oder: Der Vater der Worte
oder: Karl May (VI)
Der Vater der Worte ist ein Leben lang auf den Spuren des Siddih unterwegs. Wo immer Karl May einst weilte, da weilte auch er – rund 100 Jahre später. Oder einer seiner Mitstreiter vom kleinen feinen Club „Karl May in Leipzig“.
Er weiß, wann welche Magd den Meister einst verklagte; mit welcher ihm Kinderzeugung unterstellt wurde, warum dies aber nicht sein kann –
und dass er, der sich phasenweise für Old Shatterhand hielt, privat nur kleine Hunde hatte.
Diese und andere Geschichten erzählte Abu Alkalams Zeitschrift Club-Mitgliedern und Gleichgesinnten seit rund 30 Jahren. Was Mühe macht in der Akquise immer neuer Episoden und Legenden über den Radebeuler Alleskönner, der uns einst mit Pulverdampf und Lagerfeuergefahren versorgte, um Pioniernachmittage, verbracht bei dröger Bastelei und FDJ-Studienjahre vergessen zu helfen.
So begab sich der Abu an all die Orte, in denen Werke und Artikel des Meisters entstanden waren, in Archive, in denen noch immer die vielen Prozess-Akten schlummern, auf die Friedhöfe an die Gräber der Lehrer und Freunde des kleinen Großen und-und-und…
Als er – inshallah! – das In-dher-nedd durchquerte, gewahrte er eine Oase in der Reisende bei ihrer Rast alles das erzählen konnten, was zu Hause nicht mal ihr Friseur hätte hören wollen. Der Serdar dort, Bladd Sch’nn Walidu Alshaku, der Vater des Zweifels, brachte selbst den Zuhörern allerhand Kurioses über die Bücher Kara Ben Nemsis zu Gehör, so dass der Vater der Worte beschloss, eine dieser Geschichten daheim in sein Blatt aufzunehmen; denn trotz der großen räumlichen Entfernung erschien ihm jener Bladd Sch‘nn abn tabib mashia als ein irgendwie entfernter Bruder im Geiste.
So kam es, dass im September’20 wiederum ein Heft den Weg an die Krippen und Kamine der letzten aufrechten „edlen Wilden von ehemals“ seinen Weg fand. Voller Recherchen und Geschichten aus einer Zeit, da in Germanistan noch die Germanistanis lebten und im Orient die Wüstensöhne mit ihren Harems; da man unbeglotzt Indianerspiele betrieb, und noch keine alte Helikopter-Squaw dazwischenzankte, weil wir lieber schossen, statt uns beim Zwangs-Crepes-Backen und Mandala malen ihr verquastes Maharishi-Hippie-Geseier anzuhören und die Abenteuerlust austreiben zu lassen. Howgh!
Salam Aleikum!
Meinen letzten Karl May Roman habe vor mehr als 50 Jahren gelesen. Später rundete dann „Swallow, mein wackerer Mustang“ von Erich Loest meine persönliche Karl May Erfahrung ab und hinterliess weder offene Fragen noch sonst irgendein Vakuum.
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Glücklicher Schweizer. Kinderlesephase-Relikt und aus. Hier in Djörmeni hat der Rufmordskandal ihm eine professorale Anhängerschaft bis hin zur K-M-Gesellschaft beschert. Dadurch ist er neben Goethe und Fontane im Erforschungshimmel angekommen.
In der DDR kam die ganz besondere Lage von anfänglicher Verteufelung, anschließender Totschweigung und schließlicher Lobpreisung als Friedenskämpfer hinzu.
Zwar war er nicht direkt verboten, aber eben „nicht erwünscht“ – und das ließ die alten Restexemplare, die sich noch in Umlauf befanden, zu etwas ganz begehrtem, nahezu zur Ersatzreligion, werden.
By the way sind auch abseits von Winnetou und Old Shatterhand, die im Zuge der US-Western der 50er und 60er Jahre ihr Revival feierten, die anderen vergesseneren Sachen die interessanteren.
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Nun, wie gesagt, meine Karl May Zeiten sind längst vorbei. Ich habe ich mich auch mal an „Das Buschgespenst“ versucht, das bei uns zu Hause noch jungfräulich im Regal stand, während die Winnetou- und Kara Ben Nemsi-Bände längst kräftig abgegriffen waren. Und die Geschichte von der Schmugglerbande im Erzgebirge hat mich dann so beeindruckt, dass ich sie teilweise noch mit Taschenlampe unter der Bettdecke las.
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„Das Buschgespenst“ wurde in der DDR in den 80ern auch verfilmt. Mit Rolf Ludwig in der Hauptrolle. Hab ich als interessant in Erinnerung. Das Buch mochte ich auch. Die Fortsetzung „Der Fremde aus Indien“ hab ich allerdings nicht durchgehalten. Damals in den Mit80ern, als bei uns die Erlaubniswelle einsetzte. Da war ich wohl vorübergehend übersättigt.
Von „Ich“, der Autobiografie war ich fasziniert. Da gibt es nu die Kontroverse, wieviel davon erfunden oder wenigstens stark übertrieben sein kann.
Christian Heermann schrieb die Biografie „Der Mann der Old Shatterhand war“ und nach der Wende „Old Shatterhand ritt nicht im Auftrag der Arbeiterklasse“ und in einem von beiden setzte er sich mit den Fakten aus „ich“ auseinander. Gelesen hat sich das Ganze jedenfalls sehr anrührend. Irgendeine Störung muss May sicher gehabt haben, dass er auch im Alter noch Realität und Wunschträume stark vermischte. Da sein Werdegang so detailiert breitgetreten wurde, erweckte er beispielhaft das Interesse bei mir, auch den Lebenswandel anderer Literaten zu durchforsten: Woher kam ihr Antrieb, so zu schreiben, wie sie schrieben? Da kommt man selbst beim langweiligen Fontane zu interessaten Vermutungen.
Meine May-Highlights in meiner Erinnerung sind die Rodrigandabände gewesen. Von Maximilian von Mexico („Der sterbende Kaiser“) usw. wusste ich bis dahin nichts.
Interessant war auch die Entdeckung, dass May für „Zepter und Hammer“ und „Juweleninsel“ stark bei Dumas und Stevenson geklaut hat. Und so fanden sich halt immerwieder interessante Kleinigkeiten, die das Interesse alle paar Jahre wiederbelebten.
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