Die Ballade des Harfen-Webers

Frei nach dem Original: „The Ballad of a Harp-Weaver“ by Edna St.Vincent Millay; 1922

Spoken and recorded by Johnny Cash; 1960

Now Bonus-Track on the record „Ride this Train“ from the same year;

Deutsche Version: Bludgeon; 2019

 

Johnny Cash zum dritten:

Es mag verblüffen, wenn im Folgenden etwas Gereimtes zu lesen sein wird, was dem heutigen Leser als kitschig erscheinen mag.

Aber da war vor gut einem Jahr eine Doku über Iggy Pop auf -arte- zu sehen und der alte Iggy ließ die Film-Crew auch in sein jetziges Haus voller Stühle, Sessel und edel bezogener Sofakissen. Somit kam prompt auch die Frage:

„Wozu all die Stühle hier?“

Und die Antwort war:

„Ich sammle sie jetzt. In meiner Jugend hab ich sie vermisst.“

Schlagartig war mir bewusst, was ich früher einmal gehört hatte, dass er im Wohnwagen aufgewachsen war, da seine schlecht verdienenden Eltern sich nichts anderes leisten konnten.

Diese Beispiele bitterster Armut, die du immer wieder vor allem aus Amerika erzählt bekommst, erinnern dich ans europäische 19. Jahrhundert. Als es hier herum genauso elend lief wie heute immernoch in „Gods own Country“. Bald könnten diese Zustände zurückkehren. Unsere globalisierten Zeiten sind danach.

„Tarifvertrag“ ist als Begriff fast heute schon ein vergessener Archaismus. „Mindestlohn“ wird stets offiziell mit dieser Betonung verwendet, als handle es sich um ein unverdientes, überhöhtes, aber huldvoll gewährtes Almosen. Superreiche Oligarchen sind auf dem Vormarsch, nicht nur in Russland. Die Zahl der Boom-Verlierer wächst jedoch allzeit schneller.

DMAX-Sendungen a la „Fast&Loud“ und „Garage Rehab“ usw. lehren uns, dass es Spaß macht, unter Zeitdruck für einen „Burger“ pro Tag zu arbeiten. Ausbildung? Wird überschätzt! Gestern hast du zum ersten Mal einen Auspuff ausgebrannt, morgen baust du deinen ersten Chopper und übermorgen bist du Millionär! So läuft das heute! Sozialabgaben! Du ewig Gestriger! Du bist ja so 70er! Start up, man! Dilettanten an die Macht! In der Politik läuft es doch auch!

Kunst nützt nix. Ich weiß. Warum also hab ich mir die Mühe gemacht und diese alte Ami-Ballade ins Deutsche übertragen? Weil sie mich berührt hat. Wegen Iggy. Wegen Johnny. Wegen all denen die nach uns kommen und dann eventuell auch nur noch ganzjährig im Camper wohnen. Mindestlohn einerseits und 600 Euro (kalt) für eine Hundehütte in Berlin, das geht nun mal nicht auf. Klassenkampf reloaded? Ist leider nicht zu erwarten.

 

Und nun geht’s wirklich los:

Ich war kaum einen Meter,

da sprach sie sorgenvoll aus:

Der Winter kommt und

du wächst aus allem schnell raus.

 

Warme Kleidung musste dringend her

für uns alle beide doch die Not drückte schwer.

Wir besaßen fast nichts, hatten alles versetzt,

Mutter wirkte verhärmt schon, und abgehetzt.

 

Da war noch ihre Harfe aus der Glanzzeit von einst

Als sie jung und schön nicht mit Reizen gegeizt.

Die hätte auch längst zu Geld werden sollen.

Doch hatte sie bisher keiner haben wollen.

 

Für Schränke zu zahlen, war jeder bereit,

Doch ne Harfe oje, die stahl ja nur Zeit.

Und so hatten wir nichts als dieses alte Ding

das rumstand und störte und Spinnweben fing.

 

Der Herbst verrann und mit ihm das Licht

Der Winter kam, aber Auswege nicht.

Da trauten wir beide uns nicht mehr hinaus

Hier drin warn wir sicher, die Welt war ein Graus.

