1. Steht ein NVA-Soldat des 1. Diensthalbjahres 1980 zu Hause in seinem Zimmer. Urlaub. Nur 2 Tage. Die Uniform gerade vom Leib gerissen. Die lange Unterwäsche noch nicht. Das graue Wolltuch, das himmelblaue Hemd, die schwarze Schlipsatrappe, die zivilen Schlabberklamotten, die gleich angezogen werden sollen und Packpapier bilden das Chaos auf dem Fußboden. Auf der Liege aber herrscht Ordnung:
Da liegen 5 LPs. Oldfields “Tubular Bells“, Jackson Brownes „Running on empty“ und
Bowie zum ersten: „Station to station“
Bowie zum zweiten “Low”
Bowie zum dritten “Heroes”.
Als erste läuft die „Low“ auf dem Plattenteller, wegen „sound and vision“ und weil sie von den 5en am meisten abgeht, während er eine nach der anderen in die Hand nimmt, herumdreht, sich an den ladenneuen Covern weidet. SEINE!
„Komm essen, Lanzer!“ ruft Vater, „und mach leiser!“ Weder noch. Er braucht jetzt kein Essen und den Nachsatz hat er nicht gehört.
Sooooweitweg vom Erdboden!
2. Ein frisch gebackener Berufsanfänger steht ein paar Jahre später im rätselhaft verbauten neuen Hauptbahnhof von Cottbus. Absolventenverbannung. Er soll eigentlich den Bahnsteig suchen, wo der Zug abfährt, der ihn für mindestens 3 Jahre an die völlige Peripherie der Täterätätä bringen soll. Aber da oben auf der Galerie des Bahnhofs lockt der Intershop. Also erstmal rein da. Westgeld darf man nicht verschwenden. Es ist rar und zu Wucherkursen ertauscht. Aber da hängt —- Bowie! Die „Tonight“, von der er zu dem Zeitpunkt gerademal „Loving the alien“ kennt. Leider ist „This is not america“ nicht mit drauf, das ebenfalls gerade reichlich Airplay hat. Er kauft ihn trotzdem, den Verbannungsbegleiter, und siehe da: everything would be alright, tonight!
3. Ein gut verdienender Werktätiger im Lande der willkürlichen Eriche hat sich den Flohmarkt in Plauen in zeitlich großen Abständen zur schönen Gewohnheit gemacht. Diesmal ist er mit etwas magerem Portemonnaie unterwegs. Er hat aber noch einen Beutel mit Tauschplatten unter dem Arm. Er ertauscht sich so den Soundtrack „The Falcon and the snowman“. Warum wohl?! „This is not! America! Shalalala….“
Bereits schwebend auf dem Teppich der Glückshormone droht der jähe Absturz, denn:
Als das Geld alle ist, steht er vor einer ausgebreiteten Decke im Gras, da sitzt einer, der die „Scary Monsters“ anbietet. Fuck! Pleite! Hoffentlich kann der Typ Elvis Costello oder die Talking Heads gebrauchen. Er kann. Er entscheidet sich für die „Fear of music“ und der Werktätige zieht mit einer weiteren Bowie davon! 6er im Lotto! Der Teppich hebt wieder ab und bringt ihn heil nach Hause.
….ich weiß, dass ist kein richtiger Post…
…es musste einfach raus….
denn: Heute starb DAVID BOWIE.
Sie sagten es erst vor kurzem…unsere Helden sterben weg…
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Da macht sich der Altersunterschied bemerkbar. Bei Scary Monsters bin ich schon wieder aus Bowies Zug der musikalischen Wandelbarkeit ausgestiegen.
David Bowie R.I:P.
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So ein warmherziger Abgesang, der begleitet ihn zu den Sternen, da bin ich sicher…ach es gibt Lieder von ihm, ohne die ich mir mein Leben nicht vorstellen kann und die mich immer noch umhauen, und ich glaub, die neue Platte gehört auch dazu, schad um ihn, die Welt ist wieder ein wenig ärmer geworden.
