Der Soundtrack der Wende…

…war für mich nicht „Als ich fortging“, „Wind of change“ und „Freiiiii-heit, ist das einzige, was fehlt“.

Das fast vergessene Jubiläum naht. Seit 30 Jahrn nu simmor Wesdn! Da denkch ochema zurück:

Der erste Song stammte von einer 1989 seit gut 5 Jahren künstlerisch toten Band: Karussell. Und einer der überflüssigsten LPs der Ostrockgeschichte „Café Anonym“. Und war bereits 1987 „Hit des Jahres“, wer immer auch die DDR-Hitparaden fälschte.

Der zweite Song stammt von einer Band, die sich durch die internationalen Hardrockeinflüsse klaute und ab und an mal einen Treffer landete: „In Trance“…“Is there anybody there?“ … „Still loving you“ Aber sonst? „Ibrahim! Rock you like a Hurrican!“ Ist das heute eigentlich noch pc? Also die brauchte ich eigentlich auch noch nie wirklich heftig.

Schwieriger liegt der „Fall Marius“. Hach, hatte der mal eine Kodderschnauze! „Loch in meiner Tasche“, „von drüben“, „Zurück auf die Straße“, „Berlin du alter Junkie“, „Hey tanz mit mir!“… aber dann reimte er irgendwann Natascha auf Flascha und wurde sowas wie ein Ruhrpott-Maffay. In der Wende gefiel er mir grade noch, aber kurz darauf schmierte er ab – um nie mehr wahrgenommen zu werden.

Nein, meine Wendehymnen sind andere. Hier ein paar Schnipsel. Rate mit! Wieviele (er-)kennst du noch?

Bandsalat 87/91

„Alright friends, now you’ve seen the heavy Groups! Now you will see Morning-Maniac-Music.  Believe me, yeah. It’s a new dawn. Morning people! When the truth is gone…./Wir machen ein Geschäft mit deiner Seele/mit Jumping Jack and Lucy Sky, im Dschungel an der Hochbahnbrücke war Rudi auch noch mit dabei/Here I am again on my own, travel down the road I only Know!/kiss via satellite!/aber fliegen hab ich nicht gelernt, davon bin ich weit entfernt/satt zu essen und’n Ausweis in der Tasche, der was gilt/Schweigen und Parolen, laut schrein und verstohlen schwach sein und Wille in Bewegung und dann absolute Stillestillestille/Taking the long road/What about you?/Aber das ist ja ein Ziegelstein?!/Halber Meeeensch! Geh weiter! In jede Richtung!/ Nicolo Ceaucescu is my name, the world of power is my game/noch 3 Schritte, da ist die Tür, dann hätt‘ ich alles – wirklich alles endlich hinter mir!/ the mercy seat is waiting and I think my head is burning/Komm! Du großer Träumer, komm-ruh dich aus!/ Steh ich vor’m Schreibtisch, sagt da einer zu mia: Wir bauen auf und tapeziern nicht mit, wir sind so stolz auf Katarina Witt!/Der Götzendiener pisst sich ein, es könnte alles falsch gewesen sein!/Ohhhh life! Is bigger! Far from me now! Losin‘ my religion/Gott hat sich erschossen, ein Dachgeschoß wird ausgebaut/ Der Steuermann betrunken und keiner weiß, wo der Käpten is‘ und wie der Notruf heißt: war’s nicht SDI oder CIA, save our money oder  Ju-Es-Äy?!/ Footsteps on the dance floor remind me baby of you, Teardrops in my eyes, next time I’ll be true, /Wiiiiiir sind die Wunderkiiiiinder…wir werden auch viel schneller als andre Kinder alt/anybody drink before the war?!/Das Grab im Mo-ho-ho-hor! Vergessen, vorbei!/You’re a twist in my sobriaty/ So don’t worry, be happy!/ Isch brauche nur zweierlei, orbaitslus un‘ Spoaß dobei!/Warum denn immer wieder mit Kanonen auf Spatzen? Das Blut spritzt rot; im Präsidium kreisen die Geier liberal und lachen sich tot!/Leben! Leben heißt Leben! Wenn wir alle die Kraft spüren…/Noch fliegt die schwarze Galeere weit über die Meere und durch die Zeit/Schönen Gruß vom Schnitter!

