In aller Freundschaft

Sie fahren dich zur Notaufnahme. Es fühlt sich an wie Wehen, aber du bist keine Frau. Explodiert dir gleich dein Arschansatz? Nierenkolik nennt sich das Spektakel in deinem Inneren. Der dich begrüßende Arzt ist Vietnamese, Thailänder, Kambodschaner…
Welche Schmerzen du hast, ist ihm wurscht. Wie heißt du, welche Krankenkasse, Einzelzimmerberechtigung oder nicht, „Du hier bleiben wollen?“ oder „Sie weiterfahren in Kreisstadt zu ihre Arzt?“ Das wiederum ist dir wurscht, Hauptsache es hilft jetzt bald mal einer…

An deutschen Krankenhäusern wird nicht mehr deutsch gesprochen. Die Radebrecher sind in der Überzahl. Der Vietnamese, Kambodschaner, Laot…übergibt an den Ukrainer, die Bulgarin, die Russin… die wiederum zur Visite dann einen deutschen Chefarzt über die nächtliche Einlieferung informiert. Der gönnerhafte Halbgott fragt nach, akzentfrei, nickt und möchte seiner postkolonialen Mitarbeiterin fast über den Kopf streicheln, so scheint es.

Die Elite-Askaris hetzen herum, schieben 24- oder 48-Stunden-Dienste, leisten gute Arbeit, für den sprichwörtlichen „Apfel und das Ei“. Kein deutscher Medizinabsolvent würde für ein Einstiegsgehalt unterhalb dem eines Lehrers an einem deutschen Krankenhaus Entscheidungen über Leben und Tod treffen wollen. Dann schon lieber Landarzt in Ku-Damm-Nähe, an der Kö oder Frankfurter Zeil. Setz ein, was du willst, aber nicht Prignitz, Wendland, Odenwald! Für die Pampa wird sich doch noch irgend ein Rumäne finden!
Wir sind ein weltoffenes Land! So weltoffen und einladend für Elitezuwanderung, die dann 3 Gehaltsgruppen tiefer teilhaben darf an einem Wohlstand, den sie vorher nicht kannte und den sie sich nun nicht leisten kann. Und wir vergessen, was eigentlich aus deren Herkunftsländern wird! Wenn dort die Spitzenfachkräfte abwandern, wird sich früher oder später auch „der Rest“ auf die Socken machen.

Komisch…
Da sind wir dann aber wieder rechtmäßig sauer! Wir sind ja nicht das Sozialamt der Welt!

Unter den Krankenschwestern wird noch fließend deutsch gesprochen. Ein rauer schneller Kasernenhof-Slang. Zu mehr ist keine Zeit. Was vor 10 Jahren 3 Schwestern bewältigen mussten, schafft heute eine. Für ein Gehalt – unwesentlich über Hartz IV.
Von der Putzkolonne kann man sie noch anhand der weißen Arbeitskleidung unterscheiden.
Die Türen fliegen auf und zu, Servierwagen knallen an Türrahmen, für ruhiges Lenken ist keine Zeit, da piept es schon wieder aus dem Nachbarzimmer… „Danielaaa! Bring ma Kotzschalen in die 4!“

Für den Patienten bleibt nur die kommunikative Notdurft:
„Stehnsemaauf!“
Bettaufschütteln.
„Könnsichwiedahinlehng.“
Rumms. Tür zu.
Was sollte das? Keine Ahnung. Das musso. Eintrag in den Tätigkeitsnachweis.

Man sagt: Die Apparaturmedizin verlange nach immer teureren Gerätschaften.
Man sagt, die Pharmapreise seien explodiert.
Man sagt auch, die flächendeckende Versorgung der Menschen zwinge die Krankenhäuser zu knallharter Kalkulation.

Drum ist der Medizinmann aus Übersee geschäftstüchtig: „Was habbe sie? Nierenkolik? Sind schon wieder weg? Vermutlich ist Stein schon durch die Katheder. Wenn se einmal da sin’, wollnwer nicht gleich machen Hüfte? Sie sind über 50, die kommt sowieso früher oder spät raus. Später tut mehr weh.“
„Welche denn? Die linke oder die rechte?“
„Die Entscheidung liegt bei ihnen.“

Man sagt nicht (oder viel zu selten und gut versteckt in Politmagazinen nach Mitternacht), dass die Kohlregierung einst die Preisbindung für Medikamente und klinisches Gerät aufhob. Die Schieflage der Gebührenordnung und Gehältertabellen ist heilig. Der Chefarzt kriegt das meiste. Das war so, das ist so, das bleibt so!Freier Wettbewerb, du Kommunist!

