15 Songs (von damals)

„Bei dir im Auto ist ewig ’75, stimmts?“

Ein Satz, den ich so oder so ähnlich schon von Frau und Bruder bzw. sonstigen Beifahrern zu hören bekam. Er stimmt nicht. Er ist falsch. Manchmal ist auch siebenundsiebzig!

Mal im Ernst: Ich sortiere die Straßensoundtracks nicht nach Jahreszahl; nur ein klein bisschen nach Jahrzehnt und ansonsten nach Stimmung und Erinnerungsblitzlicht. Die 70er überwiegen deutlich. Sporenelemente der 60er als damalige Oldiessendungsbeute inbegriffen.

Ich brenn‘ auch noch altmodisch CDs fürs Auto, weil mir Sticks mit 3 Mio. Songs unheimlich sind und man dann nach jedem Motorstart eh wieder bei Song 1 landen würde; oder man macht sich zum Obst auf den Parkplätzen dieser Welt, startet und fährt nicht, weil man erst mal auf Song Nr. 22 364 skippen will (und wenn man ihn hat, merkt man, dass man ihn mit der 32 463 verwechselt hat.) Ganz schlimm auch die angestöpselten I-phones; skippen, Datei wechseln, Song wiederholen – während der Fahrt unmöglich. Nö!

Meine „Privat best of 70s“ erleben seit geraumer Zeit immer mehr „Parts“ und die Berührungsängste zu manchem früher verpönten Stil verflüchtigen sich im Rahmen der Altersmilde: Eh ich mir Coldplay und Bruno Mars schönhöre, akzeptiere ich lieber die eine oder andere funky Disconummer „aus meiner Zeit“; vorausgesetzt sie war nicht allzu populär und totgedudelt: Rose Royce „car wash“ oder die Village People bleiben allzeit auf dem Index! Aber Pointer Sisters oder Commodores können mithin schon gerne mal passieren.

Manchmal gelingen dann so Sachen, wo eins ins andere greift, wie auf meiner „neuesten“.

Los geht’s mit:

  1. „Under the influence of love“, der cleverste Eröffnungstrack für lange Fahrten in längst vergangene Zeiten: Barry White – oder eigentlich ja (nur) seine Damen singen hier auf eins seiner vielen, vielen genialen Generationen vereinenden Philly-Orchesterarrangements – soulig, kehlig, mit bissel voller Nase und holen Derrick, Kojak, Ilja Richter, the three Degrees in Hot Pants und Stiefeln aus der Vergangenheit herauf. Yeah. Mit 14 oder 15; da hatte ich den Erlöserklaps. „Hatifa“, Willy Meincks „Marco Polo“(Band 2), Osceola (Buch und Film), Digedags in Amerika – überall werden Sklaven befreit und der weibliche Teil ist immer jung und hübsch und wird geheiratet. Hach.
  2. folgen Hall & Oates „Back together again“; programmatischer Song für Klassentreffen aller Art. Niemand hatte die auf dem Schirm damals. Alle kannten bestenfalls „rich girl“ und das reißt nicht unbedingt vom Hocker, aber Young-Bludgy stieß auf DIESE Nummer hier: Flott, vertrackt und mit Streichern; beinahe Soulprog oder so. (Blaupause für die Bee Gees der zweiten Karrierestufe; „Main course“ mäßig.) Mehr gab das 70er Radio damals auch nicht her von denen, aber in den 80ern gelang es mir, für Police‘ns „Synchronicity“ die „Bigger than both of us“ einzutauschen: darauf „Back together again“ und „Rich girl“ und – keine einzige Graupe!
  3. The Four Seasons in den 70ern mal mit- mal ohne Frankie Valli unterwegs, im Musikladen um 1977 herum angepriesen als „Supergroup“ und LP-Tipp mit ihrem letzten brauchbaren Song „Down the hall“. Unkaputtbar schön, wie eh und je. „… Sie betritt die Eingangshalle und verzaubert dich…“. SCHMACHT – da träumte ich mir mein Gründerzeitpalais und die strahlende Fee mit Hochsteckfrisur und Fächer. Jaja, die Schwierigkeiten mit den Damen. Die einen willste nich‘, die andern wolln dich nich‘…

