Glosse 2

-oder: Die Lust am Eklat

Ab und an, zu später Stunde, wenn man als sympatischer Ossi unter West-Kollegen auf Ostlandfahrt wahrgenommen wurde, trauten sich diese nach dem Ablegen ihrer schulischen Alleskönner-Fassade aus ihrer verbarrikadierten Small-Talk-Bastei heraus mit den Fragen, die sie wirklich interessieren:

„Sag mal, wieso kriegen eigentlich die Grünen bei euch hier keinen Fuß auf die Erde?“

Die Bierseligkeit der Stunde verlockte mich – nach widernatürlichem längeren Schweigen aus zwanghaft diplomatischen Gründen- hin-und-wieder zu längerem Sermon, wobei ich deutliche Unterschiede in Ost-und West-Humor gewahrte.

Hier meine Antwort (angereichert durch ein ganz aktuelles Ereignis, das meine Theorie vollauf bestätigt):

www.welt.de/politik/ausland/article245193040/Bericht-Zurueckgegebene-Benin-Bronzen-in-Privatbesitz-gegeben-statt-ausgestellt.html

Der typische Weltretter-Wessi, also der gemeine* wessi lastenfahrradius ökologiensis, ist eine Folge-Erscheinung des hochentwickelten Kapitalismus der Hochlohn-Epoche. Sein Prototyp war zumeist ein Ex-Juso, der nicht verwinden konnte, wie Helmut Schmidt regierte. Er verfügte in der Regel über mehr Taschengeld als seine Altersgenossen des gemeinen* wessi normalikus proletariensis, kam früher und reichlicher ausgestattet als diese via Schallplatte mit Amerikanismus in Berührung und eignete sich deshalb stigmatisierende Sprachfehler an, die ihn von anderen absondern und in Ossi-Ohren persé lächerlich wirken lassen.

„Das macht Sinn.“ – von „it makes sense“.

„Helf mir mal.“ – von „help me!“

„Ess das! /Fress das!“ – „eat this!“

Er kam nicht 1967 in die Schule, sondern „es war in 1967, als er…“

Er bekommt nichts zu Weihnachten geschenkt, sondern „an“ Weihnachten… on Christmas.

Der wessi lastenfahrradius ökologiensis bindet keine Schlipse oder Fliegen um, er „zieht sie an“. Vom Amerikanischen mies übernommen: to wear a schlips. Dasselbe geschieht ihm mit Armbanduhren. Kopfbedeckungen setzt er nicht auf, sondern gleichfalls kommt hier der idiotische Terminus „anziehen“ in Betracht. (Hält er sich denn für magnetisch?) Er ist also stets bemüht, für einen Amerikaner gehalten zu werden, der zufällig in Deutschland lebt. In jedem zweiten Satz muss von New York oder L.A. geschwärmt werden, auch ohne dort gewesen zu sein! Ergänzt wird diese Haltung durch eine seltsame Scham für seine nationale Zugehörigkeit. Was wiederum aus seiner völlig überzogenen Gleichsetzung von „deutsch“ und „faschistisch“ resultiert. Wie man sieht: Sprachliche Defizite führen zu Denkdefiziten, die sich fortsetzen und in jungen Jahren gar in Parolen wie „Nie wieder Deutschland!“ manifestieren.

Der herkömmliche Ossi, also der gemeine* ossi maurotraumatikus honeckeriensis, prallt hier nun auf ein ganz großes Problem, da ihm in Mauerzeiten nichts sehnlicher erschien, als den „DDR-Bürger“ abzustreifen, sich endlich wieder unkompliziert „Deutscher“ nennen zu dürfen und im Ausland für die D-Mark feiern zu lassen.

„Nie wieder Deutschland!“ oder gar „Deutschland verrecke!“ bzw. in abgemilderter Form „Mit Deutschland kann ich nichts anfangen.“ sind für ihn das, was sie sind: Beweise für völlige Umnachtung, mithin vollkommenes, historisches Analphabetentum. Gleichzeitig wollen diese chronischen Geschichtsmasochisten trotzdem die Welt belehren wie die alten Preußen.

Wie konnte das im Westen soweit kommen?

