St. Georg von Österreich

In memoriam Georg Danzer (1946-2007)

Hallo Georg!

Hearst mi?

Oder siehst du mein Geschreibsel da herunten?

Wie geht’s da denn da oben, so nach die erschten Joahr?

Haste Kontakt zum Lennon? Oder bockt der, weil du besser warst als er?

Ich denk, das wird schon klappen mit euch. Wenn er dir „Imagine“ vorspielt und du ihm die „Ruhe vor dem Sturm“ oder „Traurig aber wahr“, dann passt das schon. Ihr dürft euch aber nicht vom Alten erwischen lassen. Der mag das bestimmt nicht, wenn ihr seiner Schöpfung so ans Bein pinkelt.

Aber ihr verzieht euch sicher eh auf eine ganz spezielle Wolke. George und der Hendrix dürfen noch mit, aber der Morrison soll halt nicht stören. Der hatte beim Ableben soviel intus, dass er jetzt noch alle um den Verstand labert, von den Butterflies und den Flöten auf der Wiese, you know? Klar auf den Dylan müsst ihr noch ne Weile warten. Hilfe! Wird das ein Personenkult werden, wenn der sich auf die ewige Reise machen wird. Vielleicht verteilt dann die amerikanische Regierung Gedächtnisjoints, „because the american Goethe is gone…“, nach dem Vorbild von Nordkorea dieses Jahr.

Dafür kommt inzwischen der Heesters zu euch rauf. Ich weiß, das sagt dir was. Hast ja auch ne ganze Reihe Couplets gemacht. Vielleicht zeigst du ihm den Weg, dass er den Moser und den Lingen findet?

Aber zurück zu dir.

2011 – das war dein Jahr. Ob du’s glaubst oder nicht.

Die haben jetzt deinen 65. gefeiert und alle deine Platten auf CD herausgehauen.

Schleuderpreis – aber Massenumsatz.

Was meinst du wie schnell bei amazon die Reviews ins Kraut schossen. Und alles Lob.

Bist und bleibst ein Großer hier unten. Das steht fest. Jedenfalls solange wie wir 60 geborenen noch Umsatz machen. Die späteren … na da übernimmt dann Xavier Naidoo. Jede Generation kriegt die Barden, die sie verdient.

„immer vor der Menschlichkeit verbeugen, auch wenn’s net zum besten steht.“ Du hast ja so was kommen seh’n.

Die ham dem Bushido dieses Jahr den Bambi für Integration übergeholfen. Der kann ja selber gar nichts dafür. Aber das wär ungefähr so, wie wenn dein „Kniera“ den Bambi für Zivilcourage bekäme, oder dein Wessely den für Völkerfreundschaft.

Wie war Weihnachten? Kannst dich noch erinnern an das alte Lied, das du dann endlich auf die „Nahaufnahme“ gepackt hast? Stimmts, das ist von „Malevil“ inspiriert gewesen, oder?

Weihnachten war 2011 prächtig. Wegen deiner CDs.

Da wurde mir erst heuer klar, wie viele meiner Wegbegleitersongs von dir stammen.

Sexappeal, damit ging es los 1977 in der aktuellen Schaubude. Damals hab ich noch geglaubt, du gehörst in die Frank Zander Liga. Aber kurz danach kamen die 10 kleinen Fixer – da war klar, dass ich dich umsortieren muss.

„Wenn die wieder auferstehn, werden sie sich wehrn.“ Das hat mir gefallen. Damals mit 17.

Wehren – wogegen? Gegen die Droge? Gegen die Umstände? Niemand hat ihnen die Drogen aufgezwungen. Heute weiß ich, dass die Nummer ganz schön diffus ins Leere läuft. Aber das ist in Ordnung so. Unmutsäußerung ohne Anleitung zur Weltverbesserung ziehe ich diesen penetranten Degenhardts und Biermanns tausendmal vor. Ganz so aufdringlich warst du nicht mal in deiner hölzernsten Phase in den späten 80ern.

Der Degenhardt hat doch tatsächlich die DDR gemocht. Von außen.

Ich hab sie von innen erlebt.

1979/80 war ich bei der NVA und hab dort verbotenerweise eine Kassette mit Songs von dir und Ambros gehört. Die Rekorder waren dort immer verplombt worden mit so Siegellack. Da musste man mit Rasierklinge drunterfahren und die eine Hälfte vorsichtig ablösen, dann die Lifttaste drücken und das komplette Siegel wurde angehoben, Kassette rein und fertig. Jedenfalls hatte da einer Songs von dir auf Kassette und somit hab ich deine „Freiheit“ und „Wir werden alle überwacht“ ausgerechnet bei der Fahne kennen gelernt. Einmal wäre uns fast der Politoffizier drauf gekommen. Das hätte für 6 Monate Schwedt sicher gereicht.

„Schwedt“ das klang in Militärkreisen wie „Bautzen“, nur schlimmer noch. Das hatte den Ruf eines sozialistischen KZs für Defätisten. Das kannte der Degenhardt natürlich nicht.

Du sicher auch nicht, aber du hattest allweil die besseren Instinkte.