6 Gedanken zu “Der Soundtrack der Wende…

  1. „twist in my sobriaty“ gehört zu meinen NVA-Erinnerungen. Ich hörte den Titel nachts beim Wachestehen im verbotenen Radio, es war fast romantisch. Im Mai 89 kaufte ich die Platte in Budapest. Ich danke Dir für die Sandow- CD. – City ist ja eher eine andere Generation als wir, mit ihren Erinnerungen an die Zeit vor dem Mauerbau.
    Meinen Soundtrack eines Traumes habe ich in meiner Deutschen Geschichte aufgezählt: Gerhard Schöne „Mit dem Gesicht zum Volke“, das Solidaritätslied von Brecht und Eisler, gesungen von Jochen Kowalski in der überfüllten Erlöserkirche am Bahnhof Rummelsburg, und die Nationalhymne der DDR, mit Text. Wende ist ein unscharfer Begriff (ich sehe mit Schrecken, dass ich ihn auch benutzt habe). Es gab die Zeit eines Traumes, die am 9. November endete, dann kamen die lärmenden Idioten, die ihre „Freiheit“ feierten, indem sie Schulbücher verbrannten und „Fidschis“ anpöbelten – und später die melancholischen Erinnerungen an eine vertane Chance. Und zu dieser Zeit gehört neben Gundermann auch „Losing my religion“.

    Gefällt 1 Person

    • Es war die Zeit eines Alptraumes, der sich ab 18.10. 89 (Honeckerentmachtung) stückweise verabschiedete. Häppchen für Häppchen gingen sie alle oder wurden gegangen. Ich habe jeden Führungsrücktritt bejubelt. Allerdings war das weder das Ende der Geschichte noch der Eintritt in ein Paradies. Hier muss ich seltenerweise mal Gauck zitieren: Wir hatten das Paradies geträumt und erwachten in Nordrhein-Westfalen. (Ohne je dagewesen zu sein. Nee, na gut, einen Tag Köln und einen Tag Münster, aber das zählt nicht)

      Der „Traum“ war lange schon aus. Spätestens seit dem Renftverbot von 1975: Zurück in kleingeistige Apologetik. wenn man nicht ganz und gar davon ausgeht, dass die stalinistische Gruppe Ulbricht ohnehin die falsche Besetzung war, ihn zu verwirklichen. Schon Brecht bereute dann und wann und wusste nicht weiter, schlug also Haken – einerseits Stalin-Preis, andererseits österreichische Staatsbürgerschaft.

      Das staatliche Zusammenbrüche immer auch die Stunde des Mobs sind, ist auch Naturgesetz. Wer einen Kettenhund von der Leine lässt, weiß, dass der jetzt erstmal seine „5 Minuten“ hat, die bisweilen länger dauern können. Nicht schön, aber eigentlich anschauliche Lehrvorführung für Naivlinge: Der Mensch ist gut. – ? – Realy?

      Gefällt 1 Person

  2. Wahrscheinlich haben Ost und West diese Ereignisse vollkommen unterschiedlich erlebt. Und darüber reden wir viel zu wenig. Ich (im Westen) konnte nie viel mit dem Feiergedöns anfangen. Viel wichtiger wären mir eine gemeinsame Verfassung und ein „vernünftigtes Zusammenwachsen“ (wie auch immer das ausgesehen hätte) unter Wahrung der Würde aller, gewünscht. Aber damals waren zu viele vom Einheitstaumel besoffen. Niemand wollte Argumente. Manchen wollten die D-Mark, andere witterten das dicke Geschäft. Da spielen Menschen nur eine untergeordnete Rolle.
    Mein damaliger Soundtrack: Tracy Chapman und das Album „Crossroads“ und Lou Reed „New York“