Es handelt sich dabei um ein Resultat selektiven Zuhörens. Zwar wurden sie in ihrer gesamten Schulzeit damit bedonnert: „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen! – Das war die Parole der Welteroberer im I. und II. Weltkrieg! Damit soll Schluss sein! Nie wieder sollte…. Rhabarber-rhabarber…“ Da die Lehrer nach solchen Sätzen jedoch nie Schluss machten, um sie sacken zu lassen, mussten die Kleinen selber abschalten. Und das taten sie bereits beim Gedankenstrich, wachten bei „Nie wieder“ kurz nochmal auf und lebten fortan in dem Glauben, das müsse so sein.

Einzelne besonders widerstandsfähige Vertreter der wessi ökologensis lastenfahrradiie nabelten sich bei Zeiten zwar vom Elternhause weitestgehend gedanklich/rhetorisch ab, gingen aber mit Papas D-Mark auf Reisen. Diese begehrten Devisen jedoch, verbunden mit jenem unverdauten Spruch vom „deutschen Wesen“ erzeugten in ihrer Wahrnehmung den schicksalhaft falschen Eindruck, man sei von Freunden und stets hilfsbereiten Askaris umgeben. Also begannen sie sich zu verhalten wie Lettow-Vorbeck unter den seinen. Kameradschaftlich herablassendes gemeinsames Kiffen mit Eingeborenen hie und da, ansonsten jedoch die stete Erwartung, dass diese funktionieren wie gutgeschulte Home-Boys, die nach deutscher Belehrung gieren und für die eine oder andere fallengelassene D-Mark Dankbarkeit bezeigen.

Hier zeigt sich:

„Der Mann aus Alemannia“ hatte sich vorübergehend die Haare wachsen lassen oder grün gefärbt. Oder er war zur Frau geworden. Er -oder sie- schnallen bis heute nicht, dass die Welt WIRKLICH NICHT auf Ratschläge aus (West)Deutschland wartet, sondern lediglich aufs Geld und die Autos. Noch.

Meine Westkollegen mochten solcherlei Erklärung für gewöhnlich nicht. Viel lieber wollten sie ihrerseits uns Ossis erläutern, wie weit wir doch noch zurück sind und auf welch gehobener demokratischen Stufe SIE stehen. Nun ja.

Wenn ich dann konterte: „Weißt du eigentlich, dass nicht einmal 2% aller Deutschen Mitglied einer Partei sind.“ – tja; dann hatte ich meinen Spitznamen wiedermal zurecht.

Screenshot WELT online

Mit „Bullerbü in Afrika“ war’s wieder nüschd. Vielleicht hilft ja ein Anruf bei Pipi? Ihr Vater soll ja (jedenfalls laut Originalausgabe) „Negerkönig“ gewesen sein. Vielleicht kann der helfen?

Sternchenerklärung (für siehe oben)

* gemein – ist hier der in der Biologie gebräuchliche Terminus für „gewöhnlich“ bzw. „normal“, hat also keine beleidigende Absicht

20 Gedanken zu “Glosse 2

  1. Warum wir so sind wie wir sind: Ossis auf der einen und Wessis auf der anderen Seite zeigt ja so manche Glosse (so auch deine). Was uns fehlt ist vielleicht ein gemeinsamer Humor? Mitunter öfters: Die Fähigkeit über sich selbst zu lachen (und sich nicht immer so ernst zu nehmen). Diese Fähigkeit- so glaube ich – fehlt in Ost und West (Aber auch in Nord und Süd).
    Danke für die Glosse. – Ich habe mich in einigen Punkten ertappt gefühlt. Und das ist gut so.

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    • Yepp. Das Einschnappe-Gen scheint allseits gut vertreten zu sein. Hängt aber auch mit unbefriedigenden Alltagsabläufen zusammen, die man sich gewaltsam schönlügen muss, somit überstrapaziert man schnell seine Humorreserven; damit man sie erträgt. Wenn DIESE Last dann weg ist, dann erholt sich auch das eigene Humorlevel wieder. Seh ich jedenfalls an mir.
      Es überkommt einen so eine finale Nonchalance … die lässt einen nur noch grinsen und abwinken … und eben solche Glossen schreiben.

      Mal ehrlich: Bloggen hat meine Meinung über Wessis persé deutlich bessern können. Ich hatte seither Kontakt mit Leuten „von drühm“, die anderen Branchen angehörten als die meine war – und da zeigte sich, dass wir eben doch irgendwie zusammenpassen.

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  2. „Die Zeit“, „Süddeutsche“, Neue Zürcher“, „F.A.Z.“ (?) – nee die nicht…. Wäre ich in der Redaktion der vorgenannten Blätter, ich würde dich als Glossenschreiber in der Mannschaft engagieren wollen.