 

So waren wir ganz auf uns alleine gestellt

Draußen vorm Fenster, da feiert die Welt

Mit Vorfreude das Weihnachtsfest;

Die Geburt des Herrn Jesu, der keinen verlässt.

 

Früher feierten auch wir mit Vater so gut!

Nachts, wenn ich schlief, verließ Mutter der Mut.

Sprach sie von Vater, dann war sie froh

Dass der schon tot war, es sei wohl besser so.

 

Dann zerhackten wir die Stühle, nun Brennholz auch sie.

Der Winter da draußen war hart wie noch nie.

Nur ein allerletzter stand stumm an der Wand

wir hackten und rissen, er aber hielt stand.

 

Sie hieß mich immer länger im Bette zu bleiben

Wollt mit Geschichten und Liedern die Zeit mir vertreiben

All die Geschichten lebten im Traume dann fort

aus der Welt wurde so ein besserer Ort.

 

Eines Nachts tief im Schlafe, da träumte ich fest,

wie die Seele der Mutter ihren Körper verlässt

Dann schwebt sie sanft an mein Bettchen heran

Beugt sich nach unten und lächelt mich an.

 

Sie wirkte so jung, erholt und gesund

Ganz so wie früher und küsst mich auf den Mund.

Dann schwebt sie zur Harfe auf den Stuhl hinüber

und streichelt die Saiten, übt endlich wieder.

 

Die himmlischen Töne erfüllen den Raum

Und die Saiten, die webten, es war ja nur Traum.

Als das Musizieren ein Ende dann nahm

Lag da fertige Kleidung, ich probierte sie an.

 

Hose, Hemd, Mantel, Mütze sogar

Wie für einen Prinzen! Äußerst bizarr.

Ich jubelte laut, denn alles passte perfekt!

Wo war das alles nur bisher versteckt?

 

Als ich erwachte, wollt ich ihr berichten

von eben jenen Traumgesichten,

Da sah ich sie sitzen auf dem Stuhl an der Wand

in den Saiten der Harfe noch die eine Hand

 

Die andere hing an ihrer Hüfte herab

Ich ergriff sie, jedoch war sie leblos und schlapp

Sie lächelte tot, seltsam‘ Licht überm Haupt;

Der Frost hatte ihre letzten Kräfte geraubt.

 

Mit einem Schlage wurde mir klar,

Dass der Traum der Moment des Abschiedes war.

Sie hatte die Harfe wirklich gespielt

und sich zum letzten Mal frei und glücklich gefühlt.

 

Doch noch etwas anderes lag da im Raum

Da lagen die Kleider aus meinem Traum

Wie wundersame Wege das Schicksal auch geht

Sie passten – sogar in der Realität.

9 Gedanken zu “Die Ballade des Harfen-Webers

  1. Weißt Du was, das geht mir waaaaahnsinnig unter die Haut, freu mich so über Deine Arbeit hier, bitte mach weiter und weiter, ich mag Deine Ehrerbietung an Iggy und den Mann ganz in Schwarz, der nichts brauchte, außer einer Gitarre…
    Aber bevor ich mich hier wiederhole, wünsch ich Dir mal Frohe Ostern und vielen Dank für Dein behutsames Nachdichten…da passt was, zwischen Johnny und Dir, find ich! Servus und ganz liebe Grüße

    Gefällt 2 Personen

  2. Herzlichen Dank für diese Übersetzung (und ein großes Kompliment gleich noch dazu) … zeigen Deine Übersetzungsarbeiten doch, dass es durchaus auch im Bereich der sog. „U-Musik“ Textbeiträge gibt, die eben von mehr als nur „Herz, Schmerz, Liebe und sonstiger Wahnsinn“ gibt …

    Und ja, der Johnny Cash hatte durchaus was zu saen.

    Kleiner Tipp: Auch der Song „Tobacco Road“ würde sich für eine Übersetzung lohnen (der Eric Burdon hat ne tolle Fassung davon gemacht und in Deutschland haben sich die Lords bemüht …)

    Gefällt 1 Person

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