MOSAIK Tiefenforschung 2

Für das Folgende passen keine Bee Gees. Leg dir Mittelalterrock auf, denn gleich zücken wir die Schwerter!

Haggard, Opeth, Therion irgendsowas eben, was dir die Zinnen an die Schädeldecke malt.

Weiter geht’s mit literarischer Archäologie.

DSC02903-001mosaikIn der leider unvollständig erzählten Hegen-Biografie „Die drei Leben des Zeichners Hannes Hegen“ wird erzählt, dass die Crew des Mosaiks, vom schieren Erfolg in den 50ern überrannt, angespornt war, besser und besser zu werden. Die Anfeindungen in Sachen „Schund- und Schmutz-Literatur“ taten ein Übriges. So begannen sie also, sich auf Ideensuche zu begeben und antiquarische Bücher zu erwerben. Die waren billig in der Ehemaligen. Das schnell anwachsende Archiv schlug zwei Fliegen mit einer Klappe: Es ist in alten Mären gar wunderviel geseyd…, also konnte man aus alten Romanen „für die reifere Jugend“ der Kaiserzeit, sich ungestraft Anregungen holen, indem man aus 3 oder 4 Erzählungen Partikel entnahm, um sie Runkel und den Digedags in einer Geschichte unterzuschieben, denn es war davon auszugehen, dass wohl niemand in der Lage sein würde, in alten Wälzern auf Digedagspuren zu stoßen. Frakturschriftkenntnis-Inhaber waren eine aussterbende Spezies bereits in den 60ern.

Andererseits waren die alten Kupferstich-Illustrationen aus fernen Ländern ideale Vorlagen für anheimelnde Hintergründe, vor denen Hegens Comic-Helden ihre Bewährungsproben erdulden müssen. Meisterhaft geradezu das mittelalterliche Venedig zu Beginn der Runkel-Serie oder aber auch die Berliner Reichstagsruine im damaligen Ist-Zustand auf dem Stern des Todes (im Heft 26). Nicht zu vergessen die Hafenanlagen des alten Konstantinopel, nach Vorlagen einer alten Völkerkunde, mit Abbildungen Istambuls um 1880.

Somit kann behauptet werden, dass man mit den Digedags erfolgreich durch Raum und Zeit reisen konnte. Ob Bayous am Mississippi oder die Steinhänge am Euphrat – die Landschaft stimmt!

Jugendverderbnis- und Volksverdummungsvorwürfe liefen so ins Leere..

Arno Schmidt hat die interessante Idee entwickelt, dass jeder Autor im Jenseits erst dann Ruhe findet, wenn er auf Erden vollständig vergessen ist. Und wenn er sich nicht an realen historischen Personen vergriff, die ihn ansonsten durchs Paradies jagen, wie z.B. die Gotenkönige den Felix Dahn.

Dieser Theorie entsprechend bin ich der geborene Störenfried. Mein Literaturgeschmack hinkt dem meiner Generation gut 50 Jahre hinterher und somit bin ich vermutlich letzter Liebhaber so einiger Namen, nach denen heute kein Hahn mehr kräht.

Da wird sich so mancher Literaturtitan da oben bereits bequem in die allerletzte Haltung gebracht haben, befriedigt aufseufzen „So! Genug! Es ist vollbracht!“ – wenn Erzengel Gabriel an seine Bettstatt tritt, um grinsend mitzuteilen: „Denkste! Hoch mit dir! Bludgeon liest dich noch!“

So geschehen 2020 mit dem „Guten Kameraden“ Band 28; Schuljahr 1913/14. Die letzte Friedensspanne der „Guten Alten Zeit“.

„Gottfried von Hohenloh.“ ist dort drin ein kurzer Fortsetzungsroman um einen Minnesänger im 13. Jahrhundert. Der Autor kaschiert seinen Namen zu M. Sch.; untypisch für die führende Knabenzeitung jener Tage.

Vorlage 1

Wenn du dich auf diese 5 oder 6 Folgen einlässt, dann kommt dir das Grinsen, denn der Inhalt hat es in sich. Er enthält sowohl ein politisches Wagnis zu Zeiten des Erscheinens, als auch eine Digedagspur für spätere Leser.

Der Haupt-Gag ist der, dass Hohenloh 1233 vom Kaiser Friedrich II. von Hohenstaufen in Sizilien losgeschickt wird, um seinem Kronprinzen Heinrich jenseits der Alpen ein paar Nachrichten zu bringen und als Berater auf die Finger zu sehen. Kaiser Frederico hat per Gerücht erfahren, dass sein volljähriger Bub da oben im Norden nämlich ungeschickt agiert, wichtige Fürsten verprellt und an Putsch gegen den Vater denkt.

Ein Gag ist das deshalb, weil es für wissende Gymnasiasten 1913 – und da hat es sicher nicht wenige gegeben, denn Geschichte war damals „in“! – eine deutliche Parallele gibt zum amtierenden Willy Zwo und seinem verstorbenen Vater Friedrich III.. Dass sich beide nicht „grün“ waren, ist damals allseits bekannt. Dass Willy ein ungeschickter Akteur auf der Weltbühne ist, bekommt ebenfalls jeder mit – und nun, ausgerechnet im Jahr des 25jährigen Thronjubiläums des „Friedenskaisers“ mit den vielen außenpolitischen Krisen, kann die Jugend diese mittelalterliche Parabel auf das „jetzt“ lesen!

Klar, dass da der Autor lieber nicht allzu bekannt werden will!

Das Damoklesschwert der „Majestätsbeleidigung“ schwebt über ihm!

Hatespeech 1913!

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…Österreicher auf der Wacht …

Der „Gute Kamerad“ ist ein deutlich süddeutsch geprägtes Werk. Union Verlagsgesellschaft Stuttgart-Berlin-Leipzig-Wien. Die Abstandssuche zu Preußen wird darin deutlich, dass bei militärischen Themen eher über die K&K Armee berichtet wird, bzw. über württembergische Regimenter. Die Willy-Watsche im Jubiläumsjahrgang unterzubringen ist bestimmt klammheimlich in den Redaktionsstuben gefeiert worden!

Der zweite Gag der Erzählung liegt im Detail und hat MOSAIK-Bezug:

Es macht einfach Spaß, beim Lesen auf etwas zu stoßen, was dir sofort bekannt vorkommt:

Spuren der Hohenloh-Geschichte finden sich in mehreren Episoden der Ritter-Runkel-Serie:

– in der 110; „Das Kastell Peripheria“

– in der 145, „Ritter Runkels Heimkehr“

– in der 150; „Der Sturm auf die Kuckucksburg“

Denn:

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Hohenloh und 3 Begleiter fliehen vor Verfolgern, aufmüpfigen Mailändern, die den deutschen Rittern alles andere als freundschaftlich gesinnt sind. Sie jagen auf eine Burg zu, die sie da über einem Wald im Alpenvorland aufragen sehen. Sie erhoffen sich dort Schutz. Die Zugbrücke ist unten, also hinein; ein dösender Räuber am Tor wird überwältigt, das Tor aufgezogen. Im Inneren gibt es eine kurze Überrumpelung der anderen überraschten Räuber, die sich leicht wegschließen lassen. Die Verfolger sind inzwischen vor dem Tor angekommen und wissen nicht weiter, entschließen sich aber zur Belagerung, die sie mangels Masse auf den Torweg beschränken.