    Der Unterschied zwischen Massenwessi und Massenossi ist marginal. Der Traum vom Glück; Kinder, dies zu mehr bringen als man selbst; fügsame Partnerinnen/Partner; mehr Knete für alle Wünsche – all das eint uns über die gemeinsame Muttersprache über die verschiedenen Vaterländer hinweg. Bei der 2.0er Generation wirds wahrscheinlich selbst diese Unterschiede nicht mehr geben. Vermeidung von Anstrengungen, Muttis Taschengeld und Vatis Rechtsanwalt, bisschen chillen und abhängen und ääh weiss nicht – was meinstn du, ey???

    Gestern bei einem Oldtimertreffen. Ein Vogtländer, ein Thüringer und ein Hesse (moi-même). Wir unterhielten uns über dies &das. Dann über MZ. „Murks aus Zschopau“ so die Abkürzung für MZ im West-Jargon der 70er Jahre. Lies mal die alten Testberichte im „Motorrad“ der 60er und 70er Jahre – was für untaugliche Motorräder. Gelump, dass man bei Neckermann kauft. Zweckermann machts nötig, erinnerst Du Dich?
    Wir hatten nun alle die neueste Ausgabe „Oldtimer-Praxis“ vom April 2023 gelesen. Der grosse Ratgeber und Kaufberatung für MZ. Unn gugge da, meinte der Thüringer, jetzt ist es plötzliche der ideale Motorrad Klassiker für Einsteiger. Da siehste mal, wie kalter Krieg funktioniert. Wer machtn und wem nutzer?
    Wir lachten laut auf und prosteten uns zu.

    Das Lied von Reinhard Mey ist überaus realistisch. Und fast hätten beim Refrain die, die es am meisten betrifft, den Rhythmus mitgeklatscht.
    Und ich habe sie gesehen wenn ich Gäste abholte an den Flughäfen in Ecuador, in Tunesien oder in Montenegro. Die US_Amis erkennt man sofort an ihrer Lautstärke. Die Deutschen, Ossis wie Wessis, an ihrem Outfit. Möglichst noch im Partnerlook und ausgerüstet bis an die Zähne. Es geht ums Überleben in fremden Ländern. Jeder kennt Orte, absolute Geheimstipps, wo keine Touristen hinkommen. Die Umrechungsgtabelle im Kopf, dass sie kein Taxifahrer übers Ohr hauen kann. Und wenn der Bauer auf dem Markt für eine Flasche Selbstgebrannten 2,50€ verlangt, möglichst auf 1€ runterhandeln. Und anschliessend damit prahlen. (Alles und noch schlimmeres selbst erlebt).

    Die Unterschiede zwischen Ossis und Wessis zeigen sich bei den Exponenten beider Extreme. Das sind die Leute, die ihre jeweils niedrigen Selbstwerte oder vermeintlichen Nachteile durch die sogenannte Wiedervereinigung versuchen aufzumöbeln, indem sie die Vertreter der anderen Seite runtermachen. Da müssen dann Bewertungen herausgeholt werden, von denen Du welche vorgeführt hast.

    Die Frage, warum die Grünen im Osten politisch kein Land sehen, bleibt unbeantwortet. „Sprachliche Defizite führen zu Denkdefiziten, die sich fortsetzen“ ist ein alter Hut, der für beide Seiten gilt.
    Interessant wäre eine Untersuchung über temporäre Gefälle. Früher gab es im alten Deutschen Reich das Nord-Süd-Gefälle in Form von protestantisch vs. katholisch. Wirtschaftlich gab es eine gewisse Ost-West-Rivalität. Nach dem WKII gab es in der BRD ein wirtschaftliches Nord-Süd-Gefälle. Ein konfessionelles Gefälle nach 1945 ist mir unbekannt. Nach der sogenannten Wiedervereinigung gab es plötzlich wieder ein wirtschaftliches Ost-West-Gefälle mit den bekannten Auswüchsen.

    Meiner Erfahrung nach ist es förderlich, interessengeleitete Gespräche zu führen, nicht von West zu Ost oder von Ost zu West, sondern von Mensch zu Mensch.
    Spackos gibt es überall. Offene und interessierte Menschen sind in der Überzahl. Man findet und erkennt sie, wenn man sich nur ein wenig Mühe gibt.