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Ich bin traurig – was mich erstaunt, weil ich ja eigentlich kein Musikfreak bin. Aber er war Teil meines Lebens, seitdem ich tanzen gehen durfte. Er hat mein Herz und meinen Leib bewegt, mit ihm war ich völlige Anfängerin und Heldin – er hat es verdient, betrauert zu werden.
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Martin Walser heute in den Nordbayerischen Nachrichten:
Frage….“Ist Schreiben ein gutes Fluchtmittel vor Alter und Tod?“
Walser:
„Schreiben ist sowieso der einzige Rettungsring, um das Dasein zu überleben. Das A und O, das Universale.“
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So please: Back to earth, back to wordpress.
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Ich weiß ja nicht, welches Gen mir da fehlt … aber ich fand all die Jahrzhnte den David Bowie mehr als überflüssig … vermutlich hat mich sein chamäleonartiges Spiel mit dem Design eines Menschen genervt, und dieses androgyne Getue ging mir auch auf den Keks.
So leid´s mir tut, da stand mir ein Rory Gallagher mit Baumwollhemd, Jeans und abgewetzter Stratocaster 1000 mal näher. … sorry !
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Und der gute Rory Gallagher natürlich auch – verlässlich in Jeansjacke, Holzfällerhemd, abgeschrappter Stratocaster Bj.59 und übersichtlichem Repertoire. Der war quasi der Gegenpol. Kaum was neues, aber das verlässlich immer sehr gut….
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Versteh ich durchaus. Du bist ja so ein paar Jahre vor mir dran. Wenn man erst mit 16 odr 17 mit Androgynität konfrontiert wird, während man gerade zum Mann wird/geworden ist, dann ist das ärgerliches Pfuipfuipfui, weils die gerade gefundene Rolle in Frage zu stellen scheint.
Ich stieß auf Bowie mit knapp 15, da war ich noch nicht so weit und nahm das einfach witzig.
Als ICH soweit war, waren mir Village People, Sommerville, Communards ein ähnliches Hindernis. Dieses ganze bekennende Schwulending – ging überhaupt nicht, weil es verunsicherte. Heute isses wurscht. Obwohl: zum Christopher Street Day muss ich trotzdem nich‘.
Gallagher mag ich, brauch ich aber weniger als Bowie, weil man da doch nach mehreren Platten das gefühl hat, das gleiche in unterschiedlichen Covern geboten zu kriegen. Das geht mir mit den meisten Bluesrockern so. Ein oder 2 Scheiben okay, die 3. nimmt dann nur Platz weg.
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Da haste jetzt aber was angestossen bei mir *ggg*.
Mir ist grad, angesichts Deiner richtigen Vermutungen hinsichtlich männlicher Identitätfindung in den Jahren der Adoleszens ne Begebenheit eingefallen, die schon ein wenig prägend war:
Ich war 16 Jahre alt, hoffnungslos verliebt, allerdings ohne jeglichen Erfolg. Damals spielte ich in einer Band (wir nannten uns „Dying Sun“) und an einem Abend brüllte ich mir den Blues bei „Help Me“ (haben wir von Ten Years After“ übernommen) aus dem Leib.
Auf dem Heimweg beschloss ich dann, noch einen kleinen Kneipenbesuch zu wagen.Ich traf in so einer billigen Bahnhofskneipe einen älteren Herrn, der mit einen Schnaps nach dem anderen zahlte … bis ich so prall war, dass ich ihm anstandlos in seine Wohnung folgte. Dort kapierte ich dann erst, was er von mir wollte und als er mir dann ziemlich energisch an die Wäsche ging, konnte ich mich noch irgendwie losreissen, mir meinen Bass schnapen und fluchtartig die Wohnung verlassen.
Hm, seitdem habe ich in der Tat ein wenig gemischte Gefühle, wenn´s um Schwule geht, wobei natürlich die Devise gilt: Soll jeder seine Neigungen leben wie er will … ist mir nämlich schnuppe, solange man mich damit in Ruhe lässt.
Ach ja, ein wirklich guter David Bowie Song ist mir doch noch eingefallen: „All The Young Dudes“, gespielt von Mott The Hoople !
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…und in einem älteren Kommentar von dir hier im Blog hast du mal behauptet, du würdest deine Erinnerungen nicht formulieren können….
Geht doch!
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