Renft und ich (VIII)
oder
Was noch zu sagen wär
Kommen wir nun zur letzten Strophe des „Liedes, das sich nun enden will“. Da zogen 7 aus, den Staat das Fürchten zu lehren und selber werden sie ebenfalls manches Mal vom Gruseln geplagt worden sein, bei dem, was ihnen widerfuhr. Aber sie blieben DIE Freigeister des Ostrocks.
1. Der Abgesang:
Nach „als ob nichts gewesen wär“ ruhte der Schaffenswille wieder für mehrere Jahre. Oder es fehlte am nötigen Kleingeld, um in Vorkasse gehen zu können, für eine neue Produktion. Crowdfounding wurde nie versucht.
1998 wurde 40 Jahre Renft gefeiert. Sowas wie Klaus’ns Dienstjubiläum. Es traten an: die neue Klaus Renft Combo, die dahinsiechende Truppe „Monsters Renft“ und Cäsar und die Spieler. Für einige Besucher der langersehnte Anblick aller 6 Vertreter der klassischen Skandalbesetzung zu fortgeschrittener Stunde auf einer Bühne. (Gerulf fehlte bereits; war schon in Chemo.) Andere bekamen mit, wie hässlich das Verhältnis untereinander zu diesem Zeitpunkt war. Wohl knapp vor neuerlichen Gläserwürfen. Der DVD-Livemitschnitt des Konzertes ist jedenfalls nicht das Highlight, das es hätte sein können. Es geschah im „Anker“ in Leipzig. Nach seinem Tod 2006 wurde das Straßenstück davor offiziell zur „Renft-Straße“. Eigentlich hätte es die komplette Schuhmannstrasse sein sollen. Eigentlich ein anständiger Einfall, den berühmtesten Sohn der Stadt nicht gar so sang-und klanglos zu beerdigen, aber die Kürze der Renftstrasse zeigt auch das Vertruxte, die halbgare „Entschlossenheit“ der Entscheider. „Manche Dinge ändern sich nie.“

Klaus
Kuno erlitt mehrere Hörstürze. Andere Quellen schieben es auf extremen Tinnitus, dass er 2005 das Handtuch warf, aber immerhin am Leben blieb. Pjotr starb im gleichen Jahr. Schwups war Monster wieder da. Rauchte das Kalumet mit den „Verrätern“ von ’98 und es begann eine Phase stabilen Tourens.
Mit Monster, Delle, Basskran Marcus und Heinz schien es sich gerade einzuspielen – da ereignete sich jene Nachtfahrt 2007. Heimfahrt von‘ner Mugge, irgendwo in Sachsen. Sekundenschlaf des Fahrers, ein sich überschlagender Tourbus. Alle verletzt – Heinz tot.
2. Renft goes on – the Pitti-Years
Die Stehaufqualitäten der Band sind allein schon legendär: Ein halbes oder dreiviertel Jahr später touren Monster, Delle und der Basskran-Marcus mit Gisbert Piatkowski an der Gitarre. The Pitti-Years beginnen. Sein Weg durch die ostdeutsche Rockgeschichte wäre ein Roman für sich. Jedenfalls beginnen mit ihm die interessanten Zeiten musikalischer Zitate.
Ich sah die Band in dieser Besetzung zum ersten Mal bei einem Doppelkonzert mit Stern Combo Meissen in Kühlungsborn 2008. Die Meissener ihrerseits hatten gerade ebenfalls großen Bandinternen Knaatsch und Band-Doppelung hinter sich; sollten als erste spielen und hatten irgendwelche Technikprobleme mit der von Berluc vor Ort geborgten Anlage. Alles verzögerte sich. Dann spielen sie endlich doch – aber so, wie mir mein Kumpel Udo einst jenen denkwürdig miesen Deep Purple Auftritt von Weissenfels beschrieb: Lustlos wurden eine handvoll Hits heruntergeschrubbt. Besonders Vivaldis „Frühling“ kam hierbei erbärmlich unter die Räder: Mal sehn ob wir den 12Minüter auch in 5einhalb Minuten schaffen! Zuspät angefangen, aber das Repertoire nicht kürzen wollen, wissend, dass 22:00 Uhr Schluss sein muss, wegen Ruhestörung im See-Bad, bescherten sie damit Renft ein Problem: Nur ne knappe Stunde noch, wenn ihr sofort und ohne Sound-Check losballert!
