Dion?
Ja.
Celine?
Nee!
Wer dann?
Na „Dion“ eben. DER Dion. Von den Belmonts.
Aber hier geht’s eher um seine eigentliche Karriere danach.
Ende der 90er, als alle Nachholkäufe getätigt waren, geriet ich in einer Ausgabe des „P.M.“ Magazins an ein Zitat aus „Abraham, Martin and John“ von Dion diMucci; und Werner Voss sei Dank, wusste ich, wer das ist!
Eine angenehme Erinnerung wehte mich an: „Rock&Roll Museum“(NDR2); „Memory Hits on DLF“ … wohlige Abendstimmung in altertümlich möblierten Zimmern, in denen nur eine spärliche Stehlampe leuchtet und das Magische Auge des Radios glüht, während im Sessel unter der Lampe ein dürrer Hering fläzt und in einem alten historischen Roman schmökert. Twilight time.So wird dann Lady de Winter zu „Runaround Sue“ oder „Only you“ zum Liebesseufzer von D’Artagnan. Und plötzlich weiß ich wieder, weshalb mir bei jeder abendlichen Hunderunde unter Sternen als erstes immer „Why-why-why are the stars in the sky? And the same kind of stars I can see in your eyes…“ in den Sinn kommt. Gefolgt von „Blue moon! You saw me standing alone! Without a dream in my heart…“
„today the music ain’t got the same soul, I like that ol’time of Rock&Roll!“
Bob Seger hatte damit bereits in den 70ern recht, aber heute ist es noch viel schlimmer.
Wenn heutzutage Apps beinahe alles möglich machen, dann sollte es auch machbar sein, dass, wenn man ein altes Holzkasten-Röhrenradio einschaltet, dort gefälligst 50er Jahre Radio rauskommen müsste: Sonore Moderation von Adenauer- und Ulbricht-Neuigkeiten, Bert Kaempfert und Ray Conniff Orchester Dudel, Ralf Bendix, Hazy Osterwald, Brenda Lee Geplärr und ab und an EIN versprengter (fast)Rock&Roll der gebändigten Sorte – so Ricky Nelson, Roy Orbison-Style: Mercy, rrrrrr!
Um 1960 starb der Rock&Roll fast aus. Elvis bei der Fahne, Buddy Holly und Eddy Cochran tot, Chuck Berry und Jerry Lee Lewis im Knast bzw. vor Gericht. Amerikanischen DJs zerdepperten medienwirksam Rock&Roll Schellack – es schien vorbei zu sein.
Die Rebels der frühen 60er mussten sich mit wenig begnügen, bis 63, eher 64 dann die englische Wiedererweckung einsetzte. Yeah-yeah-yeah!
In dieser Windschattenphase sahnten sie erstmalig ab: Dion and the Belmonts. Doowop-Wohlklang und gekonnte Auftritts-Choreo. Die konnten sich sehen und hören lassen.
Memo-Meister Gerd Alsen outete sich einst auf die Frage, ob er eher Elvis oder Buddy Holly Fan in seinen jungen Jahren war:
„Ich mochte beide, aber meine Nr. 1 waren eher Dion and the Belmonts.“
Werner Voss, der NDR-Rock&Roll Papst, widmete Dion mit und ohne Band gleich mehrere Sendungen seines „Rock&Roll Museums“, erwähnte aber dort mit keinem Wort, wie es mit denen nach 1964 weiterging.
Und nun in den 90ern in einem Geschichts-Journal der Hinweis auf eine Platte aus dem Jahre’68, von einem der damals überhaupt keine Relevanz mehr hatte.
Dion diMucci, wollte wie viele Einwandererkinder, raus aus der Bronx. Mittellos. Kleinkriminell, wie die 4 Seasons von der Konkurrenzband, trainierte man – mit nichts. A capella. Doowop ging eigentlich immer, damals. Er galt als stubenrein. Die Platters als große Kunst.
Die Belmonts traten sehr gepflegt in Erscheinung, wurden vor die kleinen Mädchen gelassen, lösten Hysterie aus und wurden prompt als Künstler eigentlich nicht mehr ernst genommen.
Dion stieg aus, landete noch ein paar Hits a la„Donna the Primadonna“ und kam schließlich mit seinem „all time greatling“, dem bösen-bösen „Wanderer“ um die Ecke. Zur rechten Zeit am rechten Ort. Drei junge Typen, unabhängig von einander hörten ihn und erkoren ihn zu ihrer Prägemarke. Dion wurde so Idol für ein paar „Harte“, die später mal weiterkommen sollten als er. Davon wird noch zu reden sein. Oliver Stone setzte dem Song ein Denkmal in „Geboren am 4.July“ und verknüpfte ihn dort geschickt mit dem sich anbahnenden Vietnam-Trauma.
Der Erfolg schien Dion recht zu geben. Von nun an nicht mehr nur Mädchenstar! The british invasion ereignete sich, fuhr die Amiland-Szene vorübergehend komplett an die Wand und schlug den Kids den mitgebrachten Blueseinfluss als re-import um die Ohren. Dion ließ sich inspirieren, motivieren und begann das alles auch zu singen von „Spoonful“ bis „Hoochie-Coochi-Man“. Wer, wenn nicht er, als ehemaliger Straßenköter aus der Bronx, hatte ein Recht dazu? Diese Kunststudenten von der Insel etwa?
Unglücklicherweise geschahen jene Bluesnummern nur als Singles ohne Werbung und Airplay, nicht als LPs – und floppten.
Dann starben kurz hintereinander Martin Luther King und Robert F.Kennedy gewaltsam, aber typisch amerikanisch. Die Aufregung war riesig und Dion coverte„Abraham, Martin and John“. Wieder zur rechten Zeit… (Auch wenn im Song der andere tote Kennedy gemeint war.) Diesmal ließ sich die Company zur LP erweichen – die Welt staunte über ein schönes, harmonisches Hippie-Folk-Album von einem ehemaligen Mädchenschwarm, der nun keine Pomade mehr in den Haaren hatte, und auch sonst zu überraschen verstand: Jimi Hendrix‘ „purple haze“, wie es Peter Sarstedt oder Scott McKenzie spielen würden, Leonard Cohn und Joni Mitchell Referenzen – fertig war ein kleines Comeback.
Nicht von Dauer. Fast 20 Jahre künstlerische Dürre standen an, unterbrochen von halbherzigen Dion&the Belmonts-Reunion-Geschichten ohne Aufsehen. Aber bei irgendeinem Charity-Auftritt anfang der 80er begegnete Dion Lou Reed – und staunte, dass dem Mr. Cool plötzlich die Worte fehlten, denn der stand nun vor seinem Idol, dessen Songs er vor dem Spiegel einst imitierte bis zum Umfallen. Paul Simon kam hinzu und outete sich ebenfalls. Nun fehlten Dion die Worte. Man blieb in Kontakt – wollte eigentlich „mal was zusammen machen“, aber wie das so ist: Zeitchen verging. 1989 jedoch fanden sich die 3 im Studio von Nick Lowe zusammen, als vierter tauchte ein gewisser Bruce Springsteen auf und herauskam ein weiteres kleines Dion-Comeback: Das witzig-spritzige Album „Yo’Frankie!“ (Eventuell ein ironischer Gruß an Frankie Valli von der Konkurrenz? Die 4 Seasons hatten gerade ein letztes erbärmliches Album ins Überangebot des Marktes versenkt.)
„Yo Frankie!“ (1989) ist geil. Knackig. Frisch.
Aber „Deja nu“ (2000) ist besser. Hier ist Dions Handschrift erkennbarer. Mit neuem Equipment wurde hier ein Album erschaffen, das klingt, als sei es 1962 aufgenommen und nun erst veröffentlicht worden.
Die vergessen Bluesnummern der Mit60er erblickten nun auf CD gesammelt ebenfalls das Licht der weiten Welt. Die Doppel-CD „The road I’m on“ enthält aber nicht alles aus jenen Tagen. Hier schlummert noch ein Betätigungsfeld für die Trüffelschweine von Baer Family Records.
Das Wiederbefassen mit jenen alten Bluesversuchen ergab dann noch die Kreativexplosion, der das Album„Bronx in blue“(2006) seine Entstehung verdankt. „Grammy nominated“! Später Lorbeer! Immerhin.
Der alte Sack ist unverwüstlich. Vor ein paar Monaten feierte er seinen 80. Geburtstag – auf Tour.
Interessanter Rückgriff! „The Wanderer“ ist ein echter Klassiker aus der Endzeit des Rock’n’Roll, der auch nach über fünf Jahrzehnten ist noch hörenswert ist. Ich mag auch seine kitschigen Teenager-Balladen „I Wonder Why“ oder „Runaround Sue“.
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Geht mir genauso. Allerdings gebührt das Krönchen für perfekten Doowop dann doch den 4 Seasons.
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Doo Wop ist ja bezeichnend für einen Stil, der sich stilistisch nie ganz einfach eingrenzen liess. Ein Thema, dem ich mich einmal in einem Blogbeitrag widmen werde.
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