Fehler im System XIII

Renft und ich (II)

In meine Tanzstundenzeit ’77 fiel ein Film: „Saitenwechsel“ von Olaf Leitner (Rias-Moderator und Musik-Redakteur). Der wurde ein einziges Mal auf ARD 20.15 Uhr gesendet – aber ich war aus eben jenem Grund verhindert. Ich sah ihn auf youtube neulich erst.

Der Film zeigt die ersten Schritte von Klaus Renft und seiner damaligen Freundin nach ihrer Ankunft in Westberlin 1976. Es ist so ein halb-und halb Dok-Spielfilm mit „durchwachsenen“ schauspielerischen Leistungen von Klaus und Olaf, sowie „Musikpromotern“ und Schlagersternchen auf Sendertour.

Der Film war damals untypischerweise mit Trailern beworben worden, weil sich der Sende-Rat sicher denken konnte: Bei uns interessiert das kein Schwein, aber die Jugend drüben; und die haben keine „Hörzu“.

Bei dem einen Mal blieb es, weil unübersehbar ist, dass Klaus, als eher braver, zurückgenommener Sachse „der nur spielen will“, sich zu typischen Kalten-Kriegs-Schlagzeilen nun mal nicht eignete.  Außerdem war er zwar der Vater der Band, aber nicht der politische Schwarmgeist im Biermannfahrwasser gewesen. Deshalb war nach dem 75er „Kennzeichen D“- Special kein weiteres Interview und auch keine Sendertournee von ihm erfolgt. (Lediglich Olaf Leitner hielt an ihm fest: Das alljährliche „Rock over Rias“ hatte immer mindestens eine Deutschrockstunde, die auch auf die Szene jenseits der Mauer sah, was nie ohne einen Renft-Track abging.)

Die Medien-Karawane war weitergezogen: Die Biermann-Chose war gerade am Laufen – und DER war der geschicktere Pfau, der da nun auf dem Misthaufen der Systempropaganda beider Seiten nach Würmern suchte und die Schwanzfedern spreizte. (Sehr bezeichnend: Jene „Saitenwechsel“-Szene eines Telefonates zwischen Klaus und Wolf in Westberlin) Die Krug-Solidaritätsaktion und das Aufsehen deshalb kosteten den weiteren Schicksalen der 7 Samurai der DDR eine ganze Portion Ruhm, da das mediale Interesse(west) an ihnen nun erlosch. Im langanhaltenden Biermann-Hickhack,

– welche Künstler haben die Resolution gegen die Ausbürgerung unterschrieben? Welche haben zurückgezogen? Wer hat da jetzt Berufsverbot? Welche DEFA-Filme landen auf dem Index? Wir zeigen einen 22 Uhr! Wie geht es Krug? Stellt er Antrag? Wann kommt er rüber? Was sagt Havemann dazu? Krugs erstes Interview im Westen! Krug und Kinski bei Münchenhagen im Talk!

ging auch unter, dass Pannach und Kunert, nach dem Band-Ende nun erst recht Dissidenten geworden waren und trotz Auftrittsverbot noch Mittel und Wege für heimliche Gigs gefunden hatten. Das Resultat waren 9 Monate U-Haft und die Abschiebung in den Westen. Da sie gesessen hatten und vermeintlich „Anti“-DDR waren, kam der CBS-Plattenvertrag prompt. Die LP wurde in Hamburg produziert und ging sang-und klanglos unter.

P und KDenn sie landeten politisch auch hier „zwischen allen Stühlen“. Pannach und Kunert sahen sich als linke Regimekritiker, nicht als Antikommunisten. Um im linken Spektrum der BRD einen Fuß in die Tür zu bekommen, hatten sie auf dem Debut sowohl Songs ihrer jüngeren Vergangenheit in der DDR als auch einige Solidaritätslieder für politisch Inhaftierte in Moabit und Fuhlsbüttel. Dieser „Brückenschlag“ – Polizeigewalt „hier wie drüben“- misslang gründlich.

Null Airplay im NDR; ein paar Feigenblatt-Sendetermine im Rias, dank Olaf Leitner; das wars.

Ich erfuhr von diesen Werdegängen nichts. Das Klaus im Westen war, wusste ich durch die „Saitenwechsel“-Trailer. MEIN Renft-Erlebnis war mein erstes Karussell-Konzert im Sommer 1978, das ich hier schon beschrieb. Pannach und Kunert hatte ich einmal Sonntagvormittag in der ARD erwischt – Jugendfernseh-Termin 11.15 Uhr nach dem Aufstehen. Der Eindruck dieses Konzertes war durchwachsen. Zwar brachten sie „Zwischen Liebe und Zorn“ zu Gehör, aber auch „Verfluch nicht den Wind“. Dort gibt es einen bösen Vers auf einen alten Freund:

„Heut sah ich seine Show mit ner Rock&Roll Band/ und nun bin ich froh, dass er mich nicht mehr kennt.“

renft 3War das auf Cäsar gemünzt, der nun bei „Karussell“ spielte? Was wollt ihr Nasen denn?! Der hält das Erbe hoch! Wegen dem seid ihr nicht vergessen! Siehe 950-Jahrfeier-Konzert in Naumburg! Die Karussell-LP „Entweder – oder“ von 1978 klingt wie eine 3. Renft-LP! Mit „Besinnung“ ist da sogar ein Renftsong drauf! Und dann so ein Undank „von drühm“? Knallköppe!

Vielleicht kam auch deshalb dieser komische Song „…und der Wind endet nicht“ auf der 2. Karussell-LP zustande. Ohne Kenntnis dieser Vorgeschichte wirkt der peinlich staatstreu, war vermutlich aber als Antwortsong gedacht:

Sa-ha-hand in unserm Getriebe, Zo-ho-horn in unserer Liebe, Sa-ha-hand, pusten wir aus dem La-ha-hand.“

Nun war man quitt!

Cäsar traf Pannach in den 80ern mehrfach in Prag. Er spielt auf Pannachs Solo-CD „York 17“ Gitarre. Pannachs Text „Geht es dir gut“ ist dort und auf Cäsars letzter CD zu finden – also alles wieder gut.

©Bludgeon

 

5 Gedanken zu “Fehler im System XIII

      • Tja, hochinteressanter Artikel: „Freundin“ Nina Hagen tritt mit Biermann auf. Ach so. Kicher-kicher-grins.Läd zum Weiterdenken ein: Ja, wie konnte bloß diese unbekannte Newcomerin aus „der Zone“, die dort gerademal einen „Farbfilm vergessen hatte“ im Westen ein gutes Jahr nach ihrer Ausreise so dermaßen durchstarten?
        Kirsch und Kunert: Welche Relevanz selbst Lyriker, die gar keine Rocktexte schrieben, im Kalten Krieg bekamen. Wer eigentlich machte die groß? Die las doch keiner!

        usw.

        Die richtige Geschichte des dt.-dt. Zweikampfes wurde noch nicht geschrieben.

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