Steel Claw down

In memoriam Tina Turner (1939-2023)

„Die Stahlkralle hat fertig.“ Gestern Abend kam es über die Medien: Tina Turner ist nicht mehr.

Als Aretha starb, schrieb ich hier im Blog: „Tina war mir allzeit wichtiger.“

Nun ist also auch sie fort.

„Private Dancer“ und – BOOM!

The 1983 Freude-Shock! ENDLICH war sie da – um zu bleiben!

tina1Da musste doch mehr geh’n als nur „Nutbush“! „Whats love got to do with it“ lief 1984 im Radio. Eine Nummer, die auffiel, weil das Orwell-Jahr zumindest in musikalischer Hinsicht voll und ganz eintrat. NDW verreckt. Viele alte Bands kaputt modernisiert, mit electronic drums erschlagen. Scratch-Effekt-Gestotter. Die Musikwelt im Maxie-Wahn! Ein einziges Schnellverfeuern von Eintagsfliegen! Hinter vielen davon ein neuer Name: Die Bobtail-Frisur von Tötensen: In all dem Bohlen-Hype im Radio war der Tina Turner-Solokarieren-Start die wohltuende Ausnahme! Die widerstandsfähige Kaktee in der Wüste!

„You better be good to me“ im Radio. „Private Dancer“ 1985 endlich im Intershop. Bei DER musste ich nicht zaudern! Gekauft und gefeiert! Das begehrte Vinyl verborgt für allerlei andere Tonkunst. Die Zeit der starken Frauen: Erst Bonnie Tylers „Faster then the speed of light“ und dann Tina!

Dumm nur, dass 1986 die „Private Dancer“, sogar mit Original Cover auf Amiga für 16,10 M erschien. Aber ach! Abwink. Das eine Jahr Vorlauf war es wert!

Tina, die Naturgewalt!

Endlich gut beraten! Endlich und dauerhaft auf der Erfolgsspur!

Der alte Konzertveranstalter Fritz Rau, hatte sie alle: Hendrix, Dylan, Santana, Lindenberg… und wurde kurz vor seinem Dahinscheiden einmal gefragt, ob er irgendetwas zu bereuen habe. Seine Antwort kam prompt:

Die „Private Dancer Tour“ nicht gemacht zu haben. Aber ich hatte bei der Tour zuvor, mit ihr viel Geld verloren. 1980 wollte NIEMAND Tina Turner sehen. Da war ich, als ich 1984 gefragt wurde zu skeptisch.

Rod Stewart nahm sie1982 in seinen Backing Choir auf und mit auf Tour: Absolutely live! Stay with me! Stay with me! Tonight you gonna stay with me! – „Kim Carnes! Tina Turner! Kim Carnes! Tina Turner!“ Hör’s dir an, das Album! It blowes your mind!

Es heißt, David Bowie habe sie 81 oder 82 in irgendeinem Club live erlebt und sein Management gebeten, sie zu fördern. Das machten die zwar nicht selber, unterstützen jedoch ihren damals unbekannten Manager Roger Davies durch Fürsprache bei Capitol Records, die dann Geld in die Sache steckten und Rupert Hine als Produzenten bezahlten – und Mark Knopfler und diesen Heaven17-Typen Songs schreiben  ließen, um up to date zu sein.

Denn: Die Solojahre 1976-1983 waren eine einzige Hunger-Tour für Tina. Ihre wenigen Platten voller Songsammelsurien der unausgewogenen Art – Kassengift.

Das Ehe-Elend mit Ike zuvor erzähl ich nicht nach. Das wurde in den letzten Jahren breit genug getreten. Vergessen wir auch Ike &Tina Turner auf Platte. Das war zwar Sex und Energie auf der Bühne, aber musikalisch Vollschrott und das liegt an Ike’s limitierten Fähigkeiten. Ein dauerkoksender Voll-Assi. In Aussehen und Gehabe hätte der jederzeit in „König Salomons Diamanten“ den Kannibalen-King auf dem Schädelthron im afrikanischen Busch spielen können, aber er beherrschte 3 Riffs und hielt sich für „größer als Hendrix“. Außer „Nutbush City Limits“ bleibt da nix.

