Die Söhne der großen Bärin!
Wie das schon klingt!
Ein wahres Monster von einem Werk!
Ein Dakota-Epos!
In der zweiten Klasse als Film und in der 4. Klasse als Buch kennen gelernt: Toka-ihto im Spannungsfeld zwischen rot und weiß: Zwischen Hawandshita, dem altersstarrsinnigen Medizinmann und Red Fox, dem Scout, der eigentlich Jim Clark heißt. (Aber davon sprach niemand. Es wurde nur im Buch der Vollständigkeit halber mal erwähnt. Toka-ihto schrieb sich eigentlich mit „ei“ – Tokei ihto, jedoch siegte die volkstümlich gewordene Aussprache mit „a“ über die Rechtsschreibung der Autorin.)
Im Film kommt noch die besondere Mystik hinzu, dass der Schauspieler Jiri Vrstala nicht nur einen beeindruckenden Bösewicht ablieferte, sondern dass unsere Mütter uns einreden wollten: Der Red Fox – das sei Clown Ferdinand.
Die schlimme Wahrheit war: Es stimmte.
Clown Ferdinand war ein Star im Kinderfernsehen der 60er. Auch die Hörspielplatte „Ferdinand und das Zauberhäuschen“ war ein Renner. Er war jedoch immer typisch auf Clown geschminkt und deshalb kannte keiner von uns sein wahres Gesicht.
Wer mag auf diesen interessant-abartigen Einfall verfallen sein, den Kinderfernsehliebling zum gefährlichen Widersacher des Kinderhelden Gojko Mitic zu bestimmen?
(Zwei Indianerfilme später toppt ihn jedoch Hanjo Hasse als Bludgeon noch um einiges: Hasse war so was wie ein Ost-Kinski, der ewig auf böse Rollen festgelegte: Gutsherr, Monokelfritze, Gestapo-Mann, Serienkiller… eindimensional negativ. Im Falle von Bludgeon wurde es doppelbödig: Hier trug er zu seiner Naturhalbglatze eine rote Weste und einen Bart um den Mund: Ein zähnefletschender Lenin-Typ als Strolch? Zufälliger Maskenbildner-Gau oder bewusste, riskante Provokation? Mir fiel das zugegebenermaßen erst auf, als ich die Filme in den 90ern wieder sah.)
Obwohl Film und Rolle ein großer Erfolg für Vrstala waren, verschwand er danach von der Bildfläche. Pan Tau löste ihn ab.
„Die Söhne der Großen Bärin“ bestanden zunächst aus einem 700 Seitenwälzer, der seit 1951, dem Jahr seiner Erstausgabe, ein durchschlagender Erfolg war. Nebenbei sollte er Karl May aus dem Bewusstsein der Masse verdrängen, was in meiner Generation auch weitgehend gelang. May galt lt. Schriftstellerlexikon der DDR als wilhelminischer-chauvinistischer Schund, gepaart mit religiöser Frömmelei. In anderen Ausgaben war da noch von propagiertem Übermenschentum und präfaschistischem Eroberungsdrang zu lesen – also durchaus böse und im Sozialismus „überwunden“ – bis 1983 die totale Kehrtwende kam: Karl May der Friedenskämpfer, … der Antikolonialist … „Winnetou 1“ als DDR-Erstausgabe…
May war in den späten 60ern also schwer aufzutreiben, weshalb nicht die Apachen, sondern die Dakota zu meinem Helden-Stamm wurden.
Die Söhne der Großen Bärin wurden auf Grund ihres durchschlagenden Erfolges erweitert wie einst der Lederstrumpf, dessen zu erst entstandener Teil bekanntlich nicht der „Wildtöter“ sondern „Die Ansiedler“ war.
Liselotte Welskopf-Henrich hatte den 3. Teil zuerst geschrieben. Nun begann sie die Jugend des Toka-ihto nachzureichen: „Harka“ wieder 700 Seiten (mit leichten Längen in der Mitte) endet an einem dramatischen Höhepunkt: Matto Taupa war von seinem Stamm verstoßen worden, weil er angeblich den Weißen das Geheimnis der Bärin verraten habe. Harka (der spätere Toka-ihto) folgt als Teenager nun seinem Vater in die Verbannung, zu verschiedenen Zwischenstationen, deren eine Buffalo Bills Western Circus ist. Harka ist also ein verstoßener Häuptlingssohn, der im 3. Band bereits zu Anfang wieder Häuptling ist.
Wie kam er zurück?
Warum heißt er nicht mehr Harka?
