Beatles oder Stones? Eine Lossagung.

 

„Hot stu-uff! Hot stu-huff! Can’t get enough!“ „Can’t get enough!“

Ja, die Elefanten der Rockgeschichte. Legendäre Alben. Hits en masse. Eine lange Girlande Promis aller Jahrzehnte bekennt sich als Fan seit Jahrzehnten… oder behauptet solches wenigstens, wenn der Eindruck obsiegt, es würde im Publikum Punkte bringen.

Mir geht’s da anders.

Hier füllen CDs noch immer die Regale. Sturheit des Alters. Alte Süchtlinge wollen nicht nur Playlisten klicken. Rockhistoriker wie ich wollen nach wie vor wissen, wer bei Track 3 der 4. Gitarrist links hinten im Mix ist und welcher Roadie den Musikern da die Styvessand anraucht und in den Mundwinkel klemmt!

Hier stehen 8x Yes, 7x Heart, 4x Allmans; gefühlte 20 Elvisse, 12x Benson usw. usf.

Stones? Eine.

Beatles? Keine.

Solozeug der „Fab Four“? Nix.

Jagger-/bzw. Richards Solo? Jeh mia weg du!

Für die gebrutzelten Autosampler wurde der eine oder andere Song aus dem Ex-Beatle-Soloschaffen bezahltermaßen in Amazonien erworben, aber Ganzwerke der Elefanten? Not needed.

Aller guten Dinge sinder Dreie: „You“ (Harrison); „Band on the run“(McCartney) und „stand by me“(Lennons Ben E.King Reminiszenz) – reicht.

Wie kommt diese Missachtung? Es war ein langer, langer Weg:

1974 ereignete sich eine Jugendstunde der besonderen Art in der Fritz-Weineck-Schule in Naumburg: Sonst eher dröge Betriebsbesichtigungen der Umgebung, war diese – eine Disco in der Aula. Die erste für uns 14jährige! Mann, war’n wir groß, ey! Während dieser stellte sich heraus, dass Luggy dank seiner großen Brüder abspielbare Single-Postkarten aus Polen besaß mit Suzi Quatro-, T.Rex- und Sweet-Songs. Und Klaus besaß eine Beatles-LP. Die borgte ich ein halbes Jahr später aus, um sie (mit Mikrophon) vom Mono-Plattenspieler der Eltern aufzunehmen. „A Collection of Beatles-Oldies“. Die war von amigaAmiga! Ne Ostplatte mit Beatleszeug! Sowas hats gegeben! Und „Yellow Submarine“ war drauf! Der wichtigste Beatlessong überhaupt – in einer gutbürgerlich gebliebenen Kleinstadt im Sozialismus. Erstens sah alle Welt Westfernsehen und somit „Sesamstraße“, in der zu jener Zeit Groby &Co „In dem grün-gelben U-Boot leben wir! U-Boot leben wir! U-Boot leben wir!“ zum besten gaben und wo „Graf Luckner“ als Vorabendserie lief. Wo zweitens Leseratten wie ich wie Tellkamps Alter-Ego im „Turm“ an Kriegsliteratur alter Zeiten gerieten:

Alle meine Kampfflüge; alle meine Feindfahrten, U 9 greift an!, die Schlacht am Skagerak; Seeteufel, der Weltkrieg, …

Hatte eben allerhand überlebt auf den Dachböden der Klassenkameraden.

Ausgleichend ergänzt durch „Im Westen nichts Neues“. „Der schwarze Obelisk“. „Der Weg zurück“. Kästners „Fabian“. Neuere Kriegsliteratur a la Pleviers „Stalingrad“, Nolls „Werner Holt“ oder Grümmers „Irrfahrt“ kam hinzu.

Dann kommst du aus der Schule, hörst erstmal die „Hits nach der Schule“ auf HR2 oder „Musik für junge Leute“ auf NDR 2, versuchst dabei Hausaufgaben hinzukriegen und musikalische Beute zu machen, was endet wie immer: Physikbuch lernt Fliegen, der Hefter voller loser Knüllseiten wird in die Tasche gestopft – „schreib ich morgen in der Pause von Christian ab“ – Russisch-/Bio-/Englisch-Hefter liegt aufgeschlagen neben dem Recorder. Manches prägt sich wirklich ein! Russische Partizipien allerdings nie! Ende der Sendung. Schluss mit Hausaufgaben! Wenn kein Stadtgang zum Plattenladen anstand, weil Warenannahme war,- lesen: Und nun mit dem U-Boot-Sound (In the Time, when I was born….)der Beatles passend zum Lesestoff „Yesterday, all Getrappel seems so far away….“ ließ sich das gut an!