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    • Jui, watt ne Fülle aba och! Danke erstmal für’s Einstiegskompliment.

      So wie mit der MZ verhielt es sich sicher auch mit den Tonbandgeräten B100 (Tesla). Die galten bei uns als robust und gut. Du schriebst neulich in einem Kommentar, dass die bei euch auch als Ostpfusch verschrien waren.

      Ja, Idioten gibt es überall. Ich beschrieb ja meine Schocktherapie unter denen von Prora reichlich. Also gibts die auch bei uns. Als mein Sandkastenkumpel Udo neulich mal beim Bierchen so dahinsprach: Ich schreib meine Memoiren. Heeßen wirdä „Von Idioten umzingelt“ – war ich flugs dabei „Band 2 mach ich!“

      1974 in Rumänien regten sich mehrere Osttouristen über 2 größenwahnsinnige Westpärchen auf, die sich aus ihrer Neckermann-Zone in „unser“ Arme-Touristen-Restaurant verlaufen hatten. Die wollten bestellen, wie sie es auf dem Balkan gewöhnt waren: „2 Bier 2 Rotwein fix-fix!“ und winkten mit den Scheinen. Allerdings bekamen sie Feuer von der Kellnerin „Hier nix fix-fix. Du warten!“ und diese wiederum reichlich Zuspruch von mehreren Tischen. (Und mein Erzeuger am deutlichsten und lautesten: „S ganze Jahr im Ruhrpott Margarine fressen und hier ehn of Lord Kacke machen!“ Ich feixe heute noch beim tippen! – Die 4 glotzten geschockt und waren fluchtartig wieder weg. Wir hatten unser Arme Leute Terrain verteidigt. – 1994 beim ersten Auslandsaufenthalt nach der Wende in Prag erlebte ich Ossis, die sich dank D-Mark nun genauso aufführten wie jene Pärchen.
      Geld verdirbt den Charakter, bzw. bringt den wahren Teil davon zum Vorschein.

      Ja, solche Kommentare stoßen Erinnerungslawinen an.

      Nur den letzten Satz glaub ich dir nicht: Das die Interessierten in der Überzahl sein sollen.
      Du setzt ja selbst nach: Man muss sie suchen. Eben. Weil sie selten sind.

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    • Mir ist nachträglich noch aufgefallen: In deiner Aufzählung territorialer Unterschiede fehlt die historische, ewige Ost-West-Abwanderung, die Binnenmigration der Landarbeiter in den Ruhrpott. Die lies den deutschen Osten zu allen Zeiten fähige Köpfe verlieren, weshalb sich auch die Adelsstrukturen hier länger und stabiler halten konnten als in West-Elbien.
      Wenn man das nun auf die Grünenproblematik beziehen wollte, käme man auf den Trugschluss: Ist es also pure Dummheit, dass im Osten nicht erkannt wird, wie gut die Grünen sind? – Glaubensfrage. Meiner Meinung nach, und mit den Entwicklungen der Kriegsgeilheit der jetzigen Grünen vor Augen, entpuppt sich das eher als ein Fall von Dekadenz. Die Vorstadtvillenbewohner, die Weltenretter, haben das politische Hemd gewechselt. Wendehälse. Gestern „konsequenter“ Pazifist, heute „konsequenter“ Bellizist in einem Konflikt, der sie/uns streng genommen gar nichts angeht.

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      • Naja, die erwähnte Ost-West-Abwanderung in den Ruhrpott setzte erst mit der Industrialisierung so richtig ein. Und da kamen die nachgeordneten Söhne, die Knechte. Und in deren Spuren entstand ein völlig neuer Beruf: die jungen Frauen wurden zu Perlen in den wohlhabenderen bürgerlichen Haushalten.
        Die abwandernde Intelligenz war zahlenmässig gering.
        Diese Wanderung ging gleichzeitig aber auch von Süden nach Nord-West.

        Ich würde diese Dauerhaftigkeit der Junkerklasse allenfalls randständig in diesem Kontext sehen. Es ist erstaunlich, dass Mecklenburg die erste sozialdemokratische Regierung gehabt hätte, wenn die schlauen Grossgrundbesitzer nach 1905(?) nicht hurtig das Wahlrecht geändert hätten.

        Binnenmigrationen gabs zu allen Zeiten. Und alle hatten ihre besonderen Umstände. Die Dönhoffs z.B. wanderten aus Westfalen an den Nordostrand bis nach Memel aus. Als Beispiel für die Wanderungsbewegungen des im Westen verarmten Adels.