Hohenloh lässt Fake-Lanzen an die Zinnen stellen, damit die Burgbelegschaft nach mehr aussieht und von unterschiedlichen Stellen der Mauer auf die Belagerer schießen.

Einer seiner Begleiter hat inzwischen das Hauptgebäude der Burg untersucht – und eine große Falltür gefunden. Als sie geöffnet wird, entdecken die Bedrängten einen Reitweg hinein in den Burgberg. Sie reiten ihn hinab und erreichen am Fuße des Berges und an der Rückseite der Burg das Freie. Entwischt! Zu Pferde!

runkel 2Natürlich ist eine Falltür, so groß, dass Pferde durch die Öffnung passen und eine Reitweg-Serpentine im Gestein ziemlich märchenhaft, jedoch schmilzt die Sache ja im MOSAIK auf einen Burgbrunnen und einen Bach im Berg zusammen.

Damit auch dort die weitere Reise schnell und zu Pferd fortgesetzt werden kann, mussten in dem Fall die Kuckucksberger so blöde sein, Runkels Pferd Türkenschreck, weil zu alt zum Schlachten, einfach wegzujagen und nur den Ritter einzusperren. Haben nun ihrerseits die Digedags Türkenschreck wieder aufgelesen und Runkel per Burgbrunnen befreit, ist das Ensemble ebenfalls wieder vollzählig unterwegs, um die weiteren Pläne des Kuckucksbergers zu durchkreuzen, wie Gottfried von Hohenloh die des fiesen Heinrich.

Die Idee zur flachen Reiter-Treppe könnte aus dem Hradschin stammen. Hegen war Sudete. Sicher kannte er die Prager Burg. Dort gibt es eine, die (allerdings ohne Falltür) hinein in einen Saal führt, um speisenden Gästen Reiterkunststücke vorführen zu können.

Die unterbesetzte Burg (Peripheria und Kuckucksburg), die Mitgliederschwache Räuberbande, die sich vorübergehend eine fremde Burg aneignet wird eingesperrt (Teufelsbrüder), der Fluchtweg durch den Berg und auf der Rückseite raus, das Erstürmen wollen einer Burg, die gar nicht (mehr) verteidigt wird (Kuckucksburg).

Sachen gibt’s!

MOSAIK Tiefenforschung 1

Stell dir vor, du schlägst einen alten Band von Westermann’s Monatsheften auf und stößt auf diese Überschrift:

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Als Ossi-Boomer springt dich das regelrecht an, denn Bogumil – das war der Chef der Teufelsbrüder im MOSAIK von Hannes Hegen.Bild (26)

Draußen ist Frühling, du legst dir ne selbstgebrutzelte „Best of Bee Gees“ auf, und während „August October“ erschallt, gleitest du in die 60er zurück, bist wieder klein; Großmutter, Oma oder Mutti lesen Ritter Runkel vor – und du selber träumst dich hinein, wie das wäre, wenn du Janos wärst und so eine Suleika hättest – und natürlich eine eigene Burg! Mindestens! „A Man for all seasons“ eben.

„I.O.I.O“  – du liest weiter und entdeckst einen schönen und spannenden Gesellschaftsroman aus der Zeit des frisch okkupierten Bosnien-Herzegowina durch Österreich, wie da eine Kamarilla aus Offizieren, Geschäftsleuten und Regierungsbeamten sich ihren Tag gestalten, zwischen Tennisplatz und Operettenabenden im Salon eines jungen, verschrobenen, ungarischen Grafen.

Gute alte Zeiiiiit… auch ein englischer Lord ist dabei…„if I’m goin‘ back to Massachusetts… something’s tellin‘ me, I must go home…“

Aber da schwingt eben auch noch was anderes mit:

Der Roman beginnt mit einer spannenden Verfolgungsjagt, einer abendlichen Entführung. Die Entführer entkommen an einem Waldrand voller Glühwürmchen. Was in der Dunkelheit geisterhaft wirkt und die Verfolger auf die falsche Fährte lockt. Die Entführte ist eine schöne Serbin, die von ihrem ungarischen Liebhaber herübergeholt wurde, über die Grenze ins Österreichische. „I can see nobody! My eyes can only look at you..you..you!“ Sie ist völlig damit einverstanden. Die Heirat erfolgt prompt. Eine Messalliance. Aber die junge Dame beeindruckt die Gesellschaft im Handumdrehn. Pfeif auf die politischen Verwicklungen, weil ein österreichisch-ungarischer Regierungsbeamter nun Mädchenräuber ist und ein Staatssekretär aus dem Kriegsministerium ihm zur Seite stand, bei jener Nacht- und Nebel-Aktion. „Saved by the Bell.“ Es ging ja alles gut.

Da ist der Sumpf mit den Irrlichtern – Heft 99; nun verlegt nach Italien, wo die Digedags und Ritter Runkel bei ein paar Untergrundkämpfern des Mittelalters unterkommen und eine Spur ihres verschollenen Gefährten Digedag im Alten Rom wiederfinden.Bild (28)

Da ist die hübsche Sultanstochter Suleika, deren Vorbild jene Serbin gewesen sein muss, denn auch sie liebt einen Ungarn, der allerdings kein aristokratisches Inzestprodukt voller Macken ist, sondern ein Kämpfer, ein Titan des Mittelalters, der seine Angebetete auch nicht aus dem Elternhaus entführt, sondern davor bewahren muss, byzantinische Kaiserin werden zu müssen. „Heeeeere we are! In a room full of strangers! Standing in the dark!“ Dabei helfen ungewollt die trottelig-bösen Teufelsbrüder. Bogumil und seine Leute.Bild (25)

Ursprünglich eine verrufene, gefürchtete, gejagte Ketzersekte auf dem Balkan, die im Roman als dekadentes Spiel wiederbelebt wird, während sie im MOSAIK zur Piratenbande herabsank.

Und dann schlägst du den einen Westermann-Wälzer zu und den anderen auf, um noch einmal die Novelle von der Totenmaske nachzulesen. Adolf Stern, ein vergessener Vielschreiber in den Westermann Bänden erschuf sie 1893.