Mit den Jahren kamen dann so Sachen wie „A day in the life“ (the british Army had just won the war), Bee Gees „Odessa“ (the british ship get lost without a sign…) „Universal Soldier“ von Donovan, „Vietnam“ von Jimmy Cliff und auch „the last farewell“  hinzu.klein2Buch (Whittakers damaliges One-Hit-Wonder, bevor ihn die westdeutsche Schlagermoulinette zum Omi-Barden degradierte.) Mystisch anheimelnde Gänsehautmomente. Das Schulenglisch reicht noch nicht zum Komplettverstehen. Also geheimst du dir hinein, was du grade brauchst, „Snakes(she) came in through the bathroom window“ während du grade im unentdeckten Afrika unterwegs bist, in British-Indien oder auf Samoa, weil du dir privat die Kolonialgeschichte draufschaffst und „Zwischen Kap und Kilimandscharo“ (Reprint alter Reiseberichte), „Die Löwen kommen“ (neu),die-löwen-kommen „Kifanga“ (alt) und „Nena Sahib“ (sehr alt) liest. Das Thema wurde auch zu Ostzeiten schulisch recht stiefmütterlich behandelt; immerhin nicht ganz weggelassen, wie heutzutage, aber da stand bei Udo im Wohnzimmer noch der herrliche, alte Kolonien-Globus und die Alten erzählen, wenn man sie auf jene Zeiten bringt, dass Lettow-Vorbecks Frau aus dem Saaletal stammt… Viele Tabus. Viel „verbotenes“ Wissen zu heben. Viel Stoff um das eigene Abwägen zu schulen und nicht jede Phrase nachzuplappern. Aber auch Training, um nicht vom verordneten- ins verbotene Extrem zu fallen.

Der Beatlesbestand auf den Kassetten (später Tonbandspulen) wuchs parallel zum Bücherschrankinhalt. Die eine oder andere überspielte LP kam auch dazu. Die komplette „Help“ spielte einst der NDR. Den „Sgt. Pepper“ lieh ein Kumpel vom Kumpel ganz in der Nähe und wir nahmen bei mir auf. Die „Tippdisco“ auf „Stimme der DDR“ sendete wöchentlich einen Beatles-Oldie der Woche“… Es läpperte sich und wurde zunehmend totgedudelt. Wie oft am Tag erträgst du auf Klassenfahrt „Hey Jude lala lalalalaaaaa“ oder „all you need is love“? Irgendwann in der Nacht fliegt der erste Schuh in Richtung Recorderbesitzer!

Die Hits der Anfangsjahre hatten sich noch gründlicher erledigt. „Yeah,yeah,yeah“ und „Day Tripper“ (harharhar; Pubertät!) lockten keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervor. „Obladi-oblada-mein-Gespuhsi!“ richteten zig Strandkapellen an diversen Urlaubsorten zugrunde. Zugegeben „Helter-Skelter“ und „Birthday“ gingen 1969/70 relativ rumplig ab. Aber bereits da rockten Frijid Pink sie mit ihrer genialen „House of the rising sun“ -Version in Grund und Boden. Als Kenner älteren Semesters in der 11. und 12. Klasse gings uns eher noch um den „Walrus“, “Come together“, und „Baby you’ve got to hide your love away“. Songs, die sich nicht so abnutzten. Aber Punk war „on“! Und die Pistols hatten gerade den Steve Matlock gefeuert, weil „er die Beatles mochte!“ Das sagt ja wohl alles! Damals.

Was die Ex-Beatles Solo so boten, war – durchwachsen.

McCartney wurde im Radio mit und ohne Wings abgefeiert als der Lordsiegelbewahrer der Pilzkopfmania; rockelte aber eher ohne Biss die Erfolgsroad abwärts bis zum bitteren Ende von „Ebony and ivory“ und „saysaysay“. Dann doch lieber „Rumours“! Fleetwood Mac hatten immerhin diese Elfe zu bieten. Stevie Nicks in ihren besten Jahren!