        Die „Grünen“ diese FDP-ersatzpartei ist nicht mehr ernst zu nehmen. Wie hier an anderer Stelle kommentiert, war diese Partei für uns damals jungen Leute ein Hoffnungsschimmer. Wir traten in die Berufsmühlen ein, hatten kleine Kinder – und sich dann von Kohl verkohlen lassen? Die Niedergangspartei vom Wehrmachtsoffizier Schmidt aus HH? Die haben bis heute nicht recht bemerkt, dass es ihre ureigenste Klientel, die Arbeiter und kleinen Angestellten in einer Dienstleistungsgesellschaft nicht mehr in der Menge gibt, mit der man Wahlen gewinnen kann.

        Also die Grünen. Damals. Anfänglich gings ja auch gut. Als der innere Machtkampf zwischen Fundis und Realos beendet war, hiess es aufpassen. Das Kriegsspiel in Südosteuropa liess nicht lange auf sich warten.

        Die Unbeliebtheit der Grünen in den östlichen Bundesländern erkläre ich mir nach Recherchen und Gesprächen mittlerweile so: man wählte CDU (Sozis und Links ging ja nicht) und als man dann endlich bemerkt hatte, was Kohl und seine Leute angerichtet haben mit dem Land, den ultimativen Kahlschlag, da wählten zwar manche wieder links, die Mehrheit jedoch murrend die CDU. Erstens kannte man die Bedingungen für den Aufstieg der Grünen aus eigener Lebenserfahrung und zweitens war inzwischen sichtbar, was für ein Verein das ist. Zum Glück (Ironie) kam dann vor einigen Jahren eine andere Alternative für viele Wähler.

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      • So herunterspielen würde ich die Ost-West-Wanderung nicht: Die Unis Königsberg und Breslau punkteten gegenüber Halle, Leipzig, Heidelberg, Berlin mit – — nichts. Die mussten an Kadern nehmen, was übrig bleibt. (I. Kant gut und schön, aber den hatten sie als Ketzer in Königsberg gefeuert und mussten ihn auf Königsbefehl wiedereinstellen. Freiheit des Geistes geht anders.)
        Goebbels Ufa Komödien spielen sämtlich in Berlin oder westdeutschen Biedermeierstädten – Ostelbien (bis auf Berlin) völlig ausgeblendet. Man drehte nicht einmal im unzerstörten Dresden!
        Bismarcks Spruch vom Mecklenburg „in dem alles hundert Jahre später passiert.“
        Die preuß. Herrscher hatten mit Akzise und sonstigen Reglements der Truppenbeherbergung, Reservepferdegestellung, usw. die Stadtentwicklung weitgehend abgewürgt; schon im 17. Jhd. – Wenn du hier oben leben würdest: Alle Kleinstädte zum Verwechseln ähnlich. „Es lohnte nicht, durch Erfolg aufzufallen.“
        usw. usw.

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  3. Ich war mal ein Stammwähler der „Grünen“. Ich bin Jahrgang 1966, und Westdeutscher: Geboren in Darmstadt, und lebe seit 50 Jahren im Ruhrgebiet. Als ich jung war, waren der Zweite Weltkrieg und das Dritte Reich zwar lange vorbei, aber immer noch präsent. In der Generation der Großeltern gab es immer noch überzeugte Nazis. Die Generation meiner Eltern hat versucht, damit zu brechen – das Moment der 68er kam auch daher, daß Leute wie Globke und Oberländer immer noch das Geschick der Bundesrepublik bestimmten, und damit die Empörung der jüngeren Generation hervorriefen. Der Riß ging quer durch die Familien, auch durch meine. Meine Generation hat beigebracht bekommen, daß Militarismus und Krieg verabscheuungswürdig sind. Diese Prägung ist zum Ärger der derzeitig Herrschenden immer noch in weiten Kreisen der Bevölkerung vorhanden.

