Nebenan läuft im Fernsehen „Der Ballon“ von Bully Herbig; 2018. Ein bayrischer Ex-Comedian dreht einen ernsten Film über zwei Familien aus Bayern. Ursprünglich waren sie zwei DDR-Familien, die einen Bettlaken-Ballon bastelten und 1979 eine spektakuläre Flucht wagten, die gelang. Wenige Wochen vor meiner Einberufung, sodass das Thema heiß diskutiert wurde, wenn wir Klassenkameraden uns zu Gartenlaubenfeten trafen, in diesem laaangen Sommer nach dem Abi und vor der Fahne…. „Würdest du bei sowas schießen, wenn’s drauf ankäme?“ Gott sei Dank war keiner von uns zu den Grenztruppen gemustert! Aber das war pures Glücksspiel!
Zwei Familien mit Kindern auf so einem wackeligen Ding, wohl wissend, das geschossen werden könnte…
Zwei Familien, die den üblichen Gängelungsalltag satthatten, aber nicht verfolgt worden waren.
Helden?
Der Film wird der westdeutschen Mehrheit, so sie ihn denn sieht, alle erlernten Klischees bestätigen.
Spoiler: Es ist wieder reichlich Stasi im Spiel!
Ich sitze hier und schreibe diesen Text, anstatt mir das „Werk“ anzutun.
Ich bin meinen Eltern dankbar, dass sie all die Jahre vor der Wende nicht auf so eine Idee kamen, dass sie nicht durch einen Tunnel krochen, dass sie nicht im Bulgarienurlaub ins „falsche“ deutsche Flugzeug stiegen, ob mit mir oder ohne mich; und dass sie nicht im Kofferraum des einzigen Westbesuches abhandenkamen.
Der hatte das nicht mal angeboten! Man stelle sich das mal vor! (Sarkasmus!)
Laut Nachwende-TV gibt es doch NUR präparierte Kofferräume in PKWs die gen Osten fahren!
Ich finde mich 30 Jahre nach der Wende in ganzen 2 Filmen und in einem einzigen Buch wieder.
Die Filme: „Sonnenallee“ und „NVA“ von Leander Haussmann.
Das Buch: „Der Turm“ von Uwe Tellkamp.
„Gundermann“ und „Weissensee“ sind sehenswerte Filme, aber eben Stasi-Sagas, die mir lediglich Zeitkolorit zurückholen, jedoch keine Identifikationsfiguren bieten.
Der Rest ist Klischee-Erzählung. Fishing for Compliments von Siegerseite. Oder gleich von Wessis „anempfundener“ Versuch, vom Osten zu erzählen.
Reinhard Lakomy erschuf 1993 eine CD mit dem Titel „Die 6 Uhr 13 Bahn“. Leider textlich ziemlich erbärmlich, plakativ. Aber sie enthält den herausragenden Song „Alles Stasi außer Mutti“ und war damit ihrer Zeit voraus. Der verengte Blick auf das Stasi-Thema wird sich verfestigen und 17 Millionen Biografien medial beschweigen, deren „Fehler“ es ist, mit der Stasi nie zusammengestoßen zu sein.
Wer ist klüger? Der, der die Grenzen kennt und sich und seiner Familie ein Auskommen ermöglicht?
Oder der, der Fußabstreifer zusammenschweißt und Bettlaken zusammennäht?
Bewundere ich diese Ballonfamilien?
KEIN STÜCK!