Schwer angesoffen traf ich gestern Nacht einen am Laternenpfahl, der versuchte die Balance zu halten, nahm mich gar nicht wahr, sondern sang, grölte, lallte das folgende Selbstgespräch:
Hey Mr. Lockenstriez
Spiel nen Song für mich
Bin schon müde
und find keinen Platz mich auszuruhn
Hey Mr. Gitarrenrupf
Sag, was soll ich tun
Gegen Protest is’ alle Welt heut so was
Vo-ho-on immun….
Er nickt kurz ein und umarmt die Laterne, plötzlich rafft er sich wieder auf:
Tja, Witzeerzähler mit dem Nachtigall-Charme, nu kam tatsächlich einer vorbei und nahm dir deine Tötungslizenz. Halt schön das Maul jetz. Mach nochn paar Sinatra-Alben.
Schönen Dank dafür, dass du kein Snowden-Album gemacht hast, Bobby!
Warst ja lange genug der Neibourhood-Bully. Am Ende, janz am Ende mochte Karajan die Beatles und der Krenz ooch! Und die alten Säcke da in Stockholm, mögen jetz’ dich! Da musste durch. Krisstja Schmutzzulage ausjezahlt!
Wieder sackt sein Kopf weg. Kommt wieder hoch, nimmt noch einen Schluck:
Wachablösung! Weißt ja – Sixteen years….alle 16 Jahre passiert so was. Im Schnitt! Und nicht nur im Palace of Mirrors der Selbstbespieglung. Die Zeiten ändern sich. Sixteen years… Aber -no time to think- gilt noch immer. Liberalism, Socialism, Kapitalism, Anjeschissn…Gib mal noch ne Tasse Kaffe, bevor ich geh-he-he. Hihihihi. You shall be gleich released, you know? Ich hab dann meistens einen neuen Pawn in meiner Side, wie der am Kreuz (und du jahrelang). Jup’b! Aber das is’ das Jesusding, das bleibt dem selber vorbehalten. Schon klar. The property of Dschieses! We got it in the Bone! You got something better, you got a heart of stone… wer is jetz you? Du selber? Ich? Die alten Eigennützlinge da in Stockholm? Hä! Oder deine Masters of war?
Er lässt jetzt die Laterne los, steht freihändig und brüllt den Mond an:
Hamm die dir eigentlich schon getwittert, wie sehr sie dich schätzen? Die nenn jetz ihre Söhne nach dir! Dafür, dass du kein Song über Assange oder Bradley gemacht hast!
Er lässt den Kopf wieder sinken und fällt praktisch in sich zusammen:
Wäre ja denkbar gewesen, nach der Hurricane – Chose damals. Aber du wolltest nich der amerikanische Lindenberg werden, warst auch jünger damals, bist older than that now. Hähä. Kannst das Lied nu wieder andersrum singen. Jetz wo se dir den Orden draufgepackt haben. Is wurscht jetz…
Wieder rappelt er sich auf und brüllt mit gut geteerter Stimme nochmals Richtung Mond:
Well, I leave you tonight on the downtown train…nee, das is nich von dir…glotz nich böse alter Krieger, auch Kollegen haben schöne Lieder…hähä-hähä…
Und sich wieder an den Laternenpfahl fallen lassend:
Is! schon! gut Mutti! Ich sags ja mal so:
Sum Schluss kommts Dicke: Du wolltst mit „Blowing in the wind“ noch die Welt verändern. Hähähä-hä. Siggi Pop, unser Waffenexporteur, fällt dabei nur sein Konfirmandenunterricht ein; er kann den Text noch, sachter; pfeift die Melodie vielleicht, wenn er CETA unterschreibt…frach den bloß nich, was dem zu „watchtower“ einfällt! Bloß nich! Das übersetzt der wörtlich! Jede Wette! Dann stehste mit die Settl balde noch als Pappkamerad an die Ecke. Jup’b!
Er winkt ab und lässt dabei die Flasche fallen: Smash! Schepper. Klirr! Er bückt sich, als wolle er noch was retten, von dem Lebenselixir, das nun das Strassenpflaster benetzt; fährt aber schnell wieder hoch:
Oh! Jeschnittn. Hm….. Blood on the drecks. Hähähä.
Kannste nüscht für….die Welt is halt so … don’t think twice…ick muss zehause….hick.
Melancholisch seh ich ihm nach: „Well, I drank too many waters, now I’m thousend miles behind.”, hörte ich ihn noch im von dannen Torkeln die Strasse hinunter grölen, als ein harter Regenguss einsetzte und ich ins Haus ging. Unterschlupf habend. Vor dem Sturm.
So kann man das auch sehen. Und es ist beileibe nicht die schlechteste Sichtweise 😉
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Sie schaffen es mal wieder, Ihren Lesern ein Prusten hochzukitzeln, welches schier im Halse steckenbleiben möchte. Siggi Pop. Großartig. Täte ich sternen, müßten Sie nun Ihr Hemdchen lupfen, werter Bludgeon.
Herzliche Grüße, die Ihre.
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Was ist da zu erwarten – der Mann ist ein schwerreicher Patriot, der auch gern mal einen republikanischen Präsidentschaftskandidaten unterstützt – ?
Und was den persönlichen Umgang mit ihm betrifft, schwant mir, dass ich eher Glück habe, ihn nicht pflegen zu müssen.
Trotzdem geht mir das Herz auf, wenn ich ihn höre. Trotzdem vermag er mir näher zu kommen als jeder andere Musiker. Mysterium Mensch.
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Zum Besaufen schöne Omasch
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Was bedeutet eigentlich „Jup’b“? Und „neuen Pawn in meiner Side“?
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Jup’B = Bäuerchen/unterdrückter Magensaftaufstieg
Pawn/Side – danke der Nachfrage; dachte eigentlich der frühe Dylansong, auf den ich hinauswollte, hieß „pawn in my side“, aber er heißt richtig „a pawn in their game“ – hm, aber Leihgabe in der Seite(ntasche) passt schon auch irgendwie…
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Dafür liebe ich ihn. Ich wette, wenn zehn Menschen denselben Song hören, verstehen ihn zehn Menschen anders (oder gar nicht). Das hat was von den Duineser Elegien.
Und so sehr ich ihn liebe – ich bin überhaupt nicht dylanfest. Es ist mir auch schon passiert, dass ich beim Lesen eines Songtextes schier nicht glauben konnte, was da stand, weil ich mit meinem persönlichen und auch sehr eingeschränkten Englisch etwas ganz anderes gehört habe.
Und musikalisch bin ich sowieso aufgeschmissen. Während eines Konzertes habe ich einmal das ganze Lied lang gebraucht, um zu erkennen, dass es „Like a rolling stone“ war. Auch dafür liebe ich ihn.
(„A pawn in their game“ würde ich als „Bauernopfer“ übersetzen, ohne jetzt genau zu wissen, welches Lied gemeint ist. Wenn ich es mir überlege, stelle ich mir´s recht vergnüglich vor, mich mit anderen über Dylanübersetzungen auszutauschen. vielleicht gibt´s dafür auch einen Blog oder ein Forum.
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„gut geteerte Stimme“ merk ich mir! Quatsch, die ganze Story. Laternenpfahl ist altmodisch, doch immer noch zum Festhalten und Gegenknallen. Und so.
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