Der Ostrundfunk spielte irgendwann einmal das „Imagine“-Album vom Lennon ganz. Ich nahms auf – um festzustellen: Imagine, Jelous Guy und How did you sleep – okay. Macht ne knappe Viertelstunde. Aber der Rest? Brauchte man also auch nicht. Bandplatz war knapp und Taschengeld endlich.

Ein Exemplar der „Shaved Fish“ machte im Bekanntenkreis die Runde, lange bevor sie auf AMIGA erschien. Ich hatte die auch auf Band. Da waren keine Graupen drauf. Aber sie lief sich ebenfalls schnell tot und wurde aus Platzgründen gelöscht. Das Amiga-Vinyl später kaufte ich zwar, aber es liegt mehr oder weniger ungespielt heute noch in der LP-Box bei den anderen Lizenzschätzen von einst. Wer braucht Lennon, wenn er Hunter, Browne, Bowie, Young und bissl Dylan zur Auswahl hat?

Ne George Harrison LP am Stück hältste nich‘ durch. Und vom Ringo gabs halt den unvermeidlichen Fotografen.

amiga1Als 1980 die Kurzfassung des „Blauen (Best of) Albums“ der großen Vier als Amiga-Lizenz-LP erschien, wollte die keiner der Plattenhaie mehr, weil alle längst das vollständige Doppel-Album auf Band hatten oder eh eher in Richtung Zappa unterwegs waren. Die wurde also für 30 oder 40 Mark an ältliche Familienväter(mitte 30) verkauft, die ihre Musiklaufbahn bereits beerdigt hatten, aber die Handvoll Jugendhits gerne in die Schrankwand stellten. Quer hinter den Plattenspieler, auf dessen Deckel Mutti ein Spitzendeckchen drapiert hatte, auf dem wiederum eine Obstschale warnte: Wehe du frisst einen von den Äppeln hier! Dann ist das Zimmer ruiniert! Das mussso! Zum Schönaussehen!

Ich habe Männer in derlei Haushalten immer bedauert. Wo der Plattenspieler so verbaut ist, da hast du keine Chance mehr! Deine Laufbahn ist Geschichte. Zahl den Lada ab, streich den Gartenzaun und fahr die Blagen zum Kindergeburtstag! Mit 35 ist die Rente ja auch nicht mehr allzuweit.

Mit den Stones verhielt es sich ein bisschen anders. Platten waren in den 70ern praktisch nicht zu kriegen. Airplay war sogar im Westradio dürftig. Lediglich dieses fürchterliche „Miss you“ wurde rauf und runter gedudelt. Eines Tages machte HR3 eine Sonderwunschsendung für Hörer aus der DDR, in der ein paar Stonesnummern älteren Schlages gespielt wurden; und als die Hessische Hitparade 1977 Sommerpause machte, lief eines Donnerstags so eine Sendezeitfüllsendung „Beatles gegen Stones“ eine Stunde lang. Die hatten wir hinterher alle auf Band.

Eines Tages, ganz am Ende der 70er verblüffte Radio DDR 2 mit einer neuen Sendereihe in unregelmäßigen Abständen: Das besondere Album. Ich las das zufällig in der FF-Dabei und Thema der ersten Sendung war „Bettlers Festmahl“. Von wem stand nicht da, aber das war für Musicjunkies auch nicht nötig. „Beggars Banquet“! Das muss eine Stonessendung sein! War’s auch. 1978 oder 79 ein Dammbruch! Punk machts möglich! Die Bonzen hatten das Gruseln gelernt, verhängten das PUNK-Verbotsedikt über den Ostrundfunk, erlaubten im Gegenzug nun aber doch „die Stones kennen zu dürfen“ und dosiert (vorwiegend die Schnulzen) zu senden. Gegen „Blitzkrieg Bop“ und „now I got a reason to be wired: The Berlin-Wall!“ war das bissl Waldbühnenschredderei von ’65 Pillepalle. Jagger wurde zum Martin Luther des Rocks. Vom bösen „Ablenker vom Klassenkampf“ im Auftrag des Kapitals zum „Kritiker der Konsumgesellschaft“ in nullkommanichts. Satisfaction guarranteed! Devo verarschten die grade.