Sie spielt im späten 15. Jahrhundert. Byzanz ist bereits futsch, aber ein paar venezianische Inselkönige „herrschen“ noch auf griechischen Inseln, bis es den Türken beliebt, auch diese zu kassieren.

Immer wieder besucht der eine oder andere Auslandsvenezianer das eigentliche Venedig, um um Geld oder Unterstützung zu bitten, was nie in ausreichendem Maße geschieht. Die Macht auch dieser Territorialmacht ist im Schwinden. Ein junger Bildhauer lernt die Tochter eines solchen Zwergenkönigs kennen, verliebt sich, weiß, dass das nicht geht und lässt sie deshalb ziehen.

Zeitchen später wird er auf die Insel seiner Angebeteten geladen und erfährt dort ein bevorstehendes Trauerspiel. Damit die Insel noch ein paar Jahre unabhängig bleiben kann, muss sie den Sultan heiraten. Als ihre feierliche Abholung erfolgen soll, gibt ihr Vater ein großes Fest. „Lamplights keep on burning, while my heart for you is jerning…“ Seine Tochter will nicht in einem Harem lebendig begraben sein, sie beugt sich von der Palastbalustrade und stürzt sich in den Tod. „Bury me down by the river!“ Man findet sie am Ufer, bahrt sie auf im Palast. Der junge Bildhauer nimmt ihr Profil für eine Totenmaske ab, bevor er heimreist. Dort erzählt er einem befreundeten Baumeister die ganze Tragödie. „I just gotta get a message to you…“

totenmaske

Die Örtlichkeiten auf der Insel erinnern an die Palastanlage von Kaiser Andronikos in den Heften 112-120. Suleika soll ebenfalls zwangsverheiratet werden, allerdings in entgegengesetzter Richtung, als Sultanstochter nach Konstantinopel, und denkt ebenfalls daran, sich ins Meer zu stürzen, wenn es ihrem Janos nicht gelingen sollte, sie zu retten. „Run to me, where ever I’m with you…“

Andronikos Reich wird dargestellt, wie jene venezianischen Rest-Inseln von Adolf Stern beschrieben werden: Er regiert desaströs, reitet seine Spleene, hat nur noch ein morsches Kriegsschiff, die Genuesen blockieren seinen Hafen, die Insel Lesbos verweigert den Tribut, der Feldzug dorthin mit einer Art „letztem Aufgebot“ schlecht ausgebildeter „Soldaten“ schlägt gänzlich fehl; da soll es dann eben auch eine politische Hochzeit retten – und nachdem Suleika entkam, wird es dann eben Irene von Tessalonien. Eine attraktive, rothaarige Furie. „Every christian lionhearted man will show you!“

Ich habe Hannes Hegens Inspirationsquell gefunden!

„Boogie! Boogie child!“

ende

Comic-Zauber IV (Ende mit Schrecken)

Hegen vs. Dräger

Warum zerbrach das Dream-Team?

Ihre Arbeitsteilung hatte sich über die Jahre entwickelt und bewährt:

– beide zusammen haben eine Grundidee, mal der eine, mal der andere;
– Hegen entwirft die Figuren;
– Dräger sorgt für den Plot.

Damit lag das inhaltliche Gewicht bei Dräger, dem Beleseneren von beiden.
Das Geschäftsmäßige, also auch das Entgegennehmen der Anschisse und Rechtfertigen blieb bei Hegen, dem Chef.

Warum hielt das nicht bis in alle Ewigkeit?

Kramer     DSC02903-001mosaik

Laut Thomas Kramers „Mosaik-Fan-Buch“ Teil 2 von 94 und der gerade erschienenen Hegen-Biografie „die 3 Leben des joHANNES HEGENbarth“ setzt sich bei mir folgendes Bild zusammen:

„Einerseits machten sich am Ende der Amerika-Serie Abnutzungserscheinungen bemerkbar.“ (Hegen).

Das kann ich bestätigen. Etwa ab der 193. Ich erwartete das jeweilige neue Heft nicht mehr so dringend wie früher. Das Schiffsrennen, die Goldsuche, der Kampf gegen den bösen Prediger Coffins, das alles blieb den Lesern präsent. Nach Coffins Tod (Heft 192) jedoch schien die Luft raus, aber die Geschichte war noch nicht zu Ende. Die Flibustier-Episoden muss man nachschlagen. Sie prägen sich nicht ein. Die Einfälle sprudelten nicht mehr so, wie bisher. Mag sein, dass in meinem Fall auch das Alter zu schlug. Mit 15 hat man andere Augenreize als eine Bildergeschichte. Man baut auch keine Schaufelrad-Dampfer mehr mit PeBe-Steinen nach.

Andererseits kamen Zermürbungserscheinungen hinzu: Hegen hatte über die Jahre zahlreiche Erweiterungsideen umsetzen wollen:

– MOSAIK-Bücher, die nicht nur die bereits erschienen Hefte umfassen, sondern Nebenstränge der Handlung weiterführen;
– Posterverkauf,
– Puzzle-Spiele mit MOSAIK-Motiven,
– Trickfilmideen anschieben,
– für ein größeres Heftformat kämpfen
– die Digedags als Spielzeugfiguren anbieten,

Aus all dem wurde nichts.

Schließlich deutete sich Ende 1973 ein größerer Druckerei-Umbruch an, der eine Qualitätsminderung der Hefte mit sich bringen würde:
– rationellere Ausnutzung der großformatigen Papierbögen hätte eine Kürzung des Heftumfangs auf 20 Seiten bedeutet.
– die Verwendung eines anderen Druckverfahrens beeinträchtigte die Wirkung der Farben
– das ohnehin holzig minderwertige Papier hätte somit die neuen Hefte bereits alt aussehen lassen.

Hegen wollte kämpfen und mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen:
– nur noch 6 Hefte pro Jahr; dadurch mehr Entwicklungszeit und bessere Ideen;
– größeres Heftformat oder eben mehr Seiten, dadurch bessere Konfliktgestaltung.

Oder aber: Ende des MOSAIKs und damit ein Umsatzausfall von 280 000 Heften, bisher monatlich sicher einplanbar. Das erkläre dann mal jemand bei der Jahresendrechenschaftslegung!

Er glaubt, die stabilen Umsatzzahlen sprächen für ihn. Er glaubt, dass sein Kollektiv hinter ihm stünde. Und er muss erleben, dass dies nicht der Fall ist. Die ganze Mannschaft zieht ohne Vorwarnung Knall und Fall aus dem Hegen-Büro um in die Hauptzentrale der „Jungen Welt“ und arbeitet unter Drägers Leitung weiter – an den Abrafaxen. Hegen und seine Frau sind draußen.

