ELVIS LEBT! (II)

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War das eine Überraschung im Kino bei „Downton Abbey“ – die Elvis-Film-Reklame! Waaaaaas! Ein Film über den King?! Es ist nicht der erste. Aber: Endlich – wiedermal!

Der Vorfreudepegel ging auf 100.

Gestern Abend nun war es soweit. Kleinstadtkino Samstag. Acht Personen verteilten sich im Saal.

Zwei Stunden und 30 Minuten geht der Film und ne Viertelstunde alberne Trailer von ätzend dumpfbackigen, cineastischen Deiwörsitie-Peinlichkeiten müssen zuvor noch ertragen werden: Naja. Filme, die der Mensch nicht braucht. DER Film hinterher wird doch dafür wohl entschädigen, oder?

Yeahr. Und so war’s auch.

Ich war voll „drin“. Rausch-Rausch-Rausch. Hollywood at it‘s best. Geplättet saß ich noch im Gestühl, als es wieder hell wurde. Lange keine Live-Auftritte aus der Las Vegas-Zeit angesehen und erneut begeistert von DIESER Intensität, die nun sogar der Fake-Elvis, also der Schauspieler, absolut hinbekam.

elvis 22Hätt‘ ich gestern Nacht nach der Heimkehr gleich geschrieben, wäre es ne einzige Schwärmerei geworden.

Nun. Einmal Ausschlafen später, funktioniert die Ratio wieder.

Der Film wirkt super. Atmosphärisch dicht! All das maßlose Blingbling, das die Armseligkeit des US-Alltags und die Leere eines Lebens im goldenen Käfig, wie es Elvis führte, übertünchen soll, wird schon im Vorspann aufgegriffen. Der -im Wortsinn- GEILE Zündfunken, den Arthur Big Boy Crudup verursacht, da auf der Tenne, wenn er „Thats Alright, Mama“ brüllt, was den kleinen Elvis „wegfegt“; und zugleich im Gesicht des Crudup-Darstellers alles deutlich wird, was die USA in Bezug auf ihre Schwarzen versäumt haben und weiterhin versäumen. Animalisch. Primitiv. Ungebildet. Ganz klein gehalten, in einem weiteren Jahrhundert der Rassentrennung nach Lincoln. Das gleiche wiederholt sich mit Big Mama Thornton und „Hounddog“ ein paar Szenen später. Beide Nummern wurden für den Film „geschönt“, sie klangen im richtigen Original noch kantiger, afrikanischer. Unsendbar für weiße Radiostationen vor 22 Uhr. Elvis gab ihnen Feuer und Schlaksigkeit; machte sie für weiße Sender spiel- und deren Hörer anhörbar.

Eine weitere tolle Szene: Die verrotteten Hollywood-Buchstaben auf dem Berg über LA, zwischen denen Elvis sitzt, als er mit zwei Edelhippies das ‘68er Comeback-Special plant. Amerika: Russland mit beleuchteten Coke-Reklamen. Potemkinsche Fassaden, soweit das Auge reicht. Im Dunkeln dahinter all die Trailer-Parks, die Bretterbuden, die hektargroßen Autofriedhöfe. Bist du der arme Tellerwäscher, ist dein Leben scheiße, wurdest du Millionär – ist es anders doof. Siehe Elvis. Frau weg. Nur bezahlte Freunde um dich rum und Kommerz-Kommerz-Kommerz, um die Leere mit irgendwas zu füllen.

Das kommt schon alles ganz gut rüber.

Zu loben sind des Weiteren: Viele, viele dramaturgische Einfälle, die das Erzähltempo beschleunigen und so Spannung halten. Da wird zum Beispiel für einige Szenen die Leinwand wieder mehrfach geteilt, wie das ende der 60er, anfang der 70er gerne Mode war, um mehrere Szenen gleichzeitig zu zeigen. Alt-Hippies kennen das Verfahren aus dem Woodstock-Film. Ich kenne es aus dem Elvis-Konzertfilm „That’s the way it is“. Schön – dieser Rückgriff auf eine verlernte Sehgewohnheit von einst.

Plötzliche kitschig bunte Namensschilder – einfach so ins laufende Bild geschossen, sollen Nebenfiguren vorstellen – und erinnern in dieser Ästhetik an die Vorspanne diverser Vorabend-Serien. Selige frühe 70er!