Die letzte Brille kostete 700 Euro.
Vier neue Zähne mit 55 Jahren für 3000 Euro – Schnäppchen!
Mein Zahnarzt hat sich sein Klo vergoldet.
Sein Zahntechniker kämpft gegen die Privatinsolvenz.

Wir leben im besten aller Deutschlands.
Kein Reformbedarf. Nirgends.

13 Gedanken zu “In aller Freundschaft

    • Der Nierenstein war echt zu sehen. Wenn der Vergleich mit Wehen hinkt – den hab ich aus dem umgangssprachlichen Gerede übernommen. Überprüfen kann ich’s ja nun mal aus „biologischen Gründen“ nicht.

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      • na ja, jeder Mensch empfindet anders. Als ich Nierensteinkoliken hatte, war mir alles um mich herum total egal. Hauptsache, mir wurde geholfen. Mit Wehen haben Koliken für mich nur so viel gemeinsam, dass man bei beiden den Schmerz ganz gut wegatmen kann.

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  1. Die von Ihnen tatsächlich noch freundlich beschriebenen Zustände trieben mich bei beiden letzten Notaufnahmen zu einer flugsen Entlassung auf eigenes Risiko. Zum Glück ohne weitere Bekümmernis. Nicht auszumalen, wenn was wirklich richtig, richtig schlimmes…
    Dennoch bin ich auch dankbar für die heutigen Möglichkeiten, mir wurde mein Handgelenk so primatös wieder zusammengeflickt, daß ich neunundneunzugkommaneunprozentig meiner Berufung wieder nachkommen kann.
    Wie so oft, zwei ureigenste Verschiedenerfahrungen und ein Schwanken zwischen Halswellerey und Dankbarachtung.
    Ausgeflippt ist der Liebstlieblingsfamosgeselle, als die Erhebung der damaligen Praxisgebühr wichtiger erschien als mein zermatschter Gesamtzustand; fällt mir gerade noch dazu ein.
    Derzeit unzermatschte Grüße, Ihre Frau Knobloch, ein schmerzfreies Wochenende wünschend.

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  2. Eine Bekannte wechselte die Arbeitsstelle. Vom Callcenter zur Dialysepraxishilfskraft. Meine Frage ob ihrer Zufriedenheit – nach zweiwöchiger Arbeitszeit- beantwortete sie mit“Ich brauch bloss noch‘ nen Spritzenschein, dann bin ich genauso gut wie die Schwestern „.
    Meine dreijährigen Ausbildungszeit war all so völlig überflüssig!

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    • Es ist „der Trend, den keiner kennt“ – weg von seriöser Ausbildung hin zur Dumpingbeschäftigung von „Spätberufenen“ oder „Seiteneinsteigern“.
      Und es ist zum Kotzen.
      Aber die Youngsters von heute pflegen ihr Nerdstyling, ihre Kochkünste, ihre „Role-play-Vernetzungen“, schicken Mama in den Kampf(wenn’s doch mal schwierig werden sollte) oder verausgaben sich in jenem lächerlichen Kinderkrieg zwischen Antifa und Anti-Antifa sinnlos, anstatt für die richtigen Ziele auf die Straße zu gehen bzw. die Parteien zu unterwandern oder den großen Hack&Roll loszutreten! Denn erst dann würde sich was ändern.

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      • Parteien unterwandern klappt nicht, die Zeit die man dafür braucht reicht für eine vollkommene Gehirnwäsche, das System assimiliert alles. *fg*
        Nicht einmal Parteien neu gründen hilft, entweder sind sie von vornherein Scheixxe oder werden derart geschleift, dass man sie nach ein paar Jahren nicht wiedererkennt.

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      • Leider hast du recht. Meine Ideen waren auch eher so aus der Hüfte geschossen. Soll’n sich die Youngsters was einfallen lassen.
        Immerhin den Schröder konnte in seiner eigenen Partei niemand ab, aber er hat mit so ein paar Mafiosi das Boot gerockt und – leider – auch die Sozial- und Rentenpolitik geschrödert. Im Negativen funktionierts. Wenn eine positive Lichtgestalt aufkreuzt, dann siehe Gorby, siehe Obama…–> siehe Zaphods Posting.