    Like

    • Nun ja. Das hat man nun so oder ähnlich oft gelesen. Die WV wurde von Menschen gemacht, die das mehrheitlich so wollten. Die hinterher erst learning by doing schnallten, dass das Wirtschaftswunder Ost im Adenauer/Erhardtschen Sinne so wohl nichts werden wird. Und dann fluchten die Jubler von gestern auf einmal und entdeckten ihre Ostidentität.
      Ich war bei den Skeptikern. Ich hielt die WV am 9.11. noch nicht für möglich und auch nicht für wünschenswert, weil ich zu mindest ahnte, dass die Anpassung der Oststrukturen Opfer kosten würde. Ich hatte damals frisch umgezogen in eine widerum fremde Ecke Ostelbiens Schiss unter den ersten zu sein.
      Gleichwohl holte ich das Begrüßungsgeld ab, kaufte Platten und hoffte, dass die Grenze so lange wie möglich offen oder durchlässig bliebe – wegen – mehr Platten.
      Als allerdings der Putsch gegen Gorbatschow 1991 lief, erschrak ich. Wenn der gelungen wäre und Kohl nicht zuvor die schnelle Einheit betrieben hätte – ui-ui-ui…
      Wir wären noch mitten in Verhandlungen über einen Verfassungskongress und Export-Import-Quoten für eine Konförderation.
      Da würden wieder Panzer rollen, Bürgerrechtler an die Wand gestellt oder in Schauprozessen abgeurteilt- und diejenigen Maurer prämiert werden, die in einem Affenzahn das Brandenburger Tor wieder geschlossen hätten.

      Gefällt 1 Person

  3. Die Hoffnungen ich im Oktober 89 hatte, wirst Du mir nicht absprechen können; und ich hab auch die Zeit davor nicht als Alptraum erlebt… Und mit apokalyptischen Was wäre wenn… Spekulationen würde ich mich zurückhalten. Fest steht sie intellektuelle Ausblutung Ostdeutschlands nach 1990, und alle, die für die „Wiedervereinigung“ waren, sollten am 3.Oktober zur Strafe zwei Stunden David Hasselhoff hören.

    Like

    • Im Herbst 89 war da der kurze Traum des 4.11. vom Alexanderplatz… ja …allerdings: guckst du in die Brudervolkstaaten, siehst du, was es bedeutet hätte, weiterzuwursteln.
      Was du apokalyptische Spekulationen nennst, nenne ich Lehren aus der Geschichte. Ich weiß, das mögen die wenigsten.Und das können auch nicht viele. Deswegen ist es überwiegend out.
      Es ist auch besser, in finsteren Zeiten Trugbilder vor sich herzutragen, als Realitäten ins Auge zu sehen. Remember die Geißler kurz vor dem Reformatorischen Chaos.

      Denksport: Gegeben sind 1. Das Ende der Donaumonarchie Ö/U, 2. Das Ende Jugoslawiens in den 90ern und 3. Das Ende der Sowjetunion. Gesucht: Eine Zukunftsvision für Deutschland 2040. Lösungsansatz: Vergleich. …. Ergebnis? Kämst du da auf was Nichtapokalyptisches?

      Zwei Stunden Hasselhoff ist für das Jubelklientel von damals keine Strafe. Die sind Härteres gewohnt: Wendler und Helene.
      Aber, auch wenn ich 89 nicht bei den Jublern war, möchte ich den Ablauf des WV-Prozesses NICHT verdammen. Eine politisch desinteressierte/unbedarfte Masse handelte instinktiv. Und tat das Richtige.
      Das man sich im Nachhinein bessere Unterhändler als Krause und Diestel wünscht – ist müßig. Es waren eben keine helfenden Erzengel zur Stelle, also musste man reale naschforsche Schlitzohren nehmen.

      Like

Hinterlasse einen Kommentar