Er klagt sofort, als er das erste Abrafax-Heft in Händen hält: Das Heft heißt weiterhin MOSAIK. Es sind wieder 3 Kobolde auf dem Weg durch Raum und Zeit. Wieder haben sie 3 verschiedene Haarfarben und meistens einen 4ten größeren Begleiter, den sie aus allerlei Gefahren heraushauen müssen… VERRAT! … Plagiat!

NEIN! Sagt Dräger! Die Geschichten an sich waren ja immer schon meine Leistung, von den ersten zehn-zwölf Heften abgesehen. Ich verwende keine Hegen-Entwürfe. Der MOSAIK-Schriftzug ist ein anderer…

Warum war das Team nicht loyal?

Man muss sich die besonderen Verhältnisse der DDR vorstellen:
Das Hegen-Büro war eine individualistische Nische.
Sowas will man nicht verlieren, wenn man einmal Mitglied geworden ist und auf die 50 zuschreitet. Hätte Hegen wirklich frustriert hingeschmissen, wenn seinen Vorstellungen nicht entsprochen wird, wären sie alle als Mitverschwörer in „Sippenhaft“ gewesen. Er hatte einen Exklusiv-Vertrag. Sie waren seine Angestellten. Gehaltsempfänger. Der zivile Ungehorsam oder die „unsozialistische Uneinsichtigkeit in gegebene Notwendigkeiten“ wären ihnen beruflich zum Verhängnis geworden. Er hätte eine zeitweilige Berufsverbotsphase finanziell überstehen können. Sie nicht.

Wie im Falle des zeitgleichen Renft-Verbotes (die Band erlebte ihre Zwangsauflösung, einige Mitglieder durften solo weiter auftreten, andere verloren ihre Spielerlaubnis) hätten sie nicht zusammenbleiben dürfen, sondern wären auf alle möglichen Medien als Teilzeitkarikaturisten aufgeteilt worden oder aber als schlecht bezahlte Bühnenbildner an Provinztheatern geendet. Das Team war im Schnitt in den End40ern, wer will schon da noch so einen Neuanfang Widerwillen auf sich nehmen?

Wer aber erstmal einen Schritt der Selbstrettung gegangen ist, muss auch den zweiten tun:

Als der Plagiats-Prozess dann rollte, Hegen quasi einen Parteiverlag des organisierten Betrugs bezichtigte, mussten sie gegen ihren alten Chef aussagen:

Kapitalistische Methoden, privates Profitstreben, keine Gewinnbeteiligung seines Kollektivs, dem geforderten Bildungsauftrag nicht gewachsen, Verbreitung eines naiven Weltbildes…

Nackenschläge am Fließband. Er wollte nie wieder einen von ihnen sehen.

Zähneknirschend akzeptierte er einen „Vergleich“ zu sozialistischen Bedingungen.
Er behielt das Archiv und die Nutzungsrechte an seinen Heften, fand aber bis Mitte der 80er keinen Verlag in der DDR.

Die künstlerisch armseligen Jahre 1975-89 (das 3. Leben des Zeichners) werden in der oben genannten Biografie kaschiert und somit für den mitdenkenden Leser trotzdem nachfühlbar eindrucksvoll beschrieben und zusätzlich illustriert.

Hegen starb am 8.11.2014 – er hinterließ eine Legende und eine leider unvollendet gebliebene Biografie. Viele Fragen blieben offen…

Ein interessantes Forschungsreservoir für kommende Generationen von Literaturwissenschaftlern.

Comic-Zauber III (Querelen)

1992 und 94 erschienen die beiden „MOSAIK-Fan-Bücher“ von Thomas Kramer, voller ehrender Deutungsansätze und Hintergrundinformationen „behind the scenes“. Besonders Band 2 eröffnet die Büchse der Pandora, was alles nicht stimmte, hinter den Kulissen.
Hegen war all die Jahre unsichtbar geblieben. Keine Interviews, keine Fotos waren in Umlauf.
Das MOSAIK erschien regelmäßig – und so schien alles in Ordnung…
Erst 1994 wurde ruchbar, welch vertuschter Skandal da weiter schwelte.
Doch davon mehr in Teil IV.

Kramers Bücher sind eine wichtige erste Quelle für das Folgende. Aber sie nicht allein.
In das Jahr 94 fällt auch der Beginn der Veröffentlichung von limitierten Reprint-Mappen mit mal 12 mal 13 wiederveröffentlichen Heften. Darin auch ein Sonderheft anlässlich des 40.Geburtstages des Kultes. In diesem sind weitere Informationen über das ständige Gezerre zwischen dem Hegen-Team einerseits und „einer Welt von Feinden“ andererseits enthalten.

Richtig rund wurde mir die Darstellung dieses 20jährigen Kleinkrieges erst durch eine sehr informative MOSAIK-Wanderausstellung, die ich 2009 in Leipzig sah. Dort waren all die Eingaben, Denunziationen, Gerichtsurteile, Ernennungen und Absetzungen von Chefredakteuren, Ablehnungen von Zusatzprojekten und Merchandizing-Ideen einsehbar. Die schiere Fülle ließ die ebenfalls gezeigten Skizzen und Highlight-Panoramen diverser Hefte im Vergleich mit antiquarischen Original-Lithografien fast in den Hintergrund treten. Ich war verblüfft, entsetzt – und entschloss mich schließlich zu zynischer Erheiterung über diesen posthumen Beweis für die nun überstandene Engstirnigkeit dieses Gartenzwergsystems, das sich allen Ernstes 40 Jahre lang für den „Sieger der Geschichte“ hielt: Vorwärts immer! Rückwärts nimmer!

Dabei hatte alles so hoffnungsfroh begonnen:

Hannes Hegen betrat mit seiner Bewerbungsmappe das Büro des Buch-Verlages „Neues Leben“ im Sommer 1955, also im schmalen Zeitfenster zwischen 17. Juni 1953 und dem blutigen Sommer 1956 (Ungarnaufstand und Schauprozess gegen Harich und Janka in der DDR).
Mitten in der Phase des so genannten „Neuen Kurses“ nach Stalins Tod und ansatzweiser Selbstkritik der leitenden Organe auf Befehl der sowjetischen Kommandantur in Deutschland:

Neues muss her!
Nicht so zugeknöpft einfallslos wie bisher!
Verscherzt es euch nicht mit eurer Jugend!

Die einfallslosen Chargen des Zentralrates der FDJ hatten also Order, sich was einfallen zu lassen. Apparatschik! Erinnere dich an das Fremdwort Phantasie! Wie sollte das gehen? Und wie lange würde dieser Kurs anhalten? Und was würde aus den Mutigen, die sofort etwas wagen? Die gewollten Erneuerer von heute sind die angeblichen Abweichler von morgen!

Und da klopft Hannes Hegen an! Zur rechten Zeit am rechten Ort, so schien es.

Vierteljährlich soll ein 32seitiges A4 Heft erscheinen dürfen – für 95 Pfennige.

