Das Folgende wird sich lesen, so aktuell wie aus der Steinzeit. Macht nichts. Es war eine schöne Steinzeit. MEINE Steinzeit: So let there be Rück-Show!
Du hörst heute Grindcore, Feuilleton-Rap, Zeul oder Neo-Prog?
Du leistest dir ne Karte für den Wagner-Wahn zu Bayreuth?
Du pilgerst zu all diesen Musicaltempeln, die Rock&Roll-Area-Erbe verwursten – von Buddy Holly über Falco-Tina-Lindenberg bis zu Wolle Petry?
Achselzuck.
Ich weiß, dass auch für dich gilt: Deine Prägesounds sind andere; und mehr oder weniger verschämt versteckt füllen sie deine CD-Halter oder Festplatten!
Sollten diese pubertären Schmuddelmelodaien nicht die Ehrung erfahren, die ihnen gebührt?
Schließlich haben SIE dich in den Musikozean gezogen, Türen deines Gehörs, deines Empfindens geöffnet, was Wagner & Co niemals vollbracht hätten.
Vor ein paar Jahren war ich zu Besuch bei einem alten Freund, mit dem ich einst seeeeehr viel gemeinsam hatte. Getrennte Lebenswege und -erfahrungen schufen Unterschiede, schufen Kluft, aber ein Band blieb: MUSIK!
Slade! 50er Jahre – Oldies but Goldies! Elvis lebt! Hendrix sowieso! Artrock aller Art…Punk ist – wenn man trotzdem lacht! Ostrock-Konzerte en masse!
Er kurierte mich vom Vorurteil gegenüber Uriah Heep, ich konnte ihn mit Ungarn-Rock und Joan Armatrading infizieren. Nun saßen wir in seiner guten Stube und gedachten „alter Zeiten“ bei „grünem Pfeffi“ und neuer CD-Beute:
„Jetzt kommt was Feines – mal seh’n, was de sachsd.“
Sprach’s und drückte auf „play“:
Ich war auf beinahe alles gefasst, aber nicht auf:
„Ho-Ho-Hoho! Everybody was Kung Fu Fighting!”
„Na gut, ein Sampler“, dachte ich – und lag wieder falsch. Es wurde eine ganze Carl Douglas CD und ein Song klang wie der andere. Schnell noch’n Pfeffi … Igitt. Hat der mir je geschmeckt? Oder hab ich den früher nur aus pubertären Gründen in mich reingekippt um „cool“ zu sein?
Nach 3 oder 4 Songs hatte mein Gastgeber ein Einsehen. Wir fanden den Weg zurück auf dem Pfad der Begeisterung von gestern. Ein Glitter-Rock-Sampler, der nicht ganz genretreu auch Clout mit „Substitude“enthielt. Wer wäre damals in die Sängerin nicht verliebt gewesen? CCR-CD, dann Dr. Hook und schließlich Hendrix.
Bei jedem CD-Wechsel, wenn er ans Regal trat, sang es jedoch aus ihm: „Here comes the Big Boss (hough,haw!) let’s get it on!“ Die Zeile also musste es gewesen sein, die sich einbrannte; wegen der er nicht an der Billigtonne im Laden vorbeigekommen war, als Olle Carl ganz oben lag.
Fast wäre die Episode irgendwo in meinem Erinnerungsnirwana verschwunden, wenn ich nicht ein paar Monate später, angefixt durch eben jenen Nachmittag von oben, über George McCrae’s „Rock your Baby“ Debut-Album gestolpert wäre.
Same as it ever was! Ich bin dem Song verfallen, seit ich mit 13 damit infiziert wurde. Den piepsigen Kopfstimmengesang empfand ich damals nicht als geil, sondern als witzig; obendrein wurde im Intro noch „Sexyone“ geflüstert! (Harharhar, der hat sexy gesagt!) Das passte sowohl zur zeitgleichen böseböse-sexistischen Stiebel eltron- als auch zur Afri-Cola-Reklame! Darüber wiederum echaufierten sich tagtäglich die Eltern, was wiederum meinen Genuss noch steigerte. Als zuguterletzt in Ilija Richters Disco ein McCrae-Einspieler lief und Vater laut über Negergeheul und Eunuchen nachdachte, war die Langzeitwirkung DIESES Songs für alle Zeiten zementiert. Ich hab ihn gesucht auf Millionen von Schrottsamplern, deren Tracklists in Miniaturschreibe ich in stundenlanger Kleinarbeit in dutzenden Läden fast auswendig lernte, um ihn bloß nicht zu übersehen – und endlich, als ich bei Aral oder Esso fündig wurde und einen Philly Sampler kaufte – wegen George McCrae – entpuppte sich genau DER Song als unechte, gekürzte Neueinspielung. Sakrileg!