„Micha liebt Bärbel und Bärbel liebt Klaus, aber der guckt durch sie durch und macht sich nichts draus. Bärbel schwärmt weiter, sie hält das für cool. Wenn sie nur wüsste: Denn Klausi ist schwul.“ (frei nach Knorkator)

  1. Eine himmlische Gitarre tiriliert den nächsten Übersong ein: Bob Segers „Mainstreet“ (tryin‘ to take my courage of!) Yesyes… den ganzen Abend sieht er sie „swayin to that smokey beat“ … und dann zugeknöpft nach Hause gehen. Allein. Während er da steht mit dem Problem: Äh. Worte, wo seit ihr?! Was stellt man sich nicht alles vor, an ausgetüftelten Feinheiten, die nötig erscheinen um Eindruck zu schinden, weil man unerfahren in die Falle tappt, die inflationäres Geschwätz anrichtet: „Ja, Mädchen sind ja soooooviel weiter als Jungs!“ Dabei weißt du es längst besser: Manche Schulhofgöttin hast du schon mit dem kuriosesten Gelichter-Boy abschieben sehn: Abiturientin goes Gosse – und nu? Was merkt die nich‘, was jeder sieht? Biological gap, you know? Nee, you know eben noch nich‘! Thats the Crux. Was bleibt, sind -Jahre später- Songs der Marke: „Du entschuldige, i kenn di….“ oder „Elfie“, die dann so Gesichter an die Wand malen, oder Beine… ganz nach damaliger Blickrichtung. Tja, „kein Mut, kein Mädchen“ bringt es Mitteregger in den 80s auf den Punkt. Aber da war der Drops eh schon gelutscht. Deshalb passt nach Bob Seger –
  2. 10CC (Wohl dem, der nicht weiß, was dieser Name bedeuten soll!) mit „I’m not in love“ – haha, von wegen! Laufend! Notorisch verliebt! Die Lebenslügenhymne aller Pubertierenden in den 70s! Zeitgleich in den Charts mit „Marleen“ von IHR! Marianne! Und Werner Reinke auf HR 1 erlaubt sich doch glatt die Gemeinheit, beide Titel ineinander zu schneiden: „waberwaber… Don’t cry, big boys don’t cry/ Maaaarleeen, drum bitt ich dich geh du Marleen! waber waber I‘m not in lo-ove no no…“ Seine Gags fand ich immer Spitze. DIESEN NICHT!

Number six: „Stop! Wait a minute, Mr.Postman!“ von den Carpenters. Das ist so eine Hassnummer von 1975. Die Carpenters! Also bitte! Konterrevolution pur! Und dann noch Beatles schänden! Aber – Zeitchen später hatten sie ihren letzten Hit mit „Calling occupants of interplanetary craft“, dieses 7 Minuten Hörspiel. GEIL! Da lief ich über. In den 90ern kaufte ich die Best of. Reicht zwar, aber ist okay. Und Beatles – pffff… eh nicht meine Zeit. Auf die stehn Karajan, Gysi, Kurt Masur und Egon Krenz. Noch Fragen?

Aber progressiver Ausgleich muss nach sowas schon noch sein. Zum Beispiel er hier:

„We bring you a little Rock’n’Roll right now… is it to loud, or is it to drone?“

Jimi! Live at Berkley. „Johnny B. Goode“! Das „Weildeste“, was ‘75 aufzunehmen war: In meinen Augen seine wichtigste Nummer, weil es meine erste war. Das ging richtig ab! Der Weg zu den Pistols oder den Ramones war ja noch weiiiit! Am Ende dieses gewollte Feedback! Als ob ein tapferes Pferd nach langer Hatz verreckt:

Quasi der Kinderzimmerabschied von allen Plaste-Indianern, lookin‘ forward to another Kind of Games! Jimi! Der Antreiber und der Tröster: „and the wind cries … Kerstin“. Oder….Petra….oder Carrie. (Denn Karola ist nu auch wieder so eine elterliche Benennungssünde der Flakhelfer-Dschenneräjschn!)