Es erscheint die Nr.1 und ist sofort vergriffen. Den Folgenummern ergeht es ähnlich. Den bösen West-Comics tritt eine anständige, pädagogisch wertvolle sozialistisch-unamerikanische Bildergeschichte entgegen, so heißt es offiziell.
Der Verlag wird bombardiert mit Nachfragen nach Nachdrucken, die er nicht organisiert bekommt. Er ist Buchverlag mit eng bemessenem Papierkontingent. Hegen wird nahe gelegt, zum Verlag der „Jungen Welt“, einem Zeitungsverlag der FDJ zu wechseln.
Ab Heft 8 hat das Heft nun nur noch 24 Seiten, darf aber monatlich für 60 Pfennige erscheinen. Die Auflage wird Schritt für Schritt erhöht, bis sie bei 280 000 einfriert: Planwirtschaft! Das Papierkontingent ist auch hier endlich!
Klingt nach Erfolg, war aber knapp.

Die Lehrerzeitung bringt sich in Stellung und avanciert in der Folgezeit zum Dauerfeind des Heftes. Ist es die traditionelle Humorlosigkeit der Berufsgruppe? Ist es ein lanciertes Stasiding? Man weiß es nicht.

In Heft 7 wird Schießpulver aus Schwefel und Salpeter hergestellt. (Die Digedags erleben gerade eine spannende Robinsonade.) In Thüringen gibt es einen Unfall Minderjähriger beim Nachahmen des Rezeptes. Ein Junge verliert 2 Finger und die Lehrerzeitung tobt! Grober Unfug mit gefährlichen Folgen! Sofort verbieten! Nur weil der schwerfällige Apparat sich zeitgleich zur monatlichen Erscheinungsform und Aufstockung der Auflage entschlossen hatte, unterblieb das schnelle Ende nach nur 7 Heften.m2-001digedags

Hegen sah sich auf Grund des Erfolges und der überstandenen Gefahr zu der Einsicht genötigt, dass er den weiteren Verlauf nicht würde alleine wuppen können: Ein Team musste her! Er inserierte, um gleichgesinnte Grafiker zu finden und schuf so ein etwa 20köpfiges Kollektiv.

Aber die Anfeindungen gingen weiter:

Heft 9-13: Die Digedags stoßen auf Insulaner; die gezeichneten Rihanna-Vorläuferinnen in ihren knappen Outfits geraten zu sexy! Das verdirbt unsere Jugend!

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Heft 13: Die Digedags geraten in einen Wirbelsturm auf hoher See, danach treffen sie auf eine Eisscholle voller Eisbären und Pinguine, die sie auf ihr Zirkusschiff evakuieren. Eisbären und Pinguine! Das Mosaik verdummt unsere Jugend!

Heft 18: Ein Fallschirmspringerangriff auf das alte Rom. Diesmal gibt es Krach VOR der Veröffentlichung. Die geöffneten Fallschirme erinnern in ihrer prähistorischen Form entfernt an den Bundesgeier des Klassenfeindes! Der obere Wulst muss beseitigt werden!

Heft 20-24: Eine Liebesgeschichte zwischen einer reichen Fabrikantentochter Olivia im Alten Rom und ihrem Sklaven Alfio, sollte man meinen, ist nahezu Klassenschranken niederreißend revolutionär! Obendrein mündet sie in einen Fischeraufstand auf Malta! Eine Revolution! Wieder falsch: Olivia und ihre Freundinnen (Heft 21) sind schon wieder zu sexy, die römische Geschichte korrespondiert mit den Sandalen-Filmen des Klassenfeindes, die gerade on vogue sind. Während doch Sputnik für die Überlegenheit des sozialistischen Weltsystems gesorgt hat! Wieso reagiert das MOSAIK nicht auf diese Bahnbrechende Errungenschaft? Hegen und Dräger müssen retten, was zu retten ist: Die Digedags müssen irgendwie vom Alten Rom ins Weltall und zwar schnell!m6-005digedags

Heft 25 ist deshalb eine Meisterleistung. Die Digedags brechen von der Siegesfeier auf Malta mit dem römischen Gelehrten Sinus Tangentus auf in die Sahara, weil sie meinen, dass dort eine Sternschnuppe oder ein Komet niedergegangen sei. Als sie ankommen, handelt es sich um eine Rakete vom Neos. Sie werden ins All entführt und somit für die nächsten Hefte in die gegenwärtigen Verhältnisse des gaaaanz Kalten Krieges; da es auf dem Neos nur 2 Staaten gibt: Das böse Großneonische Reich und die liebe Neonische Demokratische Republik. Die Digedags lernen Staudammprojekte kennen, entdecken ein neues Leichtmetall – Digedanium – aus dem eine Passagiermaschine gebaut werden soll – ganz wie in Ulbrichts DDR zu Beginn der 60er…

Dem Verlag ist das trotzdem alles nicht genug Sozialismus.
Der böse Spion des Großneonischen Reiches Mac Gips sieht aus wie eine Adenauer-Karikatur. Reicht nicht.

Die 30er Hefte: „Die Wissenschaftler und Professoren Schlick und Schluck werden zu fachidiotisch weltfremd – gar trottelig dargestellt!“, findet wiedereinmal die Lehrerzeitung. Verbieten!

Heft 37 sollte das letzte Heft werden. Danach sollte „Sturmvogel“, eine Jugendzeitschrift mit klassenkämpferisch eindeutigen Abenteuern aus den Tagen der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution bzw. des antifaschistischen Widerstandskampfes, die Ideale unserer Jugend stärken! So!

Es kam anders. Gott sei Dank! Die Probehefte des „Sturmvogels“ waren dann selbst dem Zentralrat der FDJ zu öde. Auch dem treudoofsten Apparatschik ging schließlich auf, dass sich damit keine 280 000 Stück würden absetzen lassen.
Hegen hatte bereits eine provokante letzte Titelseite gezeichnet, die nun doch nicht gebraucht wurde. Sie wandert ins Archiv und erblickt das Licht der Öffentlichkeit erst 1994 im Sonderheft der Reprintmappe der ersten 13 Hefte. Wer diese verpasst hat, findet sie in den „3 Leben des Zeichners joHANNES HEGENbarth“ von 2015 ebenfalls. Hier statt dessen die Version des tatsächlich veröffentlichten Heftes.:m7-006digedags

Von Heft 38 bis 89 geht das nun so weiter. Quartalsentwürfe müssen vorgelegt werden. Sie lesen sich stets klassenkämpferisch und finden sich doch in den tatsächlich erscheinenden Heften kaum wieder. Die Obrigkeit bleibt somit latent verärgert, die Leserschaft jedoch zufrieden, was dem Umsatz und somit der Planerfüllung dient.