Deshalb nun Ende 2012 das ganze Album. Mit Bonustracks! Pruuuuust!
„Rock your Baby“ in der originalen schwülen 7 Minuten Version (nach wie vor unschlagbar schön) eröffnet ein Album, dessen Rest man getrost vergessen kann. Das rettet auch kein „Grüner Pfeffi“. Dagegen war Carl Douglas’ „Vielfalt“ GOLD!
Immerhin lag ein informatives Booklet bei und ich erfuhr, dass mein Signatursong eine filmreife, interessante Geschichte hat:
Er ist ja unbestritten einer der ersten Phillysound-Welthits, stammt aber gar nicht aus Philadelphia! In Amerika läuft ja vieles anders, als man in Europa so wahr haben will.
Der Western „Wyoming“ wurde in Kalifornien gedreht und „Arizona“ folgerichtig in Oregon. Dieser Logik folgend ist es also kein Wunder, dass die Philly-Hymne „Rock your Baby“ in Miami entstand. Hinter Hymne und Album steckt ein gewisser KC, der später mit der Sunshine Band schmerzhafte Sado-Maso-Liedchen a la „that’s the WEH, a-ha, a-ha, I like it“ verbockte, aber eben 5 Jahre zuvor schon mal „seinem Backgroundsänger“ George jenen Welthit spendiert hatte.
Allerdings auf Umwegen. George war verheiratet mit Gwen und die war talentierter als George. Hatte schon ne 1. LP draußen. Also sang zunächst sie das Lied ein und dann, lediglich als Vergleich gedacht, George die B-Version. Aber KC merkte, dass die männliche Version im Wortsinn GEILER klang und veröffentlichte somit die.
George war im Nu Platz 1 und Weltstar, während Gwen, die ihn schon 10 Jahre durchgefüttert hatte, nicht nur in die Röhre guckte, sondern nun auch noch ein Tina Turner Schicksal erleiden musste: Mister McCrae verkraftete weder den plötzlichen Ruhm, noch die Flaute danach, geriet an Koks und schlug die Frau.
Gwen McCrae hielt noch bis 1977 bei ihm aus, dann war Schluss. Er verschwand als Tingelbruder auf europäischen Kreuzfahrtschiffen; ihr gelang ein bescheidener kleiner Hit mit „rocking chair“ noch in den 70ern und ein etwas größerer mit „funky sensation“ in den 80ern, bevor sie ganz und gar der Vergessenheit anheimfiel.
Mich machte das neugierig und so entstand mein Faible für Gwen McCrae.
Neulich traf ich meinen alten Kung-Fu-Kumpel wieder, diesmal ohne Pfeffi. Wir genehmigten uns das eine oder andere Bierchen und sprachen, um nicht in Streit über die Weltlage zu geraten lieber gleich von Musik; was unweigerlich bei Douglas und McCrae enden musste.
Er: „Ach ja, die CD damals, die habch och bloß wechen dem een Song gegoofd. Da habchmor jetz was gebrutzelt mit den Oldies but goldies von damals: „Bachmann(Turner Overdrive), Donna Summer, Mud, Rubettes und so weiter, da issor mit droff, dor Big Boss — hu-ha!“
Ich: „Habch genauso gemacht: George McCrae(Sexy one), the Cats, Suzi Quatro, Gloria Gaynor, Alvin Stardust, Three Degrees …“
Er singt prompt an: “Disco-Disco-Duck! Quakeldiquaaak! Hätch dich damals ewig offziehn gönn! Mit der Disco-Scheise! Hädch das geahnt!”
Prompt singe ich: “I feel Love, I feel Love, I feel lo-hove! — Donna Summer magst DU!”
Sein Conter mit Leichenbittermiene und Schulterzuck: “Hot stuff baby tonight!”
Verschwörerisches Grinsen beiderseits. Die Glasränder finden sich. Bling!
„Rock Your Baby“ mit seinem lockeren, tanzbaren Soul und mit den sanften Rockeinschüben, war 1974 eine Riesen-Nummer in den Diskotheken der Welt. Obwohl der liebe George dann noch ein paar recht gute Platten gemacht hat, verschwand sein Name bald wieder.