Wut ist ein verlässlicher Begleiter! Die folgende Stunde machte den bisherigen lausigen Konzertabend wett. Schlechtgelaunte Meissener sind ein Trauerspiel. Ein wütender Monster on Stage – eine Freude. Und Technikprobleme gab es für sie auch keine!
„Wir legen los! Mit’n Applaus müsster euch bissl beeilen. Wir machen keene Pausen!“(Monster)
Und so wars: Volle Pulle durch. Sie spielten 60 Minuten. (Aber keine beschleunigten Rammelversionen wie STERN zuvor!) Pitti streut in fast jeden Renftsong ein gutpassendes Gitarrenzitat von Led Zeppelin, van Halen und schließlich taucht sogar das Thema von „Race with the devil“ in „Nach der Schlacht“ auf. Sozusagen 2 „Osthits in einem“, denn die Gun-LP hatte ja im Osten fast jeder, während die im Westen kaum einer kennt. Kurz vor 22:00 Uhr wurden sie gemahnt, aufzuhören, sonst bekäme der Veranstalter Ärger. Monster ließ es das Publikum wissen. Und in die Pfiffe und das Buh fiel seine Ansage für das letzte Lied:
„Ruhestörung! Sperrstunde! Konzertverbote! Manche Dinge ändern sich nie!“ Joooohl! Pitti spielt ein Intro und Monster startet als Rausschmeißer ach so passend:
„Als ich wie ein Vogel war! Der am Abend sang! Riefen alle Leute nur- “ und die braven Kurgäste und die Handvoll nachpilgernde Hardcore-Fans stimmen lachend ein: „Sonnenuntergang!“
DIE Stunde hat sich gelohnt!
2010 erscheint „Renft goes on“, live in der Besetzung von Kühlungsborn. Klar. Die musste auch noch sein. Ganz okay. Kein Meilenstein-Album. Musikalisch besser als die „live 1990“. Leider wird der Verbots-Vers zu Beginn nicht mehr verwendet. Monster röhrt (noch sehr gut bei Stimme) auch seine Jugendhits „Come together“ und „Born to be wild“, Pitti zitiert in die Impro-Parts mit der Gitarre ein paar Überraschungen hinein. Geht gut durch.
Schwachpunkt: Hintendran gibt es einen viertelstündigen Konzertauszug von einem Auftritt im Kosovo vor Bundeswehrsoldaten, wodurch eine eigentlich verzichtbare Version von „Sunshine of your love“ und „Ich und der Rock“ zum zweiten Mal auf der CD gelandet sind – und „Sonne wie ein Clown“ fehlt! Ein letzter zänkischer Arschtritt in Richtung Pannach+Kunert? Keine Tantiemen für die Besserwisser?! Ich habe die Monsterbesetzung 3x live gesehen. Jedesmal war „Sonne wie ein Clown“ dabei. In meinen Ohren eine vielsagende Abwesenheit auf der Platte! Schade drum.
Die Band war von 2007-2019 stabil. Dann starb Marcus der Basskran. Pitti hat viele Nebenjobs als Gitarrenlehrer, als Sessionmusiker bei zahlreichen anderen Projekten, bei Engerling…
Anfang 2020, noch vor Corona, gab Delle bekannt, dass er aussteigt. Differenzen innerhalb der Band, heißt es. So so. Ähem, die nun noch aus wem alles besteht? So steht Monster mal wieder allein auf weiter Flur. Last Man Standing. 75 Jahre alt. Allein – und voller Pläne…
3. Was übrig bleibt
Die Puhdys stanzten Plattitüden, brachten sie auf Platte unter die Leute, blieben ungefährdet und wurden reich. Music for the masses. Die Vermarktung hatten sie besser begriffen.
Die Memoiren von Maschine Birr stellen eine überflüssige Sammlung alter, sattsam bekannter Interviewaussagen dar. „1969 haben Fans aus Gardelegen ans Fernsehen geschrieben….“
Und dann lies mal „Nach der Schlacht“ von Delle Kriese!
