Das letzte Jahrzehnt (musikalisch)

Hey! Da hat der Mr. Autopict mir doch glatt eine heraufziehende Schreibblockade beseitigt. Er hat in seinem Blog ganz herrlich über die musikalische Ausbeute des letzten Jahrzehnts nachgedacht. Wie das so geht und „was es mit uns macht“, die in die Jahre kommen und das Dudelradio hassen. Was bleibt da an musikalischer Ernte übrig auf der Suche abseits aller Mainstream-Pfade?

Während sich da bei ihm noch durchaus jüngere Herrschaften herumtreiben, kommt hier mal mein persönliches Best of in der Rangfolge der momentanen Laune:

Nachdem ich einsehen musste, dass meine letzten musikalischen Entdeckungen neuerer Namen aus den Jahren 1999 (Haggard) und 2006 (Opeth) stammen, wurde es erst einmal ganz finster in mir: Würden sich in meinen Beständen Anschaffungen finden lassen, die wirklich zwischen 2010 und 2019 fallen?

Überraschung! Es ging! Aber es ist eine stockkonservative Liste geworden:heart1 (2)

Platz 1:  Heart „Red velvet Car“ (2010), die Platzierung muss sein; Helferinnen in schwerer Zeit; „durchsichtig gespielt“, wie man so sagt. Es gibt so Stars, die waren immer da; die hälts du fast für Familienmitglieder, die scheinen mit am Tisch zu sitzen und „nur zu dir“ zu sprechen.

Platz 2: Tanya Tucker „While I’m living“; (2019) noch taufrisch, derzeitige Dauerdroge, wegen „the house that build me“ und Dutzenden anderen Anknüpfungspunkten für die eigene Biografie. Ein reifes Spätwerk, wie einst die „American recordings (III)“ von Johnny Cash;

Platz 3: Marillion „Fear“ (2016); ein musikalischer Kommentar zur Zeit; zur verfahrenen Situation der Weltgeschichte; Ausweglosigkeit in ihrer schönsten Form. Hier schafft es Mr. Hogart nun endlich auch bei mir anzukommen als Fish-Nachfolger;

Platz 4: Robbie Robertson „How to become clearvoyant“ (2011); die gekonnt tiefsinnige Abrechnung mit den wooden ships, den Hippie Dreams, dem „eigenen Ding machen“, nachdem du dann aber ohne eigene Familie dastehst… Tröstet dann eine Espressomaschine?

chris (3)Platz 5: Chris de Burgh „Moonfleet and other stories“ (2011); eine Pladde für Leseratten. Erinnerst du dich, wie du mit roten Ohren und Gänsehaut vor Spannung „Die Schatzinsel“, „Tom Saywer“, Toka-Ihto oder Kara Ben Nemsi gelesen hast? Erinnere dich an dein Lieblingbuch der Jugendzeit und widme ihm ein WERK. So hat er’s gemacht, der kleine Schlossherr von der Insel. Volltreffer.

 

Platz 6: Chris de Burgh zum zweiten: „Hands of man“ (2014); es war einfach sein Jahrzehnt; ich hab ihn auf beiden Touren live gesehen; der einzige Star, dessen Roadies mit angemessener Lautstärke umgehen können. Die Platte hier ein beindruckender Bogen an Selbstreflektion zwischen Erlebtem und Erlesenem. „Wo sind wir stehn geblieben?“, scheint auch er zu fragen. Ein feinfühliges Zeitzeichen: Eigentlich hat es doch mal geheißen, dass Vernunft siegen soll (so wie in „the keeper of  the keys“ herbeigejubelt), aber drum herum der böse Rahmen aus Titelsong und „the fields of Agincourt“ (eine historische Lehre, die keiner zieht, womit sich der Kreis zu Marillions „Fear“ zu schließen scheint). Und dann wäre da noch „the Bridge“: früher hatten wir mal Poeten, die so reimen konnten: Heine, Chamisso, Uhland, Rückert… heute brauchts eben den kleinen Iren.

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Platz 7: Waggershausen „Aus der Zeit gefallen“ (2019); Leute nehmt die Langfassung, das Doppelalbum; wenn ihr euch mit der Kurzvariante begnügt, fehlt „Der Rock and Roll holt seine Kinder heim“ – die beste Nummer dieses Zyklus. Die Drinks, die sind getrunken…jaja…Das Gespensterhaus im Bayou wartet „Hey-hey Hank Williams! Mach sie auf die Tür!“… oder die losen Mädchen von New Orleans… Das alte Lebensgefühl unprüder Zeiten: jetzt wo sie alle „sterben gehen“ ein letztes schönes Wiedersehn…

Platz 8: Deep Purple „so what?!“ (2013); wer hier mitliest, den wird’s nicht wundern; gerade sehr angesagt in Bludgys Player, denn die Akkorde ballern dir alle hochwillkommenen Geister „Deiner Zeit“ an die Zimmerwand: Yes, Kansas, Alan Parsons Project, Supertramp… und obendrein der bitterbös-witzige Text von „Hell to pay“ … zuhören lohnt sich!