Was passiert dazwischen?
Der mittlere Band musste ran! Dringend!
Aber ach – die Planwirtschaft! Auflage vergriffen! Mach was! Such!
Es sollte fast ein ganzes Jahr dauern. Eine Ewigkeit für einen 10jährigen!
Dann war die DDR auf die Idee gekommen, die 3 dicken Wälzer in 6 Häppchen aufzuteilen und die Auflage kurzzeitig zu erhöhen. So erhielt ich den mittleren Band („Topp und Harry“) in zweibändiger Ausführung „Die Höhle in den schwarzen Bergen“ und „Die Heimkehr zu den Dakota“ und erfuhr endlich den Rest! Der Eindruck war ungeheuer. Ich las im Anschluss den 3.Band zum zweiten Mal und verstand nun, warum manche Menschen ihre Lieblingsbücher mehrmals lesen.
Der Zufall wollte es, dass ich kurz danach Karl Mays „Winnetou 3“ als Einstieg in dessen Universum erhielt – er kam nicht dagegen an. Er packte mich nicht. Ich gab in der Hälfte auf.
Meine Karl May Sucht ließ noch auf sich warten. Aber das ist eine andere Geschichte.
Na, von DIESEM Mr. Bludgeon hatte ich natürlich keine Ahnung. Habe ich eigentlich immer noch nicht.
Aber es läßt Sie in einem wärmeren Licht erscheinen, zu wissen, dass Sie sich etwas anderes dabei denken, als das, was einem guurgel präsentiert.
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Ja ja ja: ENDLICH. Ich kenne auch mal was. Nö, nicht Mays Karl. Ich hatte verschiedene Tanten und Onkels, da kamen zum Geburtstag und zu Weihnachten jeweils einige Bände zusammen. Gleich mehr dazu.
Nö, Pan Tau. Ich habe zwar kaum noch konkrete Erinnerungen. Mir jedoch erinnerlich ist die Optik der Filme. Da sah alles so anders aus, dass sich irgendwas tiefer ablagerte. Um wirklich konkret zu werden, müsste ich mir jetzt einige Folgen nochmals ansehen. Mal sehen, was Onkel Juhtjuhp dazu sagt.
Von Karl May hatte ich natürlich wie alle anderen auch die kastrierten Bamberger Ausgaben. Später mal, schon mit Freundin untergehakt, bekam ich von ihrem Vater ca. 20 Radebeuler Ausgaben. Da wurden selbst mir als damals noch unbedarftem Leser die Augen für Textunterschiede geöffnet.
Inzwischen ist hier in der Lummerländer Verrücktenbibliothek vorhanden – ich zitiere und gebe / teile das gerne weiter, falls Interesse bestehen sollte:
Die 1987 im Verlag von Franz Greno, Nördlingen, begonnene, zwischendurch bei Haffmans in Zürich fortgeführte und seit 1993 im Bücherhaus in Bargfeld erscheinende historisch-kritische Ausgabe ›Karl Mays Werke‹ will erstmals einem breiten Publikum verläßliche und in ihrer Entstehung durchschaubare Texte aller Schriften Karl Mays zugänglich machen. Band 77 der DIGITALEN BIBLIOTHEK begleitet dieses groß angelegte und längst nicht abgeschlossene Editionsvorhaben in statu nascendi.
