Tief im Westäään – geht eine Ära zuende

Der 24.Mai 2018 ist ein schwarzer Tag für Musicjunkies wie mich:

Good bye Rockzirkus-Forum.

2008-2018 war ich Mitglied in einem kleinen, feinen Kennerkreis, dessen Kopf (alias RemoFour) in Bochum saß.

Der betreibt dort immer noch seinen Rockzirkus. Jedoch hatte diese Website ein Forum, das schneller anschwoll als die eigentliche Seite. Rund 20 versprengte Enthusiasten hatten sich hier per Zufall versammelt. 68er und 78er, die musikinteressiert übrig geblieben waren zwischen all ihren Vinyl- und CD-Schätzen, als ihre Altersgenossen längst den Schalter umgelegt hatten, um zwischen Rasenmäher und Autowäsche nur noch Formatradiogülle zu konsumieren.

Hier fand man Gesprächspartner:

Badger und Black Dog, Dude und Mellow, Roberto, Zaphod, Sleeper und Willi Winzig  usw. usf. Kenner allesamt, die a) Schreibtalent und b) eine gesunde Dosis Streitlust einte, wodurch interessante Dispute über rockhistorische Großtaten und Ereignisse, die so scheinen wollten, entstanden. Wo der Musikgeschmack „neben der Spur“ geschätzt wurde.

Horizonterweiterungen ohne Ende schienen möglich.

Leider wurde aus der eben gelobten Streitlust dann und wann auch naseweise Rechthaberei. Während zweier größerer Kräche aus mädchenhaft nichtigem Anlass begann sich die Anzahl der Schreiber zu verringern.

Zeitweilig waren neben dem Betreiber selbst nur noch ein Schweizer und ein Ossi übrig…

Die Klickzahlen gingen aber gerade in letzter Zeit enorm in die Höhe. Kein Wunder. Es gab nichts Vergleichbares im Netz.

Sicher: Da sind noch Krautrockzirkus, Musikzirkus, die Babyblauen Seiten oder Deutsche Mugge.de

Nirgends aber wurde DIESE Bandbreite erreicht:

– alle Stile vertreten,

– (fast) alle Meisterwerke aller Jahrzehnte der zweiten Hälfte des 20. Jhds berücksichtigt,

– viele, viele Randerscheinungen auch, die hier eben nicht nur von einem gekannt wurden;

Und nun kommt die DSGVO und plötzlich ist Schluss.

Ich trauere um das riesige Konvolut an Spezialwissen von ca. 20 Kennern, deren einer ich 10 Jahre lang sein durfte.

Hab Dank, Rockzirkus, für Entdeckungen und Wiederfindungen rarer Schätze, wie „a million shades of blue“ (Gene Vincent), Douglas Spotted Eagle, The Peddlers, Paul Brett Sage, Roy Buchanan u.v.a.

Dank auch für Horizonterweiterungen per Disput über Blue Öyster Cult, Hip Hop, Countrymusik, Synthie-Pop der 80er und den Spaß in Sachen Abba-Bashing.

Danke für den lesenswerten Gesamtüberblick über die Veröffentlichungen von Neil Young und Lou Reed und und vieles mehr.

Ich bedauere Remos Entscheidung. Aber ich verstehe sie. Niemand möchte sich im wohlverdienten Ruhestand in den Fängen bürokratisch-juristischer Spielchen verlieren.

13 Gedanken zu “Tief im Westäään – geht eine Ära zuende

  1. das ist schade, ich kann deine traurigkeit darüber sehr gut verstehen. dsgvo – das war für viele ein punkt auszusteigen, aus dem bloggen. ich glaube, die meisten haben darüber nachgedacht … die undurchsichtigkeit und widersprüchlichkeit der „regeln“, die im netz kursierten und kursieren irritieren zusätzlich. also schreibst du nun hier alleine weiter und teilst dein umfassendes musikwissen mit uns, das ist doch schön. …wo die sonne verstaubt, ist es bessäääär, viel besser als man glaaaaaaaaubt. 🙂

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  2. Ein einfühlsamer Nachruf. Einen Dank dafür von meiner Seite.
    Auch ich erinnere mich an gloriose Zeiten in dem genannten virtuellen Universum. Wenn auch in einigen Facetten etwas anders. Aber das ist nur natürlich und gehört zum Bestand jeglicher Horizonterweiterung.
    Am langen Ende hat alles seine Zeit. Kommen und gehen halten die Welt am Laufen.

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  3. Moin Moin,

    ich hab dem Rockzirkus ein fast seligmachendes Erleben zu verdanken, das damals hiess:

    HALT DICH JETZT RAUS !!!!

    das wird mich nicht schützen vor weiterem Ungemach, aber es hat nich dazu gebracht, den Schnabel zu halten.

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  4. Ach, Dein Nachruf … er spricht mir doch sehr aus der Seele … Vor vielen, vielen Jahren war ich dort ja auch aktiv und ich erinnere mich an ein paar Treffen … da gab´s dann immer selbstgebrannte und öliebevoll gestaltete CD´s mit ‚Raritäten aus allen nur möglichen Bereichen …

    Ganz besonders gefreut hat mich aber, dass Du explizit „Paul Brett´s Sabge“ als Entdeckung genannt hast … Paul Brett & Co, zählen für mich zu den ewigen „unknown heroes“ der Rockgeschichte.

    Und es bleibt in der Tat, mehr als nur ein Hauch Wehmut ob jener vergangener Zeiten … wie sangen die Kinks so treffend: Where habe all the good times gone“.

    Aber … wie es scheint, geht es ja doch irgendwie weiter … sehr beruhigend. Und noch ein aber: Das ändert nichts daran>: jene Musik und jene Leidenschaft für diese Musik … ich hab das Gefühl, da sind wir so ne Art „Auslaufmodell“ … In einem anderen Forum gab´s da mal ne Rubrik, die nannte sich „Musik für alte Männer“ … schon irgendwie passend …. *ggg*

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  5. Spät aber doch: Den Eindruck, dass „Musik für alte Männer“ wirklich nur alte Männer interessiert, mag im Alltag immer wieder auftauchen, ist aber falsch. Sogar hier bei mir in der österreichischen Provinz gibt´s einen Plattenladen, den Leute unterschiedlichen Alters frequentieren. Und wenn ich dann als 33-jähriger Yes, Genesis, ELP, allgemein Prog und Krautrock-Liebhaber mit den ca. 27-jährigen Mitarbeitern über Krautrock (speziell Can) Jazz… und Sammlungen rede, merke ich immer, wie Mainstream ich bin, sind Yes, Genesis, Tull…doch Konsens. Wie gerne hätte ich die Original Ohr/Pilz…Pressungen…. Kurz: Gibt genug unter 30-jährige, über deren Wissen man nur staunen kann.

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    • Du musst in einer beneidenswerten Enklave wohnen. Lechz. Hier ist kulturell tote Hose. ACDC, Fußballwahn und Helene Fischer über 30 und darunter beginnt der weiiite Rap-Morast 😦

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