    Als ich so 15 war, drückte die Regierung unter Helmut Schmidt die Nachrüstung durch. Die Pershing-II Raketen hätten die Vorwarnzeit für einen nuklearen Angriff auf 8 Minuten reduziert, und damit das Kriegsrisiko erhöht. Meine Schulkollegen und ich haben ernsthaft damit gerechnet, daß es bis 1990 zu einem Atomkrieg kommt (daß das nicht passiert ist, ist eher Glück – siehe das Manöver „Able Archer“). Auch war Umweltzerstörung damals schon ein Thema. Die „Grünen“ als neue Partei, mit pazifistischer und ökologischer Ausrichtung, war für uns damals eine Verheißung einer besseren Zukunft. Die Rechten und die Militaristen, mit all dem Blut an ihren Händen, würden nur noch eine finstere Erinnerung sein. Erstmal kam aber Helmut Kohl, und der blieb 16 Jahre. Was habe ich mich gefreut, als der abgewählt wurde – unter anderem mit meinen Stimmen.

    Eine der ersten Amtshandlungen der rot/grünen Regierung war dann der erste Auslandseinsatz der Bundeswehr. Weiters kam die Agenda 2010, die Liberalisierung der Finanzmärkte etc.

    Die haben mich verarscht.

    Ich würde die „Grünen“ nicht nur nicht mehr wählen, sondern ich würde mich freuen, wenn die künftig an der 5% Hürde scheiterten. Die einzige Partei, die ich noch schlimmer finde, ist die AfD – aber nur knapp.

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    • Applaus. Vor allem, was den Wechsel von Kohl zu Schröder betrifft. Die Industrie wechselte ihren Lakaien. Und der neue funktionierte in ihrem Sinne besser als der alte. Und man selbst bereut seine Wahl. Das erging mir wie Ihnen.

      Der Werdegang der Grünen ist mir gut bekannt. In den 80ern haben die mich SEHR interessiert. Was hab ich da die diesbezüglichen Songs gefeiert: Grobschnitts „Wir wollen leben“ (Startbahn West), Robert Long „Ich und du“, Acapulco gold „Sodom und Gomorrah“ und BAP praktisch rund um die Uhr. Da schien was in Bewegung zu kommen, da „drühm“ und bei uns eben wiedermal nicht – 1982-88. Das war „Sehnsucht nach Veränderung“ von unserer Seite. Aber dann -also ab 98 – waren die mit an der Macht und rechtfertigten den Afghanistaneinsatz! Die Russen waren raus und jetzt gehen „wir“ rein und holen uns dort ne blutige Nase. Das war doch absehbar: Und diese blödsinnigen Bullerbü-Rechtfertigungen „Wir kämpfen dort dafür, dass auch Frauen Fahrerlaubnis machen können“(Kerstin Müller/Grüne). Damals ging das los mit dem unwidersprochenen Stuss.
      „Deutschland wird am Hindukusch verteidigt.“ Schön, das war SPD-Sprech. Aber ich schrieb schon mal in einem früheren Post: Willy Brandt hätte sich auch nicht träumen lassen, dass so ein Satz mal aus SEINER Parteizentrale kommt.“
      Schröder, Clement, Müntefering, Struck – ich dachte mit der Zeit: Gleich nehmen die die Masken ab und es sind wieder Kohl, Rühe, Gerhard und Kinkel.

      Naja, und über die heutigen Verhältnisse: Schade um die Zeit. Musik!

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  4. „Der herkömmliche Ossi, also der gemeine* ossi maurotraumatikus honeckeriensis, prallt hier nun auf ein ganz großes Problem, da ihm in Mauerzeiten nichts sehnlicher erschien, als den „DDR-Bürger“ abzustreifen, sich endlich wieder unkompliziert „Deutscher“ nennen zu dürfen und im Ausland für die D-Mark feiern zu lassen.“

    Davon möchte ich mich ausdrücklich distanzieren. Ich wollte, nein will, immer ein Bürger des Leselandes DDR sein, mit seinen mitunter schwierigen, ja schmerzhaften Erfahrungen, – und kein armer, dummer Wessi. Aber das nur am Rande. Die Krux bei „Glosse“ und „Glosse 2“ ist, dass Du alles negativ formulierst: Warum lieben die Linken nicht Deutschland? Dabei lässt Du offen, was sie denn an D lieben sollten. (Und, nebenbei verkennst Du, was D im Kern ausmacht, eben gerade das Brandenburgisch-Preussische, das in Altmark und Prignitz seine Wurzeln hat.)
    Deshalb hier dieser Versuch:

    VON DER LIEBE ZU DEUTSCHLAND.
    (Der Text könnte auch von der Liebe zum eigenen Land heißen. Aber das wäre auch ein wenig feige.)
    Der Sinn der Liebe ist die Erhaltung des Lebens. Des eigenen Lebens, des eigenen Erbes in seinen Kindern – bis hin zur Erhaltung des Lebens auf unseren Planeten. Und als Menschen ist unser Erbe ein Schatz von Erfahrungen.
    Ich liebe die DDR, weil ich nicht möchte, dass das alles nicht mehr verstanden wird und in Vergessenheit gerät: Z.B. die Bücher von Erik Neutsch oder Hermann Kant, das Frauenbild der DDR (wie in der Modezeitschrift Sibylle oder den Aktbildern im Magazin) oder der Ostrock. Ich möchte nicht, dass das alles von einer falschen „DDR“-Karikatur verdrängt wird. Liebe ist auch immer Liebe zur Wahrheit und Sehnsucht nach Gerechtigkeit.

    Und genauso liebe ich auch Deutschland.
    Es gibt eine „Deutschland“- Karikatur, so wie es eine „DDR“-Karikatur gibt. Sie ist noch allgegenwärtiger. Ich möchte nur einen Ausschnitt betrachten. Das Bild des wilhelminischen Deutschlands. Wilhelm II als Vorgänger Hitlers… Als Alleinschuldiger am Weltkrieg.
    In Wirklichkeit wurde er noch 1913 bei seinem 25jährigen Thronjubiläum auch im Ausland als Friedenskaiser gefeiert. Die berüchtigte Hunnenrede hielt er anlässlich der Verabschiedung seiner Truppen zu einer Gemeinschaftsaktion aller westlichen Mächte. Noch bei Ausbruch des Krieges hat er die Umsetzung des Schlieffenplanes um ein paar Tage oder Stunden verzögert, um seinen Friedenswillen zu zeigen.
    Nein, es gibt keine Linie von Wilhelm II zu Hitler. Es gibt eine Linie von Napoleon zu Hitler. Und Bismarck war ein Schüler Napoleons.
    Und der deutsche Antisemitismus von 1890 bis zu den Nazis? Er war ein missratener Antikapitalismus, der aufgrund der lange bestehenden Rückständigkeit Deutschlands reiche Nahrung fand. Ein weites Feld.

    Wir Deutschen müssen Deutschland lieben, damit wir es verstehen und sich Schreckliches nicht wiederholt. Es ist lebenswichtig, dass wir unser Geschichtsbild nicht auf Hollywoodfilme gründen.

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    • Dass von DIR zu DER Thematik bisher nichts kam, hat mich schon gewundert. Aber nu is‘ ja was da – und -oh Wunder: Allzuviel Gegensatz gibt es diesmal gar nicht!

      Dein zu positives WII-bild und das zu negative Bismarckbild… aber das sind ja die bekannten Besonderheiten in unser beider Gegensatz. Da spar ich mir eine 37. Argumentationsrunde.

      Bliebe das DDR-Bild, das ein jeder so in sich trägt. Deins ist zu positiv, wie meines eventuell zu negativ gerät – die Mitte also machts.
      Identitätsstiftend war sie erst posthum, weil wir Ossis MEDIAL „auf uns selbst zurückgestoßen wurden“ als der Mauerfalltaumel verraucht war.

      Die Masse hatte mit der Stasi NIE zu tun – und fand sich somit in der medialen Ostberichterstattung überhaupt nicht wieder.

      Aber die DDR war eben auch galoppierender Kleingeist: Kreativitätsabwürgung, Zensur, Fehlinvestition en masse…und ihr Proletarischer Internationalismus Symbolpolitik pur; im Alltag hohle Phrase.
      Nichtsdestotrotz stört uns beide diese heute medial übliche DDR-Karikatur, die, sogar wenn sie gönnerhaft loben will, falsch wird.

      Die Nation jedoch ist in ALLEN Völkern der Fugenkitt zwischen arm und reich.

      Das wird gegenwärtig in (West-)DTL. vergessen.

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  5. Bei diesem Absatz musste ich schumzeln:
    „Der typische Weltretter-Wessi, also der gemeine* wessi lastenfahrradius ökologiensis, ist eine Folge-Erscheinung des hochentwickelten Kapitalismus der Hochlohn-Epoche. Sein Prototyp war zumeist ein Ex-Juso, der nicht verwinden konnte, wie Helmut Schmidt regierte. Er verfügte in der Regel über mehr Taschengeld als seine Altersgenossen des gemeinen* wessi normalikus proletariensis, kam früher und reichlicher ausgestattet als diese via Schallplatte mit Amerikanismus in Berührung und eignete sich deshalb stigmatisierende Sprachfehler an, die ihn von anderen absondern und in Ossi-Ohren persé lächerlich wirken lassen.“

    You know what I mean ?