Von den 7 Samurai des Ostens kann jeder eine Biografie vorlegen, die nach Verfilmung schreit!
Ich hätte es den Renftlern gegönnt, dass sie da ankommen, wo heute Rammstein sind. War nicht drin. On the road verschlissen zum kleinen Preis.
Was wird bleiben?
Die Renftler lebten so, wie viele von uns gerne hätten leben wollen, damals in den 70ern. Seit Jahrzehnten sonnen sich viele da draußen, Träger biederer Brotberufskarrieren gleich mir, in ihrem Licht. Vor der Renft- oder Cäsar&Spieler-Bühne bist du immer auch selber ein klein wenig Renftler!
Sie waren unser Ventil und wurden unsere Legende.
Sie eckten an, machten Fehler und bezahlten den Rock&Roll mit dem Leben. Idole eben.
Vielleicht haben sich Gerulf, Klaus, Pjotr, Heinz, Cäsar, Marcus und die noch lebenden Kuno, Jochen und Monster in finsteren Gemütslagen gefragt: Was hab ich erreicht?
Die Antwort ist einfach: Renft goes on! Eure Songs sind in der Großhirnrinde all der Boomerjahrgänge im Osten einzementiert! Eure Platten und CDs drehen sich weiter, solange es noch Plattenteller und CD-Player gibt. (Und alte Knacker wie mich, die sich Spotify verweigern!)
Da sind mehr als eine Handvoll große Nummern entstanden, dank Cäsar und Demmler auch in den Anfangstagen von Karussell noch, die inzwischen Volkslieder sind. Viele Songzitate leben als Sprichwörter fort – bis die Jahrgänge 1963/64 ausgestorben sein werden.
„Arbeitszeit schreit die Sirene!“, wenn morgens das Handy piept, oder die Hähne krähn.
„Mama! Du meine Mama!“ Es war grad wieder Muttertag.
„Irgendwann will jedermann raus aus seiner Haut, irgendwann denkt er dann – wenn auch nicht laut.“, eine systemunabhängige Weisheit.
„Ach – könnt ich dir ne Sonne baun!“, der ständige Seufzer über das Ausbleiben des besseren Menschenbildes.
„…und der Kopf hat immer frei dabei!“, nicht nur an den Fließbändern dieser Erde.
„Manchmal fällt auf uns ein Frost…“
„Stoß auf die Tür aus Stahl! …“
„Mein Regen wurde krank und auch mein Wetter!“
„Fenster zu! Draußen schwirr‘n Gerüchte!“
„Es war mal eine Zeit – in der das Gold nichts wog. In der man nicht einmal für Ruhm und Ehre log.“
(Nein, die Mauer muss nicht wieder hoch. Aber unsere Jugend fand nicht in Bautzen II statt, sondern war schön!)
„Die Zeit kämmt mir das Haar mit Zangen.“
„Hol mich oder ich flieh!“
Usw. Usf.
„Nu geh ich ohne Gruß – das war mein Bluuuuuuues!“
Leipzig 2006
The End.
©Bludgeon
Ich zieh meinen Hut für diese Serie und die Einblicke in einen musikalischen Kosmos, der mir nun ein Stück näher gekommen ist – dankeschön
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Schön, wenn’s funktioniert. Dankedanke.
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Und ich setz´ mir eigenes einen Hut auf, um ihn ziehen zu können … auch wenn die Puhdys wieder mal nicht gut wegkommen … Respekt mag ich Dir dennoch zollen !
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Danke, danke. Da man im Westen meist nur Puhdys und Karat aus dem Osten zur Kenntnis nahm, wird man dort nie verstehen, dass für die Mehrheit der Music-Junkies meiner Generation Puhdys bestenfalls trockenes Knäckebrot sind. Renft nahrhafte Wurststulle und Silly (solange es die Tamara-Band war) Delikatesse.
Puhdys-Konzerte waren zwar auch weit im Osten immer voll – aber das war eben so das Fussvolk der Musikkonsumenten,(„Ach ich hör mir alle guten Lieder an.“) die gehen dann auch zu Helene Fischer oder den jetzigen Karussell + Silly.
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