Oldtimer

West-östliche Reiberei

Mein Pfingst-Mekka ist Paaren-Glien und die dortige alljährliche Oldtimer-Show.
Altblech, das noch fährt – die Survivors aus alter Zeit, die man da nicht nur sehen, sondern auch hören, riechen und – last but not least – fotografieren kann, haben es mir seit ein paar Jahren wieder heftig angetan.
Zwar technischerseits mit 2 linken Händen gehandicapt, tropft mir trotzdem alljährlich der Zahn, wenn ich von Stil-Ikone zu Stil- Ikone schlendere.

Da hätten wir in diesem Jahr sogar einen richtig klassisch erhalten gebliebenen EMW. Wunderschön, aber störanfällig und deshalb so selten wie nur was. Gebaut wurde er lediglich von 1952 bis 1955.

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Fast gleicht er dem BMW „Barock-Engel“. Kein Wunder. Der stand ursprünglich auch mehr als nur Pate. Thüringen hatte einst ein BMW-Werk in Eisenach, aber dann verloren wir den Krieg und die Ostzone enteignete die Industrie. Die Kluft zwischen den Zonen wuchs sich zur 40jährigen Trennung aus. Eisenach musste auf unerfahrene neue Zulieferer zurückgreifen, so zogen die Mängel ein in einen ehemals soliden Entwurf.

BMW verklagte die kaum gegründete DDR auf Produktpiraterie. Diese wiederum fühlte sich an nichts gebunden, was von postfaschistischen Monopolkapitalisten moniert wurde.
Oberflächlich nassforsch könnte man dies nun im historischen Nachgang als kommunistische Propaganda stigmatisieren. Wenn da nicht der Dok-Film „Das Schweigen der Quandts“ wäre. BMWs Erfolge basieren mitnichten nur auf unternehmerischem Fleiß, sondern auch und vor allem auf dem von Zwangsarbeitern. Die Gerechtigkeit lag östlich, die Rechtsprechung jedoch westlich der Mittelgebirge.
Da die DDR auch exportieren wollte und mit Beschlagnahmungen bedroht wurde, insofern dies im Westen geschehen solle, sah sie sich zum einlenken gezwungen. Aus BMW wurde EMW. Aus blau-weißem Logo wurde rot-weiß und die Kühlergrill-Nieren mussten weg.
Zwei dieser eleganten Exemplare rosteten fahruntauglich in Einfahrten der Nachbarschaft in meinem Kindheitsparadies der 60er Jahre vor sich hin. Ich sah ihnen beim Vergehen zu und der kleine Möchtegern-Restaurator in mir bäumte sich auf, aber leider zu wenig, als dass er mich hätte dazu verleiten können, auch wirklich einer zu werden.

Nach dem Ende der BMW/EMW Produktion wurde der Standort Eisenach umgerüstet und das ehrgeizige Ziel verfolgt, ein eigenständiges ostdeutsches Auto zu entwerfen: Herauskam der Wartburg 311 – der verblüffend dem Borgward Isabella glich.

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6 Gedanken zu “Oldtimer

  1. Mein Stiefvater durfte den 311 chauffieren, für den Inhaber einer kleinen, Plaste herstellenden Firma, die lange Zeit auch in der DDR noch privat geführt wurde. Er war unglaublich stolz auf dieses Auto, obwohl es nicht seins war.

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  2. Ach, die alten Autos. Früher war ja angeblich alles besser, sogar die Vergangenheit. Also auch die Kraftfahrzeuge.
    Aus der Produktion der ehemaligen Deutschen Republik ein Wartburg Kabriolett würde ich heute noch gerne einmal fahren. Erinnerlich ist mir Fahrt im Trabant von Effelder nach Gotha. Trotz der Abenteuerlicheit war die Fahrt eine körperliche Qual.
    Aus der Produktion der Bunten Republik könnte ich eine Liste aufschreiben. Derzeit meine (ehemaligen) Favouriten wäre ein Opel Kadett A in der L Ausführung.

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    • Kleiner Tipp: Noch seltener wäre der Wartburg 311 Plane (heute würde man Pickup sagen). Aber der seltenste PKW dürfte der Sachsenring sein, der nur kurze Zeit Ende der 60er (weiß gar nicht wie lange – 2 oder 3 Jahre?) gebaute „große Bruder“ des Trabant.

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  3. Tja, die Hauseinfahrten…mit meiner ersten grossen Liebe ging ich immer an einer Tischlerei vorbeispazieren…da stand unter einigen Planen mit einem platten Vorderreifen ein kleiner Laster, Hanomag Kurier…und wenn ich nachts nicht von der Grossen Liebe träumte dann davon wie der kleine Laster wohl treubrav viele Abenteuer erlebte, in einer Zeit wo es noch Automotoren gab und keine onlinecomputernavimaschinen mit zufällig noch einem angeschlossenen Motordingsda….nun, irgendwann war er dann weg..ich wusste das war nicht gut..richtig, meine grosse Liebe war kurz danach auch flöten…später fand ich in Paris in einem Hinterhof einen total verstaubten goldenen Mercedes 600 Pullmann…da sah ich mich schon als obercooler Macker drinsitzen..allein , ich war zu was höherem berufen 🙂 Kurz darauf bastelte ich mit meiner zweiten grossen Liebe an einer Denkmaldampflok herum deren Räder grösser waren als ich..irgendwann wurde sie dann vom Sockel geholt und ins Museum gebracht…und meine zweite grosse Liebe…ach , schweigen wir drüber…vor 9 Jahren musste ich auf einem Schrottplatz Fotos machen…und beim rumstöbern entdeckte ich auf dem Boden einen leicht verzogenen Schriftzug von einem Motorgrill…Hanomag Kurier…ich säuberte ihn sorgfältig und nahm ich mit…meine Assistentin fragte mich warum ich so idiotisch glückselig in mich hineingrinsen würde…ich schwieg, der Kreislauf hatte sich geschlossen…ich war wieder der 16jährige Verliebte !
    LG Jürgen

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  4. Pingback: Tradition perdu | toka-ihto-tales

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