Grundlage der digitalen Ausgabe ist der vorläufige Editionsplan der historisch-kritischen Ausgabe, die – je nach Überlieferungslage – auf Erstdrucke, autorisierte Nachdrucke und Ausgaben letzter Hand zurückgreift:
Abteilung I – Frühwerk
Aufsätze, Gedichte und Rätsel; Humoresken und Schwänke; Erzgebirgische Dorfgeschichten; Historische Erzählungen; Kriminalnovellen und Abenteuererzählungen – nach den Erstdrucken oder ältesten überlieferten Drucken / 8 Bände + Kommentar und Register
Abteilung II – Fortsetzungsromane
Scepter und Hammer; Die Juweleninsel; Waldröschen; Die Liebe des Ulanen; Der verlorne Sohn; Deutsche Herzen, deutsche Helden; Der Weg zum Glück – nach den Erstdrucken oder ältesten überlieferten Drucken / 31 Bände
Abteilung III – Erzählungen für die Jugend
Der Sohn des Bärenjägers; Kong-Kheou, das Ehrenwort; Die Sklavenkarawane; Der Schatz im Silbersee; Das Vermächtnis des Inka; Der Oelprinz; Der schwarze Mustang und kleinere Erzählungen – nach den Erstdrucken / 7 Bände
Abteilung IV – Reiseerzählungen
Orientzyklus von Durch die Wüste bis Der Schut; Am Rio de la Plata; In den Cordilleren; Im Lande des Mahdi I-III; Winnetou I-III; Satan und Ischariot I-III; Old Surehand I-III; Weihnacht!; Im Reiche des silbernen Löwen I-II und kleinere Reiseerzählungen – meist nach den Fassungen letzter Hand / 27 Bände
Abteilung V – Spätwerk
Am Jenseits; Und Friede auf Erden!; Im Reiche des silbernen Löwen III-IV; Ardistan und Dschinnistan
I-II; Winnetou IV; Himmelsgedanken; Babel und Bibel; Gedichte und Aufsätze – meist nach den Fassungen letzter Hand / 10 Bände
Abteilung VI – Autobiographische Schriften
Freuden und Leiden eines Vielgelesenen; »Karl May als Erzieher«; Mein Leben und Streben; u.a. – nach den Erstdrucken / 6 Bände
Die digitale Ausgabe enthält – zunächst ohne kritischen Apparat – den Textkorpus der Abteilungen Frühwerk, Fortsetzungsromane, Erzählungen für die Jugend, Reiseerzählungen und Spätwerk. Mit über 80 Bänden ist so nahezu das komplette literarische Werk Karl Mays elektronisch im Volltext erschlossen. Ergänzt wird die Ausgabe um autobiographische Schriften, das Leseralbum (eine Photosammmlung Karl Mays mit 494 zeitgenössischen Porträtaufnahmen) sowie Volker Grieses informative Kurzbiographie »Karl May – Chronik seines Lebens«, die wichtige Daten zu Leben und Werk enthält. Bei 49 Bänden konnte der edierte Neusatz-Text der ›Bibliotheksausgabe‹, die neben Taschenbuch– und Lizenzausgaben als einzige zwei Verlags– und einen Herausgeberwechsel unbeschadet überdauerte, übernommen werden, zwei weitere Bände folgen Umbruch-Fahnen in Vorbereitung befindlicher Titel, für alle anderen wurde der Text anhand von Reprints oder Originaldrucken neu erfaßt und digital aufbereitet. Analog richtet sich die Paginierung wo irgend möglich nach der Bibliotheksausgabe, sonst aber nach den relevanten zeitgenössischen Drucken. Die bibliographischen Nachweise orientieren sich an Hainer Plauls Standard-Bibliographie1; für die weitergehende Beschäftigung mit Karl Mays Leben und Werk unentbehrlich ist Gert Uedings ›Karl-May-Handbuch‹2, das die Ergebnisse aus über 30 Jahren Karl-May-Forschung zusammenfaßt.
Falls noch irgendwelche Fragen bestehen, stehe ich gerne zur Verfügung 😉
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Boah, ey…ich schwenke erschlagen den Wampumgürtel: Kapituliere.
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Nicht doch – gerade das Gegenteil erwartete ich! Freude!
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Najaaaa, schön für die Maniac-Fraktion. Ich hab ihn gern gelesen, halte ihn in Ehren, in meinem heiligen Wohnzimmergral steht noch 1m breit zweireihig das meiner Meinung nach Beste seiner Werke … aber die Originale aus erster Hand… neee, die brauch ich nicht mehr.
Ich schrieb ja neulich schon, dass ich Ende der 80er mit diesen bibliophilen Reprintausgaben der „Ehemaligen“ so meine Erfahrungen gemacht hab:
Coopers Wildtöter: 2 bändig; in Erstausgabenübersetzung von anno domini – eine unlesbare Qual – für jede Bartstoppel von Harry Hurry eine Seite, für jeden Wetterwechsel ein halbes Kapitel – neeee!
Mit Robinson Crusoe und Moby Dick war es das selbe Elend. Die hab ich gottlob nur geborgtermaßen zur Kenntnis genommen.
Übrigens: Radebeuler vs. Bamberger Ausgaben: „Ich“ ist heute besser zusammengestellt als damals. Früher kamen nach der Lebensgeschichte ein paar Gedichte und religiöses Allerlei; heute gibt es dafür „Lichte Höhen“ als Extraband und im Band „Ich“ wurde nach der Lebensgeschichte Platz für sehr interessante Essays aus den Karl May Jahrbüchern der 20er Jahre zum Thema Karl May Streit.
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Ein vorzüglicher Kenner. Chapeau!
Den Band 34 hätte auch ich sofort als Ausnahme benannt.