Die Outfits stimmen – alle! Die Macher des Comeback-Specials als arrivierte Edel-Hippies mit ihren gefönten Seitenscheitel-Langhaarfrisuren wirken wie die Typen, denen Columbo einst auf die Eier ging, oder wie Günter Netzer im Bestzustand.

Herrlich – das Herausarbeiten des Schlusssongs des Comeback-Specials! Der bisher unterbewertetste Elvis-Song überhaupt. Zu keiner Zeit ein Hit. Und dabei ein Gänsehautgarant vor dem Herrn!

If I can dream!

„Wenn etwas zu heiß ist, um es auszusprechen: Sing es!“

War die Lebensweisheit eines alten schwarzen Predigers, den Elvis erlebte.

Jawoll ja! Eine kleine armselige Kerze Hoffnung flackert da irgendwo 1968, … a beckoning candle…, dass da mal was besser wird im Miteinander in den USA. – Und sie flackert und lockt, und flackert und lockt; in hundert Jahren noch.

Gern würd‘ ich dem Bilder-Opus ne 1+ verabreichen – aber – neee. Da sind dann doch auch ein paar Widerhaken, die das Maximalergebnis verhindern.

Auf der tadelnswerten Seite des Films stechen -für mich- vor allem drei Punkte heraus:

  1. Dem Zeitgeist 2022 ist geschuldet, dass ein Hollywood in Zwängen von BLM sich veranlasst sieht, auf „N-Wörter“ zu verzichten. Sowohl auf „Negro“ als auch auf „Nigger“. Nun sind aber die USA bis heute ein Rassistenstaat und in den 50ern war alles noch zwei Tick krasser als heute. Der junge Elvis wurde viel angefeindet. Er machte Race-Music als Weißer! Quasi „Rassenschande“ nach damaliger Lesart. Er galt als „niggerish“. Und da fielen IMMER jene Vokabeln, die heute vergessen werden sollen. Da war jenes Kesseltreiben in Radio und Presse gegen ihn 1958, das ihn hätte genau wegen seiner „Nigger-Moves“ in den Knast bringen sollen! Was für ein Blödsinn also, all die Südstaaten-Rassisten da im Film brav von „Schwarzen“ und von „Farbigen“ reden zu hören. (Meine Güte! Verklemmte Scheiße! Geschichtsbeschönigung! Und die deutsche Synchronisation folgt dem natürlich 1:1. – Nich’mehr meine Zeit!)
  2. Der andere wunde Punkt ist die Elvis-Ehe; die in einer Weise dargestellt wird, von der sich sagen lässt: Na, wenigstens stimmen die Namen der Beteiligten: Elvis, Priscilla, Lisa-Marie. Die Ehe-Dauer, der Scheidungsgrund, das Alter der Tochter 1973 – Hollywoodmärchen. Drehbuch-Fail. Oder Rücksicht auf den noch existenten Presley-Clan – um die Filmrechte zu kriegen. Wenn sich die alte Priscilla heute hätte wieder als das kleine dauer-bevormundete Mädchen von damals akzeptieren sollen, dann wär aus dem Projekt eventuell nichts geworden.
  3. Was schmerzlich zu vermissen ist, ist seine berühmt-berüchtigte, aus dem Ruder laufende Lebensführung in den Las Vegas Jahren, zwischen Fettfressen und Turbo-Diäten, in der er Highways sperren lässt, damit er und seine „Memphis-Mafia“ mit ihren Bikes cruisen können, in der er um Mitternacht von Kinos verlangt, ihm und seinen Kumpels die Blockbuster in Privatvorstellung zu zeigen; in denen er wildfremden Menschen Cadillacs schenkt… Überhaupt bleibt der Film-Elvis bis ende 1976 schlank. Hm. Seit dem „Keine Lust“ Video von Rammstein weiß man, dass da mehr gegangen wäre, ohne dass der Schauspieler sich die Gesundheit ruiniert. Aber die Auftrittssequenzen reißen es dann wieder heraus.

Gag; kurz vor Ende des Films:

„Ich bin nicht der King of Rock and Roll! Nehmt Fats! Er ist der King! Fats Domino!“

Und dann blenden sie einen schlanken, schwarzen Typen mit Brikettfrisur ein.

Das! Kann! Nicht! Sein!

Fazit:

Sehenswert? Ja. Ohne wenn und aber.

Aber einmal reicht.

Note:

1. Musik, Schnitt, Dramaturgie, schauspielerische Leistung 1+;

2. Drehbuch 3+; macht-

3. insgesamt: ne gute 2.

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