Deine „Feine Leute“ LP hab ich dann nach der Fahne aufgenommen.

Die „Ruhe vor dem Sturm“ und die „Traurig aber wahr“ auch. Denn bei uns gabs derartig gefährliches Liedgut ja höchstens mit viel Glück mal auf dem Flohmarkt. Der in der Ehemaligen immer ein Schwarzmarkt war. „Gebts uns endlich Frieden“ kam heraus, als bei uns gerade die Schwerter-zu-Pflugscharen-Farce lief. Die Friedenskämpfer des Staates machten Jagd auf die Friedenskämpfer der Kirche und unsereins war gerade von der Fahne zurück. Du hast in deiner großen Freiheit 1967 versucht von „Spiegeleier mit Pommes frites“ zu leben und wir in unserer 1981/82 von Debreziner Buffet-Wurst und Schaschlyk, bis die Magenschleimhaut danke spie.

1984-1986 war ich ein paar Mal in Plauen, dort war einer der größten Märkte, jeden letzten Sonnabend im Monat. Paar Hunderter einstecken, hinfahren und hoffen. Da stand dann eines Tages deine „Unter die Haut“ –  mein erstes Danzer-Vinyl. Einen glatten Hunderter warst du mir wert. Aber mal ehrlich, deine beste Platte war das nicht. Ich war zunächst doch recht enttäuscht, bis ich drauf kam, dass die Songs da alle in der falschen Reihenfolge sind.

Hast du das selber so zerhackt?

Wenn man „Israel“ (wegen der kleine Jungs Perspektive) an den Anfang setzt, dann das pubertäre „Sexappeal“, dann „Haschisch“, danach „Zieh dich aus“ und schließlich „ich verlass dich“ hätte man eine prima A-Seite zum Thema „Schwierigkeiten mit dem Hormonpegel“ gehabt, die anderen Songs auf die B-Seite, fertig.

Na ja und „Militärisches Geheimnis“ ist jetzt nicht direkt ein Songdiamant geworden, stimmts?

Nachdem Studium, wenn man sich das erste Mal so richtig in der Praxis beweisen muss, kann man ganz gehörig aufs Maul fallen. Man, war das ne kipplige Zeit! Und wenn dich dann dein Chef nicht liebt, wie gut, dass es den Georg gibt! Deine Songs haben mich vor manchem Absturz bewahrt. Kein Scheiß. Aus deiner Unsicherheit machtest du nie ein Geheimnis. Dafür bin ich dir immer noch dankbar. Deine mutigsten Brüller sind doch in erster Linie dem Niederringen von Unsicherheiten geschuldet, hab ich recht?

„Der Schrei“, „ich will nicht mehr“, „ich steig aus“, „zerschlagt die Computer“, „traurig aber wahr“ – die Platte war die Bewältigungshilfe meiner 26er Krise. Wenn man die hinter sich hat, ist man erwachsen, sagt man. (Also die Krise mein’ ich, nicht die Platte.)

Dann war via Flohmarkt und Rundfunk lange nichts von dir zu erbeuten. Wenn ich heute nachträglich deine Platten aus der Zeit bis 1992 kennen lerne, stelle ich fest: verpasst hab ich da auch nicht viel, aber Hut ab vor deinem „Atlantis“ Cover.

Schnapp nicht ein.

In den 90ern hattest du ja wieder ein Dauer-Hoch. Wie Lou Reed.

Für „Große Dinge“ hätt’ ich dich zu gern umarmen wollen!

Und dann kam noch die „Nahaufnahme“ …“Kreise“ ….“Atemzüge“ … 4 auf einen Streich. Die Gedankenwelt des Endvierzigers. Damals hab ich das nicht vollständig zu schätzen gewusst. Heute steck ich in der Phase, in der du damals warst und kapiers. Ich hinke hinterher.

Du liefertest den Soundtrack

– für meine Spätpubertät,

– für meinen Mittzwanziger Blues,

– und schließlich für meine midlife crisis.

Fehlt nur noch, dass ich mir deinen „Träumer“ oder den „St.Johannpark“ für die eigene Beerdigung wünsche.

Thanx.

Früher oder später läuft man sich übern Weg da oben. Bis dahin – – –

pfleg ich weiter meinen „Zorn, den ma doch zum Leben braucht, denn ohne ihn (…) issma nie vorn.“

Donkda scheh.

(Geschrieben Januar 2012 für „Rockzirkus“ Bochum)

 

 

Ein Gedanke zu “St. Georg von Österreich

  1. Gut geschrieben hast Du das, passt heut genau noch so … ach, wie er mir fehlt, der Schurl! Aamoi no die Sun aufgeh segn … ich mag ja auch die „weissen Pferde“ … „woran meine Liebe, glauben Sie noch?“ … da reißt´s mich immer noch! Aber ich mag auch die jungen Burschen von „Bilderbuch“ und ich denk, der Schurl hätt auch seine Freud´an ihnen gehabt!!
    Liebe Grüße, wird Zeit, daß Du Dich mal wieder meldest …irgendwie … findest nicht auch?

    Gefällt 1 Person

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