André Herzberg, der verdienstvolle Frontmann DER Provokations-Band der 80er Jahre „Pankow“, schrieb eine melancholisch schöne Rückschau auf SEINE Digedag-Erlebnisse irgendwann in den Nuller Jahren und betitelte das Werk treffend kurz
wie immer „MOSAIK“.

Dirk Zöllner, Frontmann des ständig variierenden Ensembles „Die Zöllner“, veröffentlichte einige Jahre später seine sehr unterhaltsam zu lesende Autobiografie „Die fernen Inseln des Glücks“. Darinnen eine längere MOSAIK-Passage. Sie liest sich wie eine Art Danksagung an die 3 Kobolde, die ihn lehrten, dass man auch abseits ausgetretener Pfade etwas werden kann.

Wir alle, die Generation der zwischen 1950 und 70 geborenen Ossis, kommen nicht drum rum, DANKE zu sagen, dass so was, wie das MOSAIK, in der DDR so lange möglich war.

Herzbergzöllner

Comic-Zauber II (Runkel-Deutungen)

Comic ist nicht gleich Comic, denn die einen sind nur bunt und die andern sind verkopft. Beides zusammen ist schwer zu haben. Seyfried konnte so was, bevor er Schriftsteller wurde.
Asterix schafft es – in seinen guten Momenten. Aber nicht durchgängig.
„Die Abenteuer aus der Elfenwelt“ der Pinis stürzten aus empfehlenswerter philosophischer Höhe nach knapp 40 Heften als „Elf Quest“ in den typisch amerikanischen Endzeit-Ghetto-Thrillermist.

Das MOSAIK blieb 223 Hefte lang toll. Die letzten 12 „Heimkehr“-Hefte sind Abklatsch der 130er. Seis drum. Das tut der Legende keinen Abbruch. Das jähe Ende im Sommer 1975 war ein Schock. Die ersten Jahrgänge der darauffolgenden Abrafaxe wurden verachtet.

Die Zensur, der ständige Vorwurf fehlender Parteilichkeit und zu geringer erzieherischer Inhalte führte zu immer neuen Finten, dem drohenden Verbot bzw. der Degradierung als 2- oder 3-seitige FRÖSI-Beilage zu entgehen. Zensur zwingt die einen zu Qualitätsverzicht – andere stachelt sie an zu Höchstleistungen.
Beim MOSAIK war fast immer letzteres der Fall.

Der Höhepunkt sind die Hefte 90-151 – die Runkel-Serie.

Zuvor war man immer wieder mit Episoden über naturwissenschaftliche Denker und Erfinder am Rande der staatlichen Ungnade gesegelt, drum wählte man für rund 60 Hefte schließlich das 13.Jahrhundert, um Forderungen nach Darstellung der Arbeiterbewegung zu entgehen. Außerdem schickte man Ritter Runkel von Rübenstein in den Orient, um einen Schatz zu suchen. Damit war er weit genug entfernt von zeittypischem territorialem Erbfolgekleinkrieg und Fragen nach der deutschen Einheit.

Die Wahl war äußerst geschickt und ist Lothar Drägers Verdienst, der zum Stab der Redaktion gehörte und für die Plots zuständig war. Wer kennt sich schon aus in oströmischer Geschichte? Man müsste jeden einzelnen Fakt nachschlagen, um dem Team historische Unrichtigkeiten nachzuweisen. Man findet die Fakten jedoch nicht einfach so in einem handelsüblichen Lexikon. Deshalb konnte Dräger auf allgemeinmenschliche Bequemlichkeit seitens der Bonzen rechnen und erschloss sich somit „Narrenfreiheit“, die sicherheitshalber durch einen wachsenden Fundus antiquarischer Bücher als Fakten-und Bildquell gedeckt war.

Wer weiß schon zu Ostzeiten, dass das untergehende Byzanz seinen Machtanspruch an das alte Russland übertrug? Dass somit Byzanz als Chiffre für Sowjetunion gelesen werden konnte? Kleine Grundschüler merkten das zwar nicht, aber ihre Vatis beim Vorlesen. Somit war das MOSAIK allzeit ein Heft für jung und alt! Die allmonatlichen Ausgaben von 280 000 Stück waren immer zuwenig. Die 80 000 Abonnement-Plätze wurden VERERBT!

Kaiser Andronikos gab es wirklich. Aber der Name passt wie die Faust aufs Auge: Der ständig Drohende (und vieles Versprechende), der aber nichts- oder ständig das Falsche tut. Der ständig den Kurs wechselt. Der unüberlegte Militäreinsätze ansetzt. Der im Reich alles verkommen lässt und Schulden machen muss. Ein Chrustschow? Ein Ulbricht?
Ein Volltreffer auch der Chor der Schmeichler:

„Wer ist die Krone, die immer noch leuchtet, auch wenn sie drum rum mit Wasser befeuchtet! Du, Kaiser, du!“

Und der prompt in Ungnade fällt, als er einmal die Zeichen der Zeit nicht erkennt und in unpassender Situation das falsche Lied anstimmt. Prompt finden sich die verweichlichten Bönzchen in der Armee wieder, wo sie mit der antrainierten Schleimerei versuchen den Centurio (den Spieß) milde zu stimmen.

Hegen war gerade volljährig, als der Gröfaz den II.Weltkrieg vom Zaune brach. Er war somit militärisch ein „gebranntes Kind“. Dräger ebenfalls. Militär wird in allen Serien genüsslich durch den Kakao gezogen: Die Namen der byzantinischen Generäle sprechen überdeutlich: Barras, Kapitulantes, Katastropholes, Schikanes…
Der Centurio (mit Löwenstimme) entpuppt sich laufend als das großmäulige Weichei und die perfekte Feldwebelkarikatur in aller Herren Heere.
Der Strategos (ein abgehalfterter Ortskommandant in der Gestalt eines missratenen tapferen Schneiderleins) und er werden schließlich zu Gefangenen von Suleikas Vater und müssen, um der Bastonade und schwerer Strafarbeit zu entgehen, konvertieren, um dann als Muselmänner nach Mekka zu pilgern.