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  3. Ich bin ohnehin dafür, dieses merkwürdig deutsche Krankenkassenbezahlsystem zu schreddern.
    In den Ländern, in denen ich bisher lebte waren alle Menschen Privatpatienten.
    Man geht nur zum Arzt, wenn man wirklich muss. Der Arzt verschreibt nur, was wirklich nötig ist und aus Kostengründen viele Generika oder natürliche Mittel.
    Wer will und kann, schliesst eine Krankenversicherung ab.
    Arme Menschen kriegens billiger oder umsonst, weils zum guten Ton nicht weniger Ärzte gehört, sich sozial zu engagieren. Eid des Hippokrates in der Wirklichkeit. Und dennoch gehören sie auch in diesen Ländern zu den besser Verdienenden.
    Und dass im Sauberland Deutschland tausende Menschen jedes Jahr wegen der mangelnden Hygiene in Krankenhäusern sterben müssen, wirft ein Bild auf das ganze System.

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    • Ganz soweit würde ich nicht gehen, denn die rechtzeitige Chemo oder den Spezialstuhl bei MS würde der arme Schlucker auf diese Art denn doch nicht kriegen können. Charity ist Almosen und Almosen ist Alibi-Hilfe. Aber:
      – die alte Preisbremse wieder einführen,
      – Medienrecherche zu Arzneimittelbetrug(pack den alten Schrott in neue Verpackung, behaupte es sei ein verbessertes Produkt und verlange den doppelten Preis) – Skandale mit Bestrafungskonsequenz,
      – Gehälterreform, usw.
      das erscheint mir als brauchbarer Ansatz.
      Volker Pispers hat das Schweizer Krankenkassensystem gelobt:Weil es dort keine Privaten gibt, zahlen alle ein(auch die Topverdiener) und deshalb kann die Kasse auch alle Kosten tragen. „Und? hat schon jemand von schweizer Massenflucht aus diesem sozialistischen Zwangssystem gehört? Wird an der Schweizer Grenze schon geschossen?“

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  4. Nun ja. Ganz ehrlich, ich wünsch es mir eigentlich nicht zurück. Das Mittelalter. Ein paar weisse Frauen vielleicht, die mit pflanzlichen Heilmitteln richtig gut umgehen konnten und vor allem mit den Leuten redeten, so einfach nur menschlich waren, das würde gehen.
    Aber bitte keinen dieser damaligen studierten Ärzte bitte, die ausser Aderlass und Nichtwissen nicht viel drauf hatten. Denen musste man erst einmal beibringen, die Hände zu waschen.
    Ich hab ständig mit Leuten zu tun, die kranke Menschen betreuen. Und dort ist es wie im richtigen Leben auch, es gibt solche und es gibt solche.
    Das ist das Problem: Es kommt darauf an, an wen man kommt. Vor allem dann, wenn man keine Wahl mehr hat und mit einem Nierenstein die abartigsten Schmerzen hat. Wenn man da in die Falschen gerät, dann gute Nacht.
    Aber ein schwacher Trost, es gibt sie noch, die guten Ärzte und gute Helfer drumherum, man muss sie nur finden. Und das ist nicht einfach. Ich kann nicht mal sagen, wie das geht.
    Einige durfte ich sogar schon kennen und schätzen lernen.
    Aber die meisten waschen sich mittlerweile die Hände, lassen nicht mehr gleich zur Ader und kennen sich in Anatomie einigermassen aus.

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    • Na sagen wir’s mal so: Das Mittelalter hab ich nu auch nicht gerade zurückhaben wollen, aber was den Bettenhausservice angeht (Zeit haben, in Ruhe gelassen werden, ein Plausch mit der Krankenschwester, begrenzte Besuchszeiten usw.) haben wir (West- wie Ostdeutschland) irgendwann anfang der 80er den Zenit überschritten. Die Apparaturen mögen sich verbessert haben, aber die Kluft zwischen „Schwarzwaldklinik“ und richtigem Krankenhaus war nicht soooo groß wie die heutige zwischen „Sachsenklinik“(In aller Freundschaft) und KMG Kliniken all over Deutschland.
      Würde ich jedenfalls mal so als kühne Behauptung raushauen.
      Meine eigenen Krankenhauserfahrungen rühren von vor 1975 und dann von 1991 und 2013 her – eine ganz klassische Verschlimmbesserung.

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