Winnetou reloaded (Karl May III)

Festtagsprogramm 2016: Die Zeiten ändern sich. Das Gute bleibt?

Nicht ohne Gezeter. Helene Fischer vs. Winnetou. Wer würde zum Erdogan der Fernbedienung? Gelingt es der weiblichen Übermacht den Papa an den Computer-Katzentisch zum Streamen oder zeitversetztem Späterguck zu verdonnern? Wenn sein Blog doch heißt, wie er heißt und jene legendären grünen Bände bis heute das Wohnzimmer schmücken, entgegen allen modernistischen Entlibrisierungsversuchen der weiblichen Mehrheit?!

Quotentechnisch gewann die atemlose Schlagerdrossel deutschlandweit. Im Hause Bludgeon nicht.

In meinem nun 101. Post zum 3.Mal auf Karl May zusprechen zu kommen, ist anlässlich der Neuverfilmung gar kein schlechtes Thema, deucht mir.

Zu Weihnachten 2016, am 1. Weihnachtsfeiertag ereignete es sich, dass Winnetou und Old Shatterhand einen Moment lang wieder auferstanden.

Für eine neuerliche Indianer Renaissance besteht keine Hoffnung. Das begänne schon bei der Wortklauberei der politisch korrekten Benennung schwierig zu werden: Ich bin indigener Amerikaner! Du bist einwandernder, xenophober Mittelständler! Connie wird amtierende Häuptlingin und einer muss den schwulen Marshall spielen! … Das wäre dann zwar KiKa-sendefähig, würde aber keinen Spaß mehr machen. Außerdem besitzen all die dicken Kinder vor ihren Laptops und Tablets längst kein Huppe-Seil mehr, mit dem sie die Gefangenen an der Teppichstange fixieren könnten. Teppichstange? Hä? Wie spricht man das aus? Tippitschständschi? Und was war das mal früher? Alternativ existiert auch keine Wäscheleine mehr in Muttis Haushalt. Hier und da eventuell Kabelbinder unter den Ehebetten, aber um nachzusehen müsste man sich bücken, denn der geizige Weihnachtsmann hat wieder keine Drohne gebracht… Probleme ohne Ende.

Ich schweife ab. Zurück zu Karl May.

Es handelt sich um ein Wunder mit Ansage, denn Monate vorher bereits wurden zahlreiche PR-Register gezogen, damit dieser Reanimierungsversuch auch ja ausreichend vielen Leuten bewusst werde.

So erfuhr man immerhin davon, dass Philipp Stölzl als Regisseur seine Hand im Spiel hatte. Und der ist Kennern seit „Goethe!“ (2010) bestens bekannt. Der schaffte es damals, mir, als bekennendem Goetheverächter, eben jenen „Dichterfürsten“ auf menschliches Studentenmaß herunterzubrechen und somit näher zu bringen. Ich hätte diesem Film damals gern den Erfolg von „Fuck ju Göthe!“ gegönnt. Aber, tja. Die Mär vom „Volk der Dichter und der Denker“ wird trotzdem weiter überstrapaziert.

Wenn nun aber DER  Stölzl für DIESES Unterfangen zuständig ist, dann wird das was!

Und siehe da – es wurde!

Mays Vorlage wiederfuhr zwar eine weitere Umdrehung in der Modernisierungsmoulinette, das bekam ihr jedoch durchaus.

Ohne Henry-Stutzen, ohne Silberbüchse, ohne religiöse Bekehrungsgespräche, aber mit zwei Hauptdarstellern, die in ihre Rollen passen, drehte man da, wo die Winnetou-Film-Saga nun mal hingehört: an den altbekannten Drehorten in der Prärie Kroatiens; mit der beibehaltenen Böttcher-Musike, und mit reihenweise Zitaten aus den Indianer-Altverfilmungen Ost- und Westdeutschlands.

Gojko Mitic als Intschu-Tschuna; Apachen, die Lakota sprechen und mit Untertiteln übersetzt werden; Dakota-Kleidung und Dakota-Bestattungsriten stellen den Bezug zum unvergessenen Toka-ihto her oder schicken dich auf die “Spur des Falken“. Vorausgesetzt, du bist über 30 und Ossi.

Gojko, als alter Apachenhäuptling, verhandelt mit den Bleichgesichtern und erscheint dazu im großen Dakota-Häuptlingsputz. Eine ähnliche Szene gibt es mit dem jungen Gojko 1966 in „Söhne der großen Bärin“. Er bekommt wieder ein Glas Feuerwasser angeboten und schiebt es mit dem Handrücken auf die Seite. Die gleiche Geste wie 50 Jahre früher als junger Toka-ihto im Fort am Niobara. Sekunden später wird er am Verhandlungstisch erschossen; stirbt ein ruhmloses Ende, das den Sohn in die Rachespur setzt. Die Szene lässt hier die Erinnerung an Toka-ihtos Filmvater Matto Taupa anklingen. Ein Oscar würdiger Regie-Einfall: Nun selbst ergraut, schließt sich hier ein Lebenskreis: Die erste und die letzte Rolle. Einst rächte er. Nun lässt er rächen. Er gibt den Stafettenstab weiter an Nik Xhelilaj. Der neue Winnetou ist wiederum ein Balkanbewohner mit Superstar-Aura. Aber wir haben nicht mehr 1962. Für eine Serie von verfilmten Häuptlingsbiografien gibt es keinen Markt.