Aber so pauschal lässt sich das nicht sagen. Die Bamberger Ausgabe ist nicht wegen eventueller Kürzungen berüchtigt, sondern weil dort Texte massiv umgeschrieben worden sind. „Bearbeitet“ eben.
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Booah, welches werkeln hier, Liselotte Welskopf-Heinrich? So einen Namen vergisst man nicht und irgendwann ist der Name mir einmal begegnet, im Bücherbus, bei der Oma und dem Kranzbrot. Ich bekomme das noch heraus.
„Clown Ferdinand“ kann man btw bei You Tube anschauen, den kannte ich überhaupt nicht.
Aber der Karl May, oh wehe, da stand über ein Meter an Büchern im Wohnzimmer, im guten Schrank. Und der war ideologisch nicht unbelastet, der war durch Lex Barker kontaminiert. Kara Ben Nemsi sah in meinem Kopf so aus, Old Shatterhand, sämtliche Helden Karl Mays sahen so aus, als ich seine Bücher las. Wegen der Filme! Ich hatte Puzzles, es gab Sammelbilder, das war Prägung.
Mein Tip bei Karl May ist immer wieder die Serie mit „Schloss Rodriganda“, „Benito Juarez“ und so weiter, da gibt es die bösesten Bösen, viel schlimmer wie Santer.
Da fange ich wieder an, im Bücherbus zu stehen. Tamara Ramsay war der Knaller bei mir, mindestens 3 mal gelesen, „Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott“, dabei noch dreibändig, seither weiss ich, wo Perleberg liegt, dass es Wenden gab, und vieles mehr. Eine weibliche Ausgabe des Nils Holgerson, mit Reihern und Raben anstatt mit Gänsen, die über die neuen Bundesländer geflogen wird. Und der tödliche Halbmond“, ungarisch. Geza Gardonyi.
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Die Serie mit Schloss Rodriganda, also der Kolportageroman „Das Waldröschen“ bestehend aus Schloss Rodriganda, Die Pyramide des Sonnengottes, Benito Juarez, Trapper Geierschnabel und Der sterbende Kaiser (Band 51-55) muss neu gelesen werden, denn inzwischen sind mit Band 77 Die Kinder des Herzogs die Missverständlichkeiten und Unklarheiten der vormals 5 Bände so in etwa beseitigt.
Ich befürchte allerdings, dass diese „Fundstücke“ durch die ehemaligen Bearbeitungen aus irgendwelchen Schubladen wieder „aufgetaucht“ sind.
Ob da noch noch auftauchen wird in der Zukunft? Ich bin da durchaus optimistisch. Es gibt ja noch weitere Kolportageromane von Karl May ~~~
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…und dann weiß man wieder nicht, ob die „Fundstücke“ wirklich vom Meister himself stammen oder Ergüsse anderer Münchmeyer-Schreiberlinge sind, die das Werk aufpeppen sollten. Meine mich zu erinnern, das in „Am Stillen Ocean“ in einer der Erzählungen dort ein besonders missratener Fall von „ganz anderer Schreibe“ als Einleitung verbraten wurde.
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Das weiss ich nicht. Vielleicht sollte ich mal nachschauen, ob ich da was drüber finde in meiner Ausgabe.
Nachgeschaut – ich müsste beide Ausgaben miteinander vergleichen um eine klare Aussage machen zu können…
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Mir fällt gerade wieder ein: Es war die Einleitung vom „Ehri“. Sehr ungelenk und „kalt“ geschrieben, auffällig „Un-May-isch“.
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So spricht der Fachmann – Klasse! 😉
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Zuerst erwog ich ja noch: Latein.
Jetzt bin ich mir sicher: Indianogermanisch!
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Hau! (Grins)
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Weiterführende Forschungen haben ergeben: Indianogermayisch
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Schlage vor: Dakota-Sachsoid.
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Saxota?
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hm…klingt ein bißchen nach Musikantenkarre: Saxophon & Skoda… wenn ich den regionalen Radius etwas ausweite komme ich noch auf folgende Mischvarianten:
– anhaltachisch,
– brandenburkesisch
– schwabonisch
– hessokisch
usw.
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Clown Ferdinand? Red Fox? Sie sehen mich angemessen erstaunstarren, Wertester. Das hätte mir als Junggöre nicht mal mein Bruder glaubhaft verklickern können.
Bloggenbildetfetzigfindende Grüße, die Ihre.
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Sie und der Herr Ärmel – das ist ja reinstes Kopfkino, was da abläuft … 😀
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