Comic ist nicht gleich Comic, denn die einen sind nur bunt und die andern sind verkopft. Beides zusammen ist schwer zu haben. Seyfried konnte so was, bevor er Schriftsteller wurde.
Asterix schafft es – in seinen guten Momenten. Aber nicht durchgängig.
„Die Abenteuer aus der Elfenwelt“ der Pinis stürzten aus empfehlenswerter philosophischer Höhe nach knapp 40 Heften als „Elf Quest“ in den typisch amerikanischen Endzeit-Ghetto-Thrillermist.
Das MOSAIK blieb 223 Hefte lang toll. Die letzten 12 „Heimkehr“-Hefte sind Abklatsch der 130er. Seis drum. Das tut der Legende keinen Abbruch. Das jähe Ende im Sommer 1975 war ein Schock. Die ersten Jahrgänge der darauffolgenden Abrafaxe wurden verachtet.
Die Zensur, der ständige Vorwurf fehlender Parteilichkeit und zu geringer erzieherischer Inhalte führte zu immer neuen Finten, dem drohenden Verbot bzw. der Degradierung als 2- oder 3-seitige FRÖSI-Beilage zu entgehen. Zensur zwingt die einen zu Qualitätsverzicht – andere stachelt sie an zu Höchstleistungen.
Beim MOSAIK war fast immer letzteres der Fall.
Der Höhepunkt sind die Hefte 90-151 – die Runkel-Serie.
Zuvor war man immer wieder mit Episoden über naturwissenschaftliche Denker und Erfinder am Rande der staatlichen Ungnade gesegelt, drum wählte man für rund 60 Hefte schließlich das 13.Jahrhundert, um Forderungen nach Darstellung der Arbeiterbewegung zu entgehen. Außerdem schickte man Ritter Runkel von Rübenstein in den Orient, um einen Schatz zu suchen. Damit war er weit genug entfernt von zeittypischem territorialem Erbfolgekleinkrieg und Fragen nach der deutschen Einheit.
Die Wahl war äußerst geschickt und ist Lothar Drägers Verdienst, der zum Stab der Redaktion gehörte und für die Plots zuständig war. Wer kennt sich schon aus in oströmischer Geschichte? Man müsste jeden einzelnen Fakt nachschlagen, um dem Team historische Unrichtigkeiten nachzuweisen. Man findet die Fakten jedoch nicht einfach so in einem handelsüblichen Lexikon. Deshalb konnte Dräger auf allgemeinmenschliche Bequemlichkeit seitens der Bonzen rechnen und erschloss sich somit „Narrenfreiheit“, die sicherheitshalber durch einen wachsenden Fundus antiquarischer Bücher als Fakten-und Bildquell gedeckt war.
Wer weiß schon zu Ostzeiten, dass das untergehende Byzanz seinen Machtanspruch an das alte Russland übertrug? Dass somit Byzanz als Chiffre für Sowjetunion gelesen werden konnte? Kleine Grundschüler merkten das zwar nicht, aber ihre Vatis beim Vorlesen. Somit war das MOSAIK allzeit ein Heft für jung und alt! Die allmonatlichen Ausgaben von 280 000 Stück waren immer zuwenig. Die 80 000 Abonnement-Plätze wurden VERERBT!
Kaiser Andronikos gab es wirklich. Aber der Name passt wie die Faust aufs Auge: Der ständig Drohende (und vieles Versprechende), der aber nichts- oder ständig das Falsche tut. Der ständig den Kurs wechselt. Der unüberlegte Militäreinsätze ansetzt. Der im Reich alles verkommen lässt und Schulden machen muss. Ein Chrustschow? Ein Ulbricht?
Ein Volltreffer auch der Chor der Schmeichler:
„Wer ist die Krone, die immer noch leuchtet, auch wenn sie drum rum mit Wasser befeuchtet! Du, Kaiser, du!“
Und der prompt in Ungnade fällt, als er einmal die Zeichen der Zeit nicht erkennt und in unpassender Situation das falsche Lied anstimmt. Prompt finden sich die verweichlichten Bönzchen in der Armee wieder, wo sie mit der antrainierten Schleimerei versuchen den Centurio (den Spieß) milde zu stimmen.
Hegen war gerade volljährig, als der Gröfaz den II.Weltkrieg vom Zaune brach. Er war somit militärisch ein „gebranntes Kind“. Dräger ebenfalls. Militär wird in allen Serien genüsslich durch den Kakao gezogen: Die Namen der byzantinischen Generäle sprechen überdeutlich: Barras, Kapitulantes, Katastropholes, Schikanes…
Der Centurio (mit Löwenstimme) entpuppt sich laufend als das großmäulige Weichei und die perfekte Feldwebelkarikatur in aller Herren Heere.