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Schön zu lesen dieser Bericht. Und ja klar, die unterschiedlichen Musiken, die sich in die pubertärverwirrten Seelen einnisten. Manche für lebenslang.
Beim Lesen dachte ich mir, was bin ich froh, dass meine Pub schon vorbei war, als die Marken Philly, Disco u.ä. samt ihren Protagonisten auf den Markt gespült worden sind.
Schlimme Sparten gabs ja auch früher schon, die wurden jedoch nicht so marktintensiv ins Publikum gepumpt. Stellvertretend fällt mir Bubble Gum ein. 1910 Fruitgum Co. oder Ohio Express. Obwohl, wenn ich an Quick Joey Small von Kasenetz-Katz Singing Orchestral Circus denke – besser aufhören zu tippen jetzt …
😉
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Naja die Altersfrage treibt so Blüten: Für Niedecken sind seinerzeit schon die Hollies und Bryan Ferry das leibhaftig Böse gewesen; weil sie unangemessen seinen Gott St.Bob gecovert haben.
Ich für meinen Teil bin froh, dass es bei mir nicht 10 Jahre später mit Modern talking, Bros und Jason Donavan anfing –
und die Bubble Gum Rocker bekam ich bereits als Oldies nachgereicht.
Die Equals; ab und an zu Anfang mit den Eagles verwechselt, waren toll: Come back! Baby come back!
Now I be there! Vivat Poppy Joe!
Zur 1910 FG Company fällt mir kein Song mehr ein.
Ohio Express: „Jummijummi, ich hawwe Liebe im Gummi.“ Schulhofaufklärung: Ecke erklärt, was ein Präservativ (Wrumser) ist. 🙂 Anno73/74
Aber wer um Himmelswillen ist denn das?
Quick Joey Small von Kasenetz-Katz Singing Orchestral Circus
Der Name klingt so geil, der/die muss/müssen doch gut gewesen sein!
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1910 Fruitgum Company – Simon Says. Die Kaugummikapellen gabs eigentlich garnicht wirklich. Studiomusiker zur Singleproduktion. Wir hörten die eine oder andere Nummer auf den Parties, privat oder in der Schule.
Von Quick Joey Small gibts jede Menge Coverversionen, wie ich soeben lese… Diese Nummer ist mein einziges Kaugummistück auf irgendeinem Mix…
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Die Aussicht auf die Albrechtsburg war großartig, aber trotzdem hatten die Fotos im Internet gelogen. Gewiss, die Jugendstilvilla gehörte zum Hotel. Da war der Frühstücksraum. Das eigentliche Hotel war ein scheußlicher Neubau. Das schlimmste waren die vielen schweren, laut zufallenden Brandschutztüren.
Ich erinnerte mich an einen Song von den Rolling Stones mit laut zuschlagenden Gefängnistüren. Wie hieß der doch gleich? In den letzten dreißig Jahren habe ich von den Stones immer nur die großen Alben gehört. Da war der nicht drauf. Er stammt noch aus der Zeit, bevor sie mit Beggars Banquet das Konzeptalbum erfanden.
Ich fand im Internet eine Abbildung der Rolling Stones- Schallplatte von Amiga, die ich längst nicht mehr habe. Vor und Rückseite, mit dem historischen Plattentext. Und dann „baute“ ich mir die Amiga- Rolling Stones LP als Wiedergabeliste auf dem Computer nach.
We Love You.
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Fast alles genauso:
Der Reinfall auf ne Fake-Fassade und wiederfinden im Betonbettenhaus;
die Langzeitsuche nach einem Song, dessen Rudimenterinnerung einen plagt;
das Zusammenbasteln alter Songfolgen, „weil sich das so gehört“ –
nur eben die Stones waren es bei mir nicht.
Eine Amiga-Lizenzplatte „nachbauen“ hab ich mal mit Benson gemacht: Seine „Greatest Hits“ der CTI-Phase;
aber fürs Auto in den 90ern reihenweise Kassetten wieder so bespielt, wie weiland 75/76 –
auf Status Quos „Caroline“ muss einfach Alvin Stardust mit „Jelous Mind“ folgen, sonst krieg ich Krämpfe!
Eric Burdons „Ring of fire“ Version erfordert zwingend „Hotelroom“ von der Edgar Broughton Band hinterher. Chicagos „Old days“, Americas „Sister golden hair“ und „Flyin‘ in the arms of Mary“ von Sutherlandbrothers & Quiver sind auch so’ne heilige Dreifaltigkeit. Usw. Endlosthema.
Zum Thema Brandschutztürenfolter … ein andermal per mail.
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