    Und das Grünen bashing ist mir zu eindimensional …

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  6. WARUM IST EIGENTLICH ALLES SO SCHEIßE HIER?
    Ich sage es mit einem Augenzwinkern: Der Grund ist der verordnete und tatsächlich allen in Fleisch und Blut übergegangene „verordnete Antikommunismus“. Der Grund ist die felsenfeste Überzeugung aller Menschen, dass Privateigentum gut und Staatswirtschaft schlecht ist.
    Ich will das nicht diskutieren. Ich weise nur darauf hin, dass auch heute sehr viele Menschen direkt für den Staat oder eine seiner Institutionen arbeiten (wie die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die nur scheinhaft privatisierte Bahn oder die Sozialversicherungsträger.) Sie arbeiten in der Staatswirtschaft, die sie für völlig ineffizient halten…
    Das hat Folgen:
    – Die Überzeugung von der Ineffizienz der Staatswirtschaft bedeutet für den Angestellten des Staates oder den Beamten, dass er überzeugt ist, nicht wirklich arbeiten zu müssen. Sein Dienstherr weiß das natürlich – und versucht ihn mit immer mehr Geld doch noch dazu zu bringen, wenigstens etwas zu tun.
    – vor 120 Jahren war man darauf stolz, königlich preußischer Amtmann zu sein. Dieser Stolz, der Titel und vielleicht mal ein Orden war ein ganz wesentlicher Vergütungsbestandteil und der Amtmann arbeitete für viel weniger Geld als jemand mit gleicher Verantwortung in der Privatwirtschaft. Heute ist das umgekehrt.
    – und es sind nicht nur sehr viele Menschen, die für den Staat arbeiten (und aufgrund der Lehre von der Ineffizienz der Staatswirtschaft demoralisiert sind), – sie haben auch noch die wichtigsten Aufgaben: Bildung, Gesundheitswesen, größte Teil des Kulturbetriebes und natürlich die ganze Verwaltung liegt in ihren Händen! Von Menschen, die sich selbst für Parasiten halten, da sie ja vom Steuer- oder Beitragszahler bezahlt werden und für diesen Selbstekel ordentlich Schmerzensgeld fordern – und meist auch kriegen!

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    • Orrr neee!
      Ist das dein Ernst?
      Staatsangestellte und Beamte arbeiten nicht?
      Oh doch! Zuviel! Und das ist die Crux: All die erdachten Verordnungen, die ins Leere führen, aber „von unten“ berücksichtigt werden müssen. All die kadavergehorsame, unvernünftige Durchsetzung der sinnlosesten Festlegungen – die Burnouts im „gehobenen Management“ der angeblich privatisierten Bahn und in den Schulämtern: Niemand möchte da mehr einen Posten! Alle zählen ihre Tage, wie die EKs der NVA! Wenn du recht hättest, wären die überlaufen!

      Bürgermeister, Schuldirektoren, Amtsleiter händerringend gesucht!

      Schmarotzertum gibt es durchaus: all die verschenkten Aufsichtsratsposten; die frei erfundenen Zuständigkeitsbereiche für frisch geschaffene Staatssekretärstellen: Wieviel Mann durfte der „Ostbeauftragte“ unter sich einstellen? Und was tun die? Usw.
      Der Fisch stinkt vom Kopfe her: Früher Wandlitz, jetzt da gegenüber vom Hauptbahnhof… wo se jetzt aus Kohls Stahlbeton-Datsche ein Versailles machen wollen.

      Staatliche Verwaltung muss sein. Sozialstaat ist essentiell. Effizient sollte er sein. Aber vielleicht sind ja die fast 80 Jahre Frieden zu viel gewesen: Den Wildwuchs beschneiden, das erfordert Reform-Kompetenzen, die Bummelstudenten nun mal nicht haben.

      Druck von der Strasse wäre natürlich auch unverzichtbar. Daran fehlts – undank digitaler Schimpfcorners in den „Sozialen Medien“ und der inflationären Nazikeule, die alles unter Generalverdacht stellt, was nicht bei 3 „Hurra einverstanden!“ schreit. Kenn’mer ja.

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