieses därrwänst’che, kleine Etwas, kaum größer als der Taschengeldfuffziger am mädchenmäßigen, dünnen Lederbändchen?! Euer Ernst? Und dann noch die Qual: Wehe, du trägst die nicht! Naja. Es ging irgendwie gut. Ich war die Nr.3 in der Klasse mit Armbanduhr – und der erste Junge. Und allen war egal, von welcher Art Chronometer die Pausenzeiten vorhergesagt wurden. Und irgendwann fiel sie herunter und wurde durch eine breitere und billigere ersetzt.

In der 6.Klasse war ich im Kino. „Der Untergang des römischen Reiches“. Überlänge. Aber ich – schwerstbegeistert. Papa schob mir den „Kampf um Rom“ rüber. Initialzündung für’s Felix Dahn Fantum! Und egal ob Gladiator oder Germane: Die hatten immer diese lederbandagierten Handgelenke! Und die Timex-Werbung jener Zeit lehrte dich, dass Herrenuhren eigentlich ja Schlagringe sind!timex stoßgesichert

Timex! Rumms – kam die Uhrenfaust durch die Glasscheibe! Abend für Abend; vor und nach „Butler Parker“, „Eddies Vater“, „Elefanten-Boy“…

Und bei irgendeinem der Andschela-Auftritte hatte „Der Peter“ nur ein T-Shirt an und dieses superbreite Uhrenarmband! Ein rockender Gladiator!

Ende 6. oder Anfang 7. Klasse hatte ich mir zum erstenmal eine Uhr selber gekauft: Goldenes Zifferblatt, römische Zahlen, breites normales Armband. 33 Mark.

Nach dem Peter-Auftritt war ich prompt wieder bei „Uhren-Simon“ und trug mein Problem vor:

„Ham Sie’n breiteres Armband für die Uhr?“

Der alte Mann kennt sich in Modefragen stilsicher aus: Ein Griff unter den Ladentisch und er legt mir ein dunkelbraunes Etwas vor, das aussieht wie so eine Verstauchungslederbandage. Fetzt! Er weiß sofort, dass das der Treffer ist. Deshalb auch gleich der Befehl:

„Gib mal her, ich mach‘s gleich dran.“

3,60 Mark. Komisch. Was sich einem so einprägt!

Auch das Uhrenarmband muss noch gekürzt werden, sonst hätte der Zipfel der hinten durch die Schnalle muss, vorn die Uhr verdeckt. Man war aber auch wirklich nur ein Strich mit 13!

Aber die Wandlung war eine Vollständige!

Ich hatte den Laden als dünnes Kind betreten. Ich verließ ihn als Mann! Den linken Unterarm nun halb aus Leder! The Gladiator! Beide Daumen hinterm Gürtel! Doppeldornschnalle! Kamm in der Arschtasche! Mähne im Sommerlüftchen; Sonne satt! Yeahr!

Andschela!

7 Gedanken zu “Der Peter (1)

  1. Danke für die fetzigen Erinnerungen an die outfitgenerierende ideologische Diversion via Westfernsehen! 😉
    In puncto 70er Jahre und Uhr erinnere ich mich noch an die Monatskalender aus Alu, die man sich ums Armband wickeln konnte. Und dann gab es da noch für den Hochmodernen, auf äußerste Distinktion Achtenden die digital mechanische Scheibenuhr aus Ruhla.

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    • Letztere hab ich mir vom Jugendweihgeld gekauft. Die lief erst pro Tag 5 Minuten vor, wurde dann repariert, und ging dann 5 Minuten nach. Blieb dann nach nem Vierteljahr trotz Aufzieherei stehen und landete somit schneller in der Tonne, als alle ihre Vorgänger.

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  2. Schöne Erinnerungsschilderungen. In der Tat waren die Menschen in den beiden deutschen Teilen nicht so weit auseinander. Wie auch. Waren eben alles Deutsche. Und die Befindlichkeiten von Jugendlichen, ihre Wünsche, Ängste und Träume dürften sich inhaltlich weltweit sehr ähnlich sein.
    Wobei mir bei Deinen Berichten auffällt, dass Du als Jugendlicher materiell offensichtlich nicht nur besser, sondern sehr gut gestellt warst. Bei all meinen Gesprächen mit Menschen in der Deutschen Republik nach dem Mauerfall bildest Du für mich eine auffallende Ausnahme.
    Eine Ruhla Scheibenuhr in die Tonne zu werfen musste man sich leisten können, bzw. man musste überhaupt erstmal eine bekommen. Auch eine Jupiter Bandmaschine, und das war mehr als ein Tonbandgerät, stand nicht in jedem Schaufenster.

    Peter Maffay tauchte in den für mich falschen Fernsehshows auf, sodass erst garkein weiteres Interesse geweckt worden ist. Erst vor zehn , fünfzehn Jahren wurde ich auf sein soziales Engagement aufmerksam. Hut ab. Aber von seiner Musik hat mich allenfalls mal Tabaluga gestreift.

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    • Tja… das mit dem bessergestellt sein – weiß nicht. Meine Kumpels waren ähnlich bestückt. Meine Taschengeldmarge lag im Durchschnitt der Klassenkameraden, die Taschengeld bekamen. Das waren allerdings nicht alle.
      Und einige arbeiteten in den Ferien nicht wie ich bei der Post, sondern auf dem Bau oder gar beim Gleisbau, die hatten mehr Kohle als ich.
      Und wenn heut‘ manche weinen, dass ihnen 120.- M für Westvinyl zuviel waren: Dafür reisten die im Ostblock herum, oder kauften irgendwelche Motorräder… das war halt ne Frage der Prioritätensetzung. Ich soff halt auch nicht. Es gab einige, die ihre Lehrlingskohle in „den Hacker“ trugen, oder in den „Hahn“. Die jede Woche zur Disco „mussten“, weil ja sonst „nüschd los sei“. Meine POS-Klasse hat inzwischen 4 Alkohol-Tote. Das kostet eben auch. Da stehste dann pleite auf dem Flohmarkt und beneidest den Bludgy. 🙂

      Den Jupiter überschätzt du ein wenig. Der war das einzige Tonbandgerät, dass es immer gab. Russische Technik; aus einem Stück gefeilt. Den wollte niemand. Der wurde 3x preisgesenkt. Beliebter waren B 100 oder B90 und später B93, tschechische Geräte. Aber die bekamste bis 1988 nur unterm Ladentisch und da fehlten der Familie die Beziehungen im RFT-Fachhandel. 1988 kam ich zufällig in Forst dazu, dass es B93 oberhalb des Ladentisches gab. Seit dem hatte ich dann auch eins.

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      • Wie immer auf der Welt – alles eine Frage der Ein-/Verteilung. Und die Folgen für manche Geichaltrigen im Lauf ihres Lebens… Auch das war hier nicht anders.

        Interessant was du zu den Tesla Tonbandgeräten schreibst. Ich werde nochmal nachschauen. Ich hielt aus der Erinnerung das Jupiter für die bessere Maschine. Teslas sind hier wegen ihrer qualitativen Merkmale nicht verklauft worden.

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