Platz 9: Yes „Heaven and earth“ (2014), allgemein arrogant in Grund und Boden kritisiert, von Leuten, die vermutlich nicht mal Blockflöte spielen können: „Wieder kein Close to the edge (II)!“ Pö! Aber bei mir schon 3 Sommer lang der Soundtrack für die Fahrt in die Ferien. Yes für die Autobahn. It works!

Platz 10: Witt „Neumond“(2014); ich schwankte zwischen ihm und Rod Stewart, ich ließ ihn gewinnen, denn dass dem Goldenen Reiter nochmal ein ernstnehmbares Werk gelingen würde, wagte ich nach der Enttäuschung über die „Bayreuth/Flut“ nicht mehr zu hoffen. „Neumond“ erschließt sich zwischen den Zeilen als Seelenstriptease der Extraklasse. Und wen es gegen den eigenen Willen weit weg geweht haben sollte von daheim, dem geht’s vielleicht wie mir,wenn er die Pladde hört, nächtens auf der Autobahn…

14 Gedanken zu “Das letzte Jahrzehnt (musikalisch)

  1. Ahh, sähhr schööhn!
    Ja, interessante Liste, manches kenne ich, manches kenne ich ein wenig. Und manches gar nicht.
    Opeth hat mir mal ein ehemaliger Kollege ans Herz gelegt, ich wurde nicht so recht warm damit, aber, und das verbinde ich immer mit Opeth, er hat mir auch Aereogramme ans Herz gelegt. Definitiv eine meiner großen Platten, vielleicht DIE Platte der 00er Jahre für mich (‚My Heart Has A Wish That You Would Not Go‘) und das ist das Problem: falsches Jahrzehnt…
    Da muss ich mich wohl durch deine Liste arbeiten, wobei Chris de Burgh hat bei mir seit seiner Lady in Red verspielt.
    Schön, und gut, wenn ich am Durchbruch deiner Schreibblockade beteiligt war 😉
    Schöne Grüße ins Musikwunderland 😉

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      • Ich war dem Chris ja nicht mal abgeneigt, ‚Don’t pay the Ferryman‘ fand ich ganz groß und ‚Patricia the Stripper‘ sowieso.
        Aber, psst, nicht weitersagen: wenn ich ganz alleine bin und keiner zuhört, dann läuft manchmal gaaaaanz laut ‚A Spaceman Came Travelling‘, im Auto gaaanz groß— da wird auch der schwere Refrain mitgesungen!!!!
        Mein absoluter Burgh Lieblingssong, für den würde ich sogar ins Konzert gehen.
        Aber du schwörst, nicht weitersagen.
        😉

        Hm, ich muss mal eine Sternencompilation zusammenstellen. Start mit Bowie, dann de Burgh, der Schilling, Hendrix, …. 😉

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  2. Ok, dann will ich hier mal die Minderheitsmeinung vertreten : Disturb mit ihrer Version von Sound of Silence, Polarkreis 18 für Deutschtecno, auch wenn du Berlin nicht magst: Peter Fox mit Stadtaffe,Lady Gaga: the Fame Monster , Donald Fagen mit :the nightfly (PopJazz), Yooyoohoney mit Voodoosoul, The Green man : you decide (Drum+Bass) , Dirk Massen: Avalanche (KlavierAmbient ) meine Platten des Lebens : Al Stewart :Year of the cat und : Massive: Massive Attack, sowie : Brian Eno/Harold Budd :The Pearl (ElektroAmbient) und jedes Jahr einmal : ABBA : Happy new year, the winner takes it all , the name of the game, eagle….Na, sprachlos vor Schreck ? 🙂 LG Jürgen

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    • Zähneknirschend akzeptiert. Hat halt jeder so seine Leichen im Keller. (Pst ich mag z.B. „Bye bye Baby“ von den Bay City Rollers. Aber nur DEN Song! Den mochte ich schon bevor ich wusste, dass das eine Coverversion eines 4 Season Songs ist.)

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      • Danke, ich habe ja auch ganz bestimmte Songs von Abba genannt (und ich denke das sie Songs schreiben konnten wenn man sieht wie ihre Grundmelodien bis heute immer wieder gecovert werden. Meine sind die regenverhangenen dunklen Geschichten ohne gutes Ende…Schweden im Winter halt…Chris de Burgh mag ich übrigens auch (selbst Lady in Red ist erträglich wenn man es nicht 10Mal am Tag hören muss) Und wenn ich an bestimmte Lebensabschnitte denke und einen bestimmten Song damit verbinde…da gibts noch ein paar heftigere Leichen in der dunkelsten Ecke des letzten Kellers 🙂
        PS : Ich vergass oben : Metro : Future Imperfekt, 2 Platten verschlissen aber leider haben sie das Ding nie auf CD rausgebracht.

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