Der Strategos (ein abgehalfterter Ortskommandant in der Gestalt eines missratenen tapferen Schneiderleins) und er werden schließlich zu Gefangenen von Suleikas Vater und müssen, um der Bastonade und schwerer Strafarbeit zu entgehen, konvertieren, um dann als Muselmänner nach Mekka zu pilgern.
Man merkt spätestens hier, wie zeitlos aktuell und immer wieder neu interpretierbar eine Geschichte wird, die in den 60er Jahren hinter der Mauer entstand!
Kinder der 60er, wie ich, lernten spielerisch Oralhistory zu interpretieren (Brechts Gedicht „Fragen eines lesenden Arbeiters“ kam uns erst später im Lesebuch vor Augen und baute auf Hannes Hegens/Lothar Drägers Vorleistung auf):
Runkels Vater fälscht seine Erinnerungen an das Morgenland und schickt seinen Sohn los, einen Schatz zu suchen, der dort zurückgelassen werden musste. Als Runkel vor Ort ist, entpuppt er sich als eine kleine „Flüchekasse“ mit ein bisschen Klimpergeld. (Heft 130)
Als die Digedags auf einem Kasernenhof in Konstantinopel eine Bildsäule ersteigen (Heft 121), die die Heldentaten eines Generals Kommissos verewigen sollte, die so niemals stattgefunden haben, lesen sie zwar immer zunächst die Bilder, so wie sie dargestellt sind; da sie aber ihren verschollenen Gefährten Digedag unter den dargestellten Nebenfiguren entdeckt haben, interpretieren sie die steinerne Lügengeschichte um und vermuten eigenständig, wie sich der dargestellte Vorfall vermutlich richtiger abgespielt hat. Digedag durfte nicht oben auf der Säule stehen. Er war ja nur einer aus dem Volk. Also schanzt man seinen Einfallsreichtum einem alten dicken (und inzwischen unfähigen) General zu, der nichts dafür getan hat, außer alter General zu sein.
General oder Generalissimus?
Stalingrad gilt als Stalins Sieg. Aber Shukow trug die Verantwortung.
Tannenberg wurde von Ludendorff geplant und gewonnen, aber Hindenburg wurde Kult.
Generäle kommen zu Orden, weit hinter der Front (im MOSAIK unter dem Sonnenschirm, weit weg von der belagerten Burg), in der Realität in der Wolfsschanze, in Spa im Luxushotel … der „kleine Lanzer“ liegt vor Ort im Dreck und muss Überlebensstrategien entwickeln.
Heft 121 nimmt Flashman vorweg!
Da Runkel nun keinen Schatz gefunden hat, zieht er mit den Digedags weiter herum in dieser Hindukusch-Area. Schließlich werden sie zwangsweise zu Perlentauchern (ab Heft 135). Hegen ist Sudete und stammt aus einer alten Glasmacher-Dynastie. Die Glasmacher Nordböhmens im k.u.k. Reich Habsburgs waren die Glasperlenerzeuger für die Kolonien der anderen Staaten. Kein Wunder also, dass seine familiären Glasperlen-Erfahrungen an geeigneter Stelle einflossen.
Überraschender ist eher der Begleitumstand, dass 10 Jahre später 1978 die Puhdys ihr „Perlenfischer“-Album auf den Markt brachten. Nach der „Jodelkuh Lotte“(aus Heft 19) auf ihrem Zweitling von 1974, ihre zweite und deutlich bessere Reminiszenz an das MOSAIK.
Die Digedags waren da schon Geschichte. Hannes Hegen hatte 1975 hingeschmissen. Schach matt unter zweifelhaften Umständen.
Sie ahnen vermutlich, wie sehr hier sich nun meine Synapsen überschlagen! Ritter Runkel, ich sah viiiieeel später zermürbte Festungen und nannte sie Runkelburgen, wo meinem damaligen Begleiter sich Fragezeichen aufhäupteten… nee, also echt jetzt! Was schrieb ich vorhinst? Ich bin eindeutig bludgeonisiert…
Die Hintergründe muß ich nochmals lesen, danke aber schonmal für diese Mit-teilung, auch wenn sie mich momentan ziemlich fordert. „Fordern fetzt“ sollte mein letzter Synapsengruß hier sein für heute, doch der parkhäusige Osceola wartet ja auch noch auf mich…
LikeGefällt 1 Person
Elfenwelt? Davon hatte ich mal ein paar Exemplare in der Hand, hab das aber schnell als niedlichen Mädchenkram abgetan, obwohl ich ausgesprochener Fan von Fantasyzeugs bin hatte mich irgendwas nicht überzeugt damals…
LikeLike
Ooch, wie schade. Ich hab da an richtig große Philosophie denken müssen.
Da werden doch ähnlich wie beim Herrn der Ringe ganz toll ewige Menschheitsprobleme aufgegriffen – aber leichter fasslich dargestellt als bei Tolkin.
Die haben mich durch die ersten 12 Nachwendejahre gebracht – und sowohl bei meinem Sohn als auch bei meiner Tochter funktioniert.
LikeLike