Man merkt spätestens hier, wie zeitlos aktuell und immer wieder neu interpretierbar eine Geschichte wird, die in den 60er Jahren hinter der Mauer entstand!
Kinder der 60er, wie ich, lernten spielerisch Oralhistory zu interpretieren (Brechts Gedicht „Fragen eines lesenden Arbeiters“ kam uns erst später im Lesebuch vor Augen und baute auf Hannes Hegens/Lothar Drägers Vorleistung auf):

Runkels Vater fälscht seine Erinnerungen an das Morgenland und schickt seinen Sohn los, einen Schatz zu suchen, der dort zurückgelassen werden musste. Als Runkel vor Ort ist, entpuppt er sich als eine kleine „Flüchekasse“ mit ein bisschen Klimpergeld. (Heft 130)

Als die Digedags auf einem Kasernenhof in Konstantinopel eine Bildsäule ersteigen (Heft 121), die die Heldentaten eines Generals Kommissos verewigen sollte, die so niemals stattgefunden haben, lesen sie zwar immer zunächst die Bilder, so wie sie dargestellt sind; da sie aber ihren verschollenen Gefährten Digedag unter den dargestellten Nebenfiguren entdeckt haben, interpretieren sie die steinerne Lügengeschichte um und vermuten eigenständig, wie sich der dargestellte Vorfall vermutlich richtiger abgespielt hat. Digedag durfte nicht oben auf der Säule stehen. Er war ja nur einer aus dem Volk. Also schanzt man seinen Einfallsreichtum einem alten dicken (und inzwischen unfähigen) General zu, der nichts dafür getan hat, außer alter General zu sein.

General oder Generalissimus?
Stalingrad gilt als Stalins Sieg. Aber Shukow trug die Verantwortung.
Tannenberg wurde von Ludendorff geplant und gewonnen, aber Hindenburg wurde Kult.
Generäle kommen zu Orden, weit hinter der Front (im MOSAIK unter dem Sonnenschirm, weit weg von der belagerten Burg), in der Realität in der Wolfsschanze, in Spa im Luxushotel … der „kleine Lanzer“ liegt vor Ort im Dreck und muss Überlebensstrategien entwickeln.
Heft 121 nimmt Flashman vorweg!

Da Runkel nun keinen Schatz gefunden hat, zieht er mit den Digedags weiter herum in dieser Hindukusch-Area. Schließlich werden sie zwangsweise zu Perlentauchern (ab Heft 135). Hegen ist Sudete und stammt aus einer alten Glasmacher-Dynastie. Die Glasmacher Nordböhmens im k.u.k. Reich Habsburgs waren die Glasperlenerzeuger für die Kolonien der anderen Staaten. Kein Wunder also, dass seine familiären Glasperlen-Erfahrungen an geeigneter Stelle einflossen.

Überraschender ist eher der Begleitumstand, dass 10 Jahre später 1978 die Puhdys ihr „Perlenfischer“-Album auf den Markt brachten. Nach der „Jodelkuh Lotte“(aus Heft 19) auf ihrem Zweitling von 1974, ihre zweite und deutlich bessere Reminiszenz an das MOSAIK.

Die Digedags waren da schon Geschichte. Hannes Hegen hatte 1975 hingeschmissen. Schach matt unter zweifelhaften Umständen.

Comic-Zauber I (Mosaik)

Weihnachten 2015.
In der Adventszeit – Geschenkeeinkaufstour wie immer. Im Buchladen in der alten Heimat, unweit vom Kinoabriss, stehe ich plötzlich und unvorbereitet vor dem hier:

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Man kaufts, lässt es eingeschweißt bis Heiligabend, legts mit unter den Baum und dann — nimmt man es in die Hand und noch vor dem aus der Folie schälen, überfallen einen die eigenen Erinnerungen.

Plötzlich bin ich wieder 5 oder 6 Jahre alt und darf im Ehebett einschlafen. Abendstimmung im Gründerzeitbau. Im Wohnzimmer nebenan ist Stille. Mutti arbeitet dort ohne Musik. Wenn Vater aus dem Herrenzimmer zur Toilette stampft, lässt er manchmal die Tür auf und ich höre die Tagesschaufanfare oder die Köpke-Stimme, ohne zu wissen, dass es zweierlei Sender gibt. Aber heute ist alles anders. Es ist Sommer und noch leidlich hell und auf Vaters Nachtisch liegen 4 Hefte: Runkel, Suleika und die Digedags!
Orrrrh!
Es war einmal das MOSAIK.

(Moment! Das gibt’s doch noch monatlich und im Osten verkauft es sich noch immer ganz ordentlich!
Mag sein. Aber das, was da an den Kiosken liegt, sind die Abrafaxe. Seit 1975 unterwegs. Die meine ich nicht. Mir geht es um das RICHTIGE MOSAIK. Es kann nur EINES geben. Das von Hannes Hegen! Mit den Digedags!)

1955-1975. 20 Jahre, in denen eine Legende erschaffen und durchgehalten wurde, die doch die Erzeuger trotz alledem nicht froh werden ließ…

1966, also genau in der Mitte jener Epoche, werde ich in diesen Strudel gezogen. Heft 115 und 116 liegen geraume Zeit im Zeitungsständer und sind mir mal vorgelesen, mal in Kurzversion vorerzählt worden – so oft, dass ich seitenlange Passagen so aufsagen kann, dass der Eindruck entsteht, ich könne lesen. Ich bin aber erst 6.

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Hauptinhalt ist die Rettung der Suleika, vor dem grässlichen Schicksal, wider Willen byzantinische Kaiserin werden zu müssen. Die Digedags ermöglichen stattdessen ihre erfolgreiche Flucht mit ihrem Verlobten Janos. Hoch spannend, weil dabei auch die Teufelsbrüder, eine trottelige Seeräuberbande, eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Sie tragen lustige Namen: Kraken-Zahn, Enterhaken-Ali, Tigerhai und selbstverfreilich führt das Nachfragen meinerseits via Erklärungen der jeweiligen Vorleser zu Wissenserweiterung. Enterhaken kannte ich lange bevor ich den „Tiger der 7 Meere“ im Kino sah.

Comics sind zum Sammeln da. Ich wusste es nicht. Die Eltern hatten andere Zeitschriften abonniert und hingen zu jener Zeit wohl noch dem Verdikt an, Bilderheftchen sind lustig, aber Schund. Wer zuviel davon konsumiert, ist für den geordneten Arbeitsprozess später verloren. Die Phantasie wuchert krankhaft aus. Die Triebe werden überreizt. Das endet im „Knast“, bei Haferflocken und Brennnesselsuppe! Andererseits war das hier „Schund“ aus dem Junge Welt Verlag! Das musste doch der Staat genehmigt haben! Das Vorurteil begann zu wanken.

Nun ja. An der Phantasiebefeuerung war allerhand dran! Wenn ich es mir recht überlege, dann war Suleika tatsächlich meine erste Traumfrau.
Ich hätte mir sogar vorstellen können, mit ihr klaglos Schokolade zu teilen! Mit Connie und Udo geschah das stets unter Protest.