Dann kam die NVA…. Abgeschnitten vom weiteren Verlauf der Rockgeschichte ereilte mich ein Brief. Muttern schrieb, dass sie Udo in mein Zimmer gelassen hatte, da er bei ihnen geklingelt habe, mit nem Plattenbeutel unterm Arm.

stonesReklame0006„Ich mussema an Blatschies Jubiddor! Ich hawwe hier de Schdons jeborchd. Die wille bestimmt ooch. Ich hab fürn schonne Band jekooft. Kannich ma rein in sei Zimmor? Ich glau ja nüschd. So lange, wie mir uns genn!“

Der gute Freund denkt eben mit! Keine Kopie von Band zu Band, wenn ich mal auf Urlaub bin, sondern Direktaufnahme von Vinyl mit meinem eigenen Gerät, damit nicht irgendwelche Dumpfheiten hinterher den Genuss verleiden. So kam ich also ein weiteres Mal auf Urlaub, bezahlte ihm das Band und hatte eine 1a Aufnahme der „Love you live“ zu genießen – und die haben Udo und ich SEEEEHR gefeiert!

Wendezeit. Nachholkäufe. Im WOM stehen und die Orientierung verlieren! Ein Independent-Ocean abzugrasen! Raritätenfahndung. Woher bekomme ich Accapulco Gold? Pere Ubu? Kiev Stingl?

Wer denkt da an Beatles oder Stones?

Eines Tages, ende der 90er im WOM am Ku-Damm. Ich war da wiedermal aufgeschlagen, um Kraft zu tanken. Begebe mich mit 10-12 CDs zum Reinhörpult, da liegt da ein Stapel „Black&Blue“ im Sonderangebot zum Wegschmeißpreis. Ich erinnere mich spontan an eine lustig negative NDR-Konzertkritik von damals zu einem Katastrophen-Gig in Kiel, wo das Pfund Koks nicht bereitstand und die Band deshalb nicht spielen wollte.

„also rasen erstmal 2 Limousinen der Konzertveranstalter ins Kieler Rotlichtviertel um die Naturalienabgabe aufzutreiben, während die Tontechniker die „Black&Blue“ auf Band umschneiden, weil Keith verkündet hatte, er könne auf Grund der heutigen Lage sowieso nur playbacken. Und der Konzertbeginn zog sich und zog sich….“

Ich grinse rückschau-selig in mich hinein und greife zu. Die „Black and Blue“ galt seinerzeit als elend. Die Stones als „nicht in Form“. Laborierten da mit Jeff Beck und Ron Wood an was „Neuem“ und das kam damals gar nicht gut an. Lediglich „Crazy Mama“ hatte noch etwas mit alten Duftmarken zu tun. Das „hot stuff“/“Fingerprint file“- Zeugs vorneweg dagegen – das war seinerzeit nix.

Jetzt aber, in den späten 90ern bin ich schockbegeistert. Die Ohren an Benson und Clarke Fusion-geschult, empfinde ich die Platte nun als absolut „underrated“! Ich kauf sie also und stell sie zu Hause zu den anderen ins Regal. In die Southernrockabteilung. Da schien das am ehesten hinzupassen. Da steht sie nun seit 22 Jahren ungefähr. Sie ist vllt 5x gelaufen.

Beatles und Stones – das ist für mich heute irgendwie wie Puhdys hörenmüssen.

So Allerweltsdarling-Mugge eben.

Außer „Black&Blue“ dann und wann.

Heute.

„You’re just a memori-i-ie…use to mean so much to me …..“

2 Gedanken zu “Beatles oder Stones? Eine Lossagung.

  1. Jetzt fühle ich mich gleich weniger allein mit diesem sakrilegisch anmutenden Gefühl, aber vermutlich ist es auch wieder ungerecht, wenn man bedenkt, was der weichgespülte Beatlessound genau wegen der Gefälligkeit viel breitenwirksamer erreichen konnte. Ich war aber in den frühen Jahren der Beatles auch zu jung, (boah, dass man das nochmal behaupten darf!) um das beurteilen zu können, in meiner Teenagerzeit der 70er waren die Alben bereits als Oldies neu aufgelegt worden und für das ganz andere Gefühl zwischen Party-Qualm und Matratzen an den Wänden mussten es Uriah Heep und Amon Düül sein.

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    • Die Düüls waren es bei uns eher nicht. Christian und ich übten uns eher gern im Tanzmausverschrecken indem wir dem DJ ne Kiss-Kassette in die Hand drückten. Oder „Cities on flame“ von Blue Öyster Cult kam auch immer gut zwischen Smokie und Abba. Grins.

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