Die alten Winnetou-Verfilmungen waren extrem erfolgreich. Sie verkitschten zu ihrer Zeit den Stoff jedoch sehr in Richtung Heimatfilm-Sehgewohnheiten. Als Ossi-Zaungast jener Zeit war es mir vergönnt, durch die Gojko-Streifen geprägt zu sein, bevor ich mit ca. 15 Jahren um ‘75 herum erstmals den „Schatz im Silbersee“ im Westfernsehen sah. Ich war somit aus dem eigentlichen Zielgruppenalter raus und merkte mit dem geschärften Urteilsvermögen des Pubertierenden, dass „unsere Filme“ echter wirkten. Pierre Brice und Lex Barker wurden als West-Stars zwar hingenommen, die Shatterhand-Melodie blieb Hit, die Krone aber behielt allzeit Gojko Mitic. Auch unsere Schufte waren fieser: Allen voran Jiri Vrstala, Hanjo Hasse und Rolf Hoppe.

Die Haupthelden der Neuverfilmung entsprechen in angenehmer Form einer berichtigten Sicht auf den Wilden Westen. Die Schufte der Neuverfilmung schwächeln. Sie erhielten zu wenig Entfaltungsspielraum. So bleiben sie Abziehbildstrolche wie ihre Vorgänger in den Pierre Brice Filmen.

Trotzdem hat die neue Verfilmung eine ordentliche Schippe Realismus draufgepackt bekommen.

Sie ist 5fach für den Deutschen Fernsehpreis nominiert. Möge sie einige davon bekommen!

4 Gedanken zu “Winnetou reloaded (Karl May III)

  1. Vielen Dank für diese Besprechung … Ich habe die Neuverfilmung noch nicht gesehen, aber aufgenommen (weil ich mir Werbeblöcke bei RTl gerne erspare) … Bin aber auch schon wie ein Flitzebogen gespannt und habe bisher nur überwiegend positives gelesen … Sollte ich meine Vorbehalte gegenüber RTL aufgeben müssen … Fragen über Fragen … während mein Blick über die Prärie schweift …

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    • Jau, solltest du, denn Werbeblöcke waren nicht. Phänomen! Erst im darauffolgenden Dok-Film über den Winnetoumythos waren sie wieder. Das Privatenbashing ist aber auch Käse. RTL drehte seinerzeit auch die sehr gute Roy Black Bio mit dem damals noch unbekannten Walz in der Hauptrolle.

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  2. Jetzt, nachdem ich zumindest Teil 1 dieer Trilogie gesehen habe, kann ich mich überwiegend Deinen euphorischen Anmerkungen nur anschließen.

    Mir war´s teilweise zu langatmig (z.B. die Annäherung zwischen Winnetour und Old Shatterhand), aber das ist letztlich nur eine Marginalie.

    Verzichte ich mal auf meine kindlich-glühende Vereherung für Pierre Brice und Lex Barker (quasi bei Licht betrachtet), kommt man nicht umhin, dass diese Neu-Verfilmung doch erheblich mehr Substanz hatte …

    Mit großer Überraschung musste ich aber nun lesen, dass diese 3 Filme ein Quoten-Flop wurden (1. Folge: 5,06 Millionen Zuschauer, 2. Folge: 4,3 Millionen Zuschauer, 3. Folge: 2,97 Millionen Zuschauer)

    http://www.handelsblatt.com/unternehmen/it-medien/schlechte-quoten-rtl-landet-mit-winnetou-einen-flop/19192732.html

    Habe mich heute mal mit deutlich jüngeren Arbeitskollegen über „diesen Winnetou“ unterhalten … und ich staunte nicht schlecht, als sie mir erklärten, den „alten Winnetou“ doch besser zu finden.

    Dies e60er Jahre Constantin Film-Versionen kann ich mir heute schon auch noch anschauen … aber eher unter humoristischen Aspekten.

    Am Ende des ersten Films fragte mich dann meine Frau Gemahlin: „Muss ich mir die anderen auch anschauen“ … *seufz*.

    Stichwort „Privatenbashing“: Da bleibe ich schon dabei, mindestens 95% des Privatfernsehens ist für mich Mist (wenn sie nicht gerade einen Kinofilm zeigen)
    Aber ich bin ja auch ein begeisterter ARTE Seher.

    Gefällt 2 Personen

    • Kenn ich alles, das mit den ignoranten Kollegen/Bekannten (von früher her) und auch jene weibliche Abwehrreaktion – ächz. Abwink. War mit meinen Wei…Damen genau das Gleiche. Töchterlein hat dann immerhin noch den 1.Teil mitgeguckt und fand ihn „dann doch ganz gut“, aber vor Teil 2 und 3 sind se dann doch geflohen. Einsam saß der letzte deutsche Dakota vor der Glotze …. seufz.

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