Eines schönen Sommerabends also genieße ich DAS Privileg außer der Reihe: Nach dem Sandmann in den Ehebetten einschlafen zu dürfen und da lagen nun eben jene 4 MOSAIKS auf Vaters Nachtschränkchen! Es waren die Nummern 111-114, also die Vorgeschichte der spannenden Verfolgungsjagd. Ich glotzte mich fest und wurde erwischt: „Du schläfst ja noch nicht!“
„Guck mal hier! Noch mehr Runkel-Geschichten!“
„Die sind nicht uns’re. Die hat Vati nur geborgt.“
„Kannst du mir die schnell vorlesen?“
„Gleich alle 4? Jetzt nicht mehr. Morgen ist auch noch ein Tag. Und jetzt rüber in dein Bett. Nun musst du doch dort einschlafen!“
„Ooooch.“

Das mit der Borgung war so eine Sache. Vermutlich nur Ausrede oder aber nachträglicher Erwerb. Die Hefte blieben. Die 112 war meine Lieblingsnummer. Die Digedags werden dort aus einer misslichen Gefangenschaft befreit und verwandeln sich in die Prinzen von Makkaronien, die angeblich von einem König Petersilius ausgesandt worden waren, der in Kloßburg wohnte und Nudelonien regierte – gleich an der Grenze zu Brühistan! Da braucht es keine Nachfragen! Das verstehste auch mit 5!
Zudem gab es in der Nummer jenes Bild, worin Dig ein Schaf umarmt. Das fand ich soooo süüüüß, dass es dem Heft zum Verhängnis wurde.DSC02918-011mosaik

Ich hatte mich mal wieder festgeglotzt, aber Mutti wollte mich irgendwo mit hinschleifen und ich sollte aus diesem Grund schnell einen ganz bestimmten „chicen“ Pullover anziehen. Von Oma gestrickt – und kratzig wie Hölle! (Okay, diese Floskel gab’s noch nicht.)
Ich hielt es unbekannterweise mit Gandhi und reagierte nicht. Geistig befand ich mich gerade im mittelalterlichen Konstantinopel inmitten einer Schafherde mit Dig und Dag. Ich war also seeeehr weit fort – als ich zum Opfer elterlicher Willkür wurde. Gegen mütterlichen Absolutismus war kein Kraut gewachsen:
„Jetzt hab ich genug! Her jetz’!“
Das Heft wurde meinen Händen entrissen, zerfetzt und im angeheizten, aber noch nicht „zu gemachten“ Kachelofen Feuerbestattet. Für alle Zeit.

Oder jedenfalls für sehr-sehr lange. Denn:
Obwohl nun die Sammelleidenschaft erweckt worden war; ich in der 2. Klasse noch die 108 und 109 erkaupeln konnte, Zeitchen später gar die seltene 110 – in der Sammlung klaffte eine Lücke: Die 112!

Die Jahre vergingen. Die Sammlung vervollständigte sich wider aller Hoffnung auch ganz beträchtlich nach vorn. Zerlesenste Ruinenexemplare wurden erkauft, erkaupelt, (aus 2 mach 1)restauriert, … unsinnigerweise zuerst mit Klebeband, dessen Leimsäure das Papier durchfaulen ließ. Also Zweitrestauration nötig oder Zweitanschaffung, wenn sich Gelegenheit bot. Die rettende Idee, den geschundenen Heften Dauer zu verleihen war schließlich: Binden lassen!
Die 112 fehlte. Runkel Band 2 konnte somit noch immer nicht gebunden werden!

Mitte der 80er endlich ein Flohmarktfund: Ein lieblos gebundenes Buch eines resignierten Sammlers, der trotz Lücken zusammengepappt hatte, was so eigentlich nicht zusammengehört, fiel mir in die Hände. Kaufen, sauber auseinander schneiden, die 112 der eigenen Sammlung einverleiben, die Jagd schien beendet…
Von nun an fehlten nur noch Heft 1 und 11 – und die hatten ungefähr den Wert der Blauen Mauritius. Falls dir die mal jemand zeigt, will er einen Trabbi dafür – oder gleich einen Genex-Golf.
Ich besaß 88 der ersten 90 Hefte und wollte sie unter dem Titel „Die Digedags in alten Zeiten“ binden lassen. Aber Vater ließ den ersten Band (Heft 1-12) nicht zu. „Man weiß ja nie.“

Und es begab sich zu einer Zeit, als die Mauern von Berlinicho herniederstürzten, die Menschen sich in den Armen lagen und erneut beschlossen, ums goldene Kalb zu tanzen, dass der Satan gleißend Währung unters Volk warf und Bludgeons jüngerer Bruder nach Hannover fuhr.
Dort entdeckte er ein Comicantiquariat in dem in teuflischer Verführungskunst für eben dieses neue Geld, jenes gesuchte alte Comic-Manna zu haben war. Doch – o weh! Zu welch einem Preis! Eine Liste zählte zu den Mitbringseln jener ersten Hannovertour:

Die „11“ in Kioskqualität irgendwo im niederen dreistelligen Bereich.
Qualität 2, „used, aber nicht zerfleddert und vollständig“ für 80.- DM;
die „1“ in Kioskqualität für 1150.-DM, Qualitätsstufe zwo 770.- DM, … endend bei Q-Stufe 5 oder 6 unvollständig, mit zerfledderten Seitenrändern ohne Vorder- und Rückseite für 60.- DM. Adieu Vollständigkeitsträume.

Dann kam Weihnachten 1990. Das Jahr der Aufholkäufe ging zu Ende. Da waren plötzlich Platten da, von deren Besitz man nie zu träumen wagte, Bessyhefte in Reminiszenz an alte Gier von gestern (nur ein paar), Karl May Lücken geschlossen – und: Ich glaubte den absoluten Kohutek der Wunscherfüllung beisteuern zu können! Vater hatte sich ein Videogerät geleistet und früher mal von verschollenen Filmen seiner Jugendzeit geschwärmt. Ich hatte mir einige Titel davon gemerkt und nun einen solchen auf VHS aufgetrieben! Die Bescherung kommt und Vater wickelt aus – und reißt die Augen auf und strahlt mich an: „Von dir?! Danke. — Dass ich DEN noch mal zu sehen kriege! Den müssmer nachher gleich gucken!“

Aber er hat ein Ass im Ärmel, denn auch ich wickle nun was aus und halte in Händen: „Die Digedags in alten Zeiten“ Band 1!
„Ui! Habtter zusamm’gelegt für die 11?“ strahle ich Vater und Bruder an.
„Guck erstma’ rein“, grinst Bruderherz zurück.
Und ich schlags auf und mich trifft der Schlag: Heft 1 !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

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„Seit ihr noch zu retten?“
„Vorne leicht kaputt und hinten sind 2 Seiten nur Farbkopie. War preiswert.“

Die Preisliste wurde mir nie wieder gezeigt. Ich kann nur raten.
Aber Happyend.

Für mich.

Erst ab 1994 kam stückweise ans Licht, an wie vielen Fronten Monat für Monat in der Redaktion gekämpft werden musste, damit 20 Jahre lang das erzeugt werden konnte, was das Beste an der DDR sein und bleiben wird: Das MOSAIK von Hannes Hegen!