  1. Da wir einmal in der Oldies-Ecke sind: Wir holten ja die 60er im Schnellverfahren auf. Ein Kapitel hieß Burdon. Eric. Für die Älteren war der Gott! Ich hörte zuerst „House oft he rising sun“, hatte aber die Frijid Pink Version schon auf Band, also – pfffff; Eric Burdon & War, nääääää, lang und weilig; dann „San Francisco Nights“ – hui! Und schließlich „skyyyyyyyyy pilot!“ Wow! Der Moderator hatte kurz den Text zusammengefasst und es war die Zeit als „…die durch die Hölle gingen“ zum DDR-Politikum wurde und prompt noch „Apocalypse now!“ folgte. Somit fanden auch wir uns ins Burdon-Universum hinein. „I smoked my first cigarette at 10“. Auf Ecke und Luggie traf das zu. Aber MEIN Song war das nicht. Ich mochte ihn am meisten wegen „Ring of Fire“. „loahhh, is a burnin‘ thing! And it makes! You firey rings…“ Aus dieser Johnny Cash Erntefestdudelei eine derartige Leidensnummer zu machen, die gleichwohl tröstet — Hut ab! So covert man richtig! Und es war obendrein MEIN Problem der Zeit.
  2. Gleich danach geriet mir damals die Edgar Broughton Band aufs Band. Manchmal entstanden beim Radiowellen plündern so siamesische Beutezwillinge, die einfach zusammenbleiben müssen, auch wenn man sich nach Jahrzehnten wieder an sie erinnert. Nach Burdons Feuerring muss es bei mir zwanghaft weitergehen mit: „I came in to your City, hung up for a game…“ Cooles Geschrammel. Tonlose Stimme. Gespenstisch. Abgeklärt. Erwachsen. „Hotel room“. SO wollte man klingen! Wirken! Sein! Dass die selber ihre eigene Pubertät gerade hinter sich hatten, wurde übersehen. Der lückenhafte Wortschatz von DDR-Schulenglisch bescherte obendrein noch einen klassischen Verhörer: „old men, young man, child and women – rage us all in the center of life.“ Am Eintritt in die Angry Young Men Phase nerven eben einfach alle! Richtig gewesen wäre „Old Men, young men, tired and worn men, raise your souls in the center of life.“ Wer hätte damals auch auf „worn“ kommen solln?
  3. „Driver seat“ – back in the 70s. Urlaubserinnerung ’79. Letzter guter Song vor der „Asche“. Autofleppen machen. Aber weiter Moped fahr‘n. DDR eben. „Kick up your feet ….driver seat“. Sniff’n‘ the tears. Fahne droht – und bringt letztlich Lebenserfahrung, die dich hinterher auch Texte verstehen lässt, wie den Folgenden:
  4. kommt Mr. Al Stewart zu Wort: Was war dessen „Year oft he cat“ LP langweilig! Der Alan Parsons neigte eben notorisch zum Glattbügeln. Aalglatt. Die „Time Passages“ war abwechslungsreicher und etwas rockiger. Davon stammt „Palace of Versailles“. Allein der geschichtsträchtige Titel zwang schon zum Gutfinden. Ein Song, der weiterwächst, je mehr man selber in die Message hineinwuchs: Die Könige sind fort, die Diener nicht mehr auffindbar, wir haben ihre Buden ausgeräuchert im Namen Robespierres … and still we wait, to see the day beginn, all time is wasting in the wind … and wondering why – it echoes – in the lonely Palace of Versailles.“ Oh yeahr. Al Stewart als geistiger Verbündeter von Georg Danzer.
  5. machen das Dutzend die Doobie Brothers voll: „Little Darling“; Reminiszenz an Werner Beckers „New York, New York“. Dort lief die Nummer einst in der ARD. Abgeklärte Superstars fläzen im Studiomobiliar, Füße hochgelegt; Gitarre steht auf dem Bauch, das Solo wird kurz mal angetäuscht. Cool. Aber auch abgehoben. Nur Durchschnitt. Damals ’78. Boring old farts und so …. Simmernuselba. Also is‘ die Nummer (wieder) gut!
  6. Kursaal Flyers mit ihrem einzigen Hit: „Little does she know“ mit jenem unrhythmischen Gebolze am Ende im Klassik-Overkill: Sollten das Silvesterböller oder Schüsse sein? Oder war’s absichtlich albernes Danebenhauen des Drummers? Egal. Klang eigentlich wie besoffene Rubettes. Die Nummer wurde landauf-landab gefeiert, obwohl vermutlich alle nicht viel mehr verstanden hatten als „I knew that she’d seen me ‘cause she dropped her Bikini.“ Wovon kleine Jungs halt träumten… heute ja nicht mehr, was man so hört. Die lieben ja heute alle bloß noch Mutti und tragen ihre Grundschulfrisuren auf, bis sie 20 sind und in die „große Stadt“ geschickt werden, wo ihnen dann ein „Lockenschmied“ oder ein „Skalp-Artist“ irgend so einen dämlichen Under-Cut verpasst (obääään mit Strännchääään) … Not my turn. Ich komme noch aus Zeiten, wo „Latte“ nicht mit Milchkaffee verwechselt werden konnte.
  7. Kurz vor Schluss nochmal der Damen-Chor vom dicken Barry. „It may be Winter outside, but in my Heart is Spring“; wie Recht die hatten! Carrie in (abendländischer) Totalverhüllung in weihnachtlicher Stadtbeleuchtung: Way back in the 70s; Stiefel, groß karierter Midi-Rock, 08/15 Anorak mit Fellrandkapuze, Fransenwollschal, Wollmütze – aber AUGEN! 1000 Degree!
  8. Finale: Ashton, Gardner & Dyke. „Resurrection shuffle“. Logisch.

SOUND ON! Feed your rollin‘ Rockpalast! Gute Fahrt!

9 Gedanken zu “15 Songs (von damals)

  1. Hihi, hab grad mal die Kursaal-Flieger aufgelegt, kein Wunder dass ich die verdrängt habe iknowthatsheknowthatiknowlalalala. Nach den ersten Absätzen fiel mir ein wahrhaft gemeiner Spruch ein: Nach dem Mauerbau haben sie euch die Schrottautos angedreht, vor dem Mauerbau die Schrottplatten *fg*
    Das liegt aber an meiner Allergie gegen alles, was irgendwie annähernd nach Barry White oder Phillysound klingt. Immer noch. Dieses Keyboardgedudel mit Streichern und ohne richtige Gitarre war für mich damals the day the music died. Zumindest im Radio, gute Platten gab’s ja noch.

    Aber dann: Mainstreet! Einer der schönsten Songs vom Seger aus einer seiner besten Platten. Sehr gutes Autofahrerstück! Jimis Johnny B. Goode, die ultimative Version – und Edgar Broughtons Hotel Room! Habsch auf Single neu gekauft damals und ganz alleine totgenudelt. Wie gesagt, gute Platten gab’s ja noch.

    Vielleicht sollte ich mir auch mal einen Oldie-Ordner machen auf dem Stick für’s Auto. Könnte sehr groß werden, aber bei meiner Karre fängt er immer da an wo er aufgehört hat, da macht das nichts.

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    • Apropos Schrott-LPs und Schrott-Autos: Ach deshalb landete eurer ganzer Stümperkrautrock bei uns! Watt bin ich in den 80ern über Guru-Guru-Amon-Düül-Halden gestiegen, über mir der Geruch der Supergruppenverwesung: Abacabfeinstaub und Morbus Claptonitis Viren; an meinen nackten Füßen(wir hatten ja nichts!) klebte die Kraan- und Franz K.-Krätze und wollte nicht heilen – und alles nur, um endlich einen Who- oder Yes-Diamanten zu heben! 🙂

      April-April. Man kam schon leichter an die Großkopferten, als an die Geheimtipps. Denn wenn Oma einmal in den Westen fuhr, dann gingen die Enkelwunschlisten auf Nummer sicher.

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  2. Manches würde ich auch noch immer bei längeren Fahrten hören…
    Burdon, Hendrix, Atomic Rooster, Edgar Broughton. Und natürlich die eine oder andere Nummer von Al Stewart. Bei den Phillydiscowürgsachen sehe ich das wie Mr. Zaphod. Damals gings nicht und so ists geblieben.

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