Tina hingegen sorgte 1965 bereits für Weltruhm allein: „River Deep Mountain high“! Phil Spector wollte sie für die Nummer, aber eben ohne Ike. Böses Zerwürfnis! Deep Purple coverten den Song 4 Jahre später. Eric Burdon auch irgendwann.

Wenn du alte Stones Live Auftritte siehst, und ich meine wirklich ALTE, dann siehst du auch: War das bevor- oder nachdem sie mit Ike & Tina Turner als Vorgruppe auf Tour waren?

Jagger war ein linkisches Bübchen hinter dem Mikrophonständer. Dann sah er Tina on Stage und von Stund an war er ihr männliches Pendant! Sie gab die aufgeregte Henne – er war der Hahn. Sein Gockelgebaren, die rausgereckte Pennälerbrust: Das ist Tina-Gestik!

Ohne Tina keine Stones, wie wir sie kennen!

Früher stand überall, sie sei 1938 geboren. Deshalb spielte ich anno’85 die „Private Dancer“ meiner Mutter vor:

„Horch mal, die is‘ so alt wie du!“

Wohlwollend wurde erstmal ihr Aussehen zur Kenntnis genommen, natürlich „…bis auf die Frisur“. Ein Dauerthema in unserer Family. Manche Dinge ändern sich eben nie.

Heute weiß man, dass das da auf dem „Private Dancer“ Cover ne wirkliche Löwenmähnenperücke ist. Passt doch total, zum künstlerischen Anspruch, zur Power, zur Durchsetzungsstärke!

Gemeinerweise startete ich die Platte mit „Steel Claw“.

„Ach du lieber Gott!“, war die Reaktion.

Ich hatte die Nummer ausgewählt, weil ich dachte: Wenn sie abhaut, hat sie wenigstens DAS kennen gelernt.

Und siehe da: Weilte ich nach der Wende zu Besuch zuhause, lief zu Vaters Entsetzen MTV; und kam da ein Tina Turner Video, dann erkannte Mutter spontan im Vorbeilaufen:

„Da isse ja wieder, die Törner!“ (Der Name sitzt!)

und ein wohlgefälliges Lächeln huschte über ihr Gesicht.

War’s stolz auf IHRE Generation?

Träumte sie sich, wie der Sohn beim Anblick so mancher „Gitarreroes“, für den Augenblick an ihre Stelle? Zugeben würde sie das NIE!

Jetzt ist Tina voraus gegangen. Mutter ist noch da. Da sie keinen Ike ertragen musste, ist die 90 drin!

8 Gedanken zu “Steel Claw down

    • Wichtiger waren mir allerdings die Nachrufe auf Kenneth Anger nach dem 11.5.2023. Dabei waren es weniger seine Filme, von denen ich in meinen kineastisch wilden Jahren etliche gesehen hatte.
      Es war sein 2-bändiges Werk Hollywood Babylon. Dessen Inhalte erledigten ein für allemal meine Illusionen, was das Kino, das Geld, die Produzenten und vor allem die Schauspieler betrifft.

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  1. Pingback: Bestmemorial TT | Wildgans's Weblog

  2. Mam starb dieses Jahr und jetzt ist ihre Soul-Queen auch tot – als hätten die beiden wilden Mädels sich abgesprochen. Auch ich schleppte Mam Tinas Private Dancer an, da war ich Grasgrün und quietschte noch hinter den Ohren. Erst kam mir Mam mit Ray Charles an, dann mit Sydney Bechet und dann kam ich mit Tinas Private Dancer um die Ecke. Die Private Dancer gekauft vom mageren Lehrlingslohn und keinen Pfennig jemals gereut. Tina war die Unbezähmbare, ihre Musik und Gestik unnachahmlich. Mam und ich bebten vor Bewunderung, ihr Lieblingssong war Notbush City live und I can‘t stand the Rain on my window …(in the Future nevermore….)Dein Nachruf singt in bester Tinamanier und das mit Micks Gebärdensprache und sein Bühnenbohei bringt mich zum Staunen: die größten Geheimnisse liegen offen vor uns – unerkannt, nur ein vages Ahnen vielleicht.Du weißt so viel Faszinierendes über diese historischen Hintergründe zu erzählen!
    Mein Lesedank und